Kapitel 10

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Gerade gingen wir zu unserer ersten Besprechung mit Mister und Misses Collins.
Außer uns vieren waren auch noch ein Cateringteam, ein Maskenbildnerteam und Leute, die für die Dekoration und die Blumen zuständig waren anwesend. Es sollte alles ganz den Wünschen des Autorenehepaars angepasst werden. Ein bisschen übertrieben, wenn man mich fragte.

"Was halten Sie denn von unseren ersten Ideen, Lynn?" Misses Collins sprach mich wie aus heiterem Himmel an.
"Ähm. Also ich finde das bis jetzt alles fantastisch. Sie haben einen sehr guten Geschmack." Ich versuchte mich noch irgendwie aus der Situation zu retten. Hätte ich doch nur zugehört. Aber dieser Typ namens Harvey, der mir gegenüber saß, war aber auch echt attraktiv. Er lächelte mir des Öfteren zu. Sein Lächeln brachte mein Blut zwar nicht so sehr in Wallungen wie Jasons, doch er war nett und würde mich vielleicht von meinem Boss ablenken, also lächelte ich zurück. Ich bemerkte Jasons strafenden Blick auf mir, doch der hatte mich heute schon genug gekränkt.
Als vorerst ein Konzept für die Premiere und die Tour aufgestellt worden war, kam unser Essen und das Dessert war einfach Himmlisch. Und damit meine ich ausschließlich das Dessert. Ansonsten hatte ich nämlich nichts angerührt. Austern waren nicht so mein Ding. Harvey versuchte zwar mich zu überreden, welche zu probieren, doch ich weigerte mich. Ich widmete mich lieber meinem riesigen Eisbecher von Schokolade. Ich liebte Eis über alles. Es war wie mit dem Kaffee. Wer sich zwischen mich und mein Eis stellte, der sollte sich vorsehen, nicht dass derjenige am Ende einen Eisbecher am Kopf kleben hatte. Natürlich einen leeren Eisbecher.
Warum schaute Jason mich so amüsiert an? Machte er sich etwa über mich lustig!
"Was ist?" Fragte ich genervt.
"Sie haben da etwas an der Nase."
"Was? Wo?"
"Da." Sagte Jason und beugte sich mit einer Servierte vor. Er wischte mir über die Nasenspitze und sah mir dabei tief in die Augen. Wow. Was war das denn Bitteschön? Wenn ich Jasons Blick richtig gedeutet hatte, hätte er mir das Eis lieber selbst von der Nase geleckt. Igitt. Was dachte ich nur! Die Vorstellung von seinem Sabber auf meiner Nase war nicht gerade appetitlich. Wahrscheinlich wollte er selber Eis haben.
"Danke." Mehr brachte ich nicht heraus. Misses Collins sah uns etwas argwöhnisch an, sagte aber nichts.
Er hatte mir im Gesicht rumgefummelt, na und! Das war doch kein Verbrechen oder hätte ich besser den ganzen Abend mit einer braunen Nasenspitze durch die Gegend laufen sollen?
Ich sah zu meinem Boss, doch der führte schon wieder ganz der Eisprinz ein ausschließlich geschäftliches Gespräch mit Mister Collins.
Was für ein undurchsichtiger Mann...
"Ich frage mich, was eine Frau, wie Sie, eigentlich für Interessen hat." Sprach Harvey mich an. Ich war etwas überrascht, dass er mich einfach so mitten in der Runde ansprach.
"Ich lese und Male gerne. Und was hat ein Mann, wie Sie, für Interessen?"
Führte ich das Gespräch fort.
"Ich fahre gerne Ski, aber für Sie würde ich glatt noch mit dem Lesen anfangen."
"Wie nett. Bei meiner Tollpatschigkeit würde ich mich dennoch besser nicht auf Skier stellen. Wahrscheinlich würde ich mir nach nur einem Meter beide Beine brechen."
Ich sah ihn kokett an.
"Ach, nicht doch. Wir wollen doch nicht, dass ihren schönen Beinen etwas zustößt. Lieber trage ich sie bis ans Ende der Welt."
Ach Gottchen. Jetzt übertrieb er es aber etwas mit dem Flirten.
"Nein, danke. Ich laufe lieber selber, da weiß ich wenigstens, dass ich auch da lande, wo ich hinwill."
"Na wie wär's dann mit einem Spaziergang im Mondlicht? Wir könnten vorher in ein Restaurant gehen."
Wollte Harvey gerade etwa ein Date? Ich wusste nicht, wann ich mein letztes Date gehabt hatte, doch Harvey war eine gute Ablenkung. Und wer weiß, vielleicht würde ich mich tatsächlich in ihn verlieben. Nein, Lynn. So schnell wirst du Jason nicht vergessen. Oder können Harveys triste braune Augen etwa mit Jasons strahlendem Blau mithalten? Nein! Ist er so verdammt sexy wie Jason? Nein! Könntest du dich trotzdem mal ein bisschen amüsieren? Ja!
"Gerne. Wann und wo?"
"Um 8 Uhr in der Eingangshalle? Wir könnten zum Griechen gehen."
"Okay. Geht klar."
"Schön. Freut mich." Wieder lächelte er mich an, doch auch sein schönstes Lächeln konnte keine Gefühle in mir hervorrufen. Warum hatte ich überhaupt ja gesagt? Außerdem war ich nicht wirklich ein Fan von griechischem Essen, ich war eher ein Fan von italienischem und chinesischem Essen. Tief in meinem Inneren wollte ich wahrscheinlich nur wissen, wie Jason reagieren würde. Aber wie es aussah, hatte er von unserer Verabredung gar nichts mitbekommen, denn er war immer noch mit Mister Collins in einer Diskussion. Vielleicht interessierte es ihn auch schlichtweg nicht. Wenn ich ihn schon nicht haben konnte, dann sollte er wenigstens glücklich sein. Ray, einer der Maskenbildner, war homosexuell und starrte Jason die ganze Zeit an. Vielleicht konnte ich den beiden ja einen Schubs in die richtige Richtung geben...
Langsam leerte sich der Tisch, bis nur noch Harvey, Ray, Mister und Misses Collins und Jason und ich am Tisch saßen.
Ich musste auf Toilette und auf dem Rückweg kam ich an Ray vorbei, der sich anscheinend auf sein Hotelzimmer zurückziehen wollte vorbei.
"Ray?"
"Ja?"
"Versuchen Sie es doch einfach mal."
Ich gab ihm mit einem Blick auf Jason zu verstehen, was ich meinte.
"Meinen Sie echt?"
"Wenn Sie es nicht versuchen, wissen Sie nicht, ob es vielleicht funktioniert hätte."
Ich lächelte Ray aufmunternd an.
"Danke." Auch er schenkte mir ein dankbares Lächeln, bevor er sich verabschiedete.

Ich kam an den Tisch zurück und nahm wieder neben meinem Boss Platz.
Ich widmete mich gerade meinem Kaffee, als auch Harvey sich erhob und sich verabschiedete. Er ließ es sich jedoch nicht nehmen, sich von hinten zwischen mich und Jason zu lehnen und nur für uns verständlich mir ins Ohr zu flüstern: "Ich freue mich auf heute Abend." Und dann zu gehen. Ich merkte, wie Jason sich verkrampfte und die Hände zu Fäusten ballte, doch mir war nicht klar, warum er so reagierte. Vielleicht mochte er Harvey nicht.
Als auch Harvey außer Hörweite war, lehnte Misses Collins sich verschwörerisch vor und schaute im Wechsel von Jason zu mir und von mir wieder zu ihm.
"So, raus mit der Sprache. Sind Sie beide zusammen?"
"Was?" Mehr brachte ich erschrocken von Ihrer absurden Frage nicht heraus.
"Nein." Antwortete Jason kühl.
"Das glaube ich Ihnen nicht. So wie sie miteinander umgehen, muss da doch eine gewisse Anziehungskraft sein."
"Schatz. Lass die beiden doch in Ruhe. Wenn Sie nein sagen, dann meinen Sie auch nein." Mischte sich Mister Collins ein.
Mir reichte es für heute definitiv. Erst tat Jason so, als wäre ich ein Stachelschwein, mit dem er sich sein Zimmer teilen musste und dann drückte diese Frau auch noch auf meinem wunden Punkt herum. Das war einfach zu viel.
"Wenn Sie glauben, dass zwischen diesem Eisklotz," ich deutete auf meinen Chef, " und mir auch nur die geringste Anziehungskraft besteht, dann haben Sie keine Ahnung von der Liebe!"
Mit diesem Worten erhob ich mich von meinem Platz und ging ohne ein weiteres Wort in mein oder besser unser Hotelzimmer. Ich wusste, dass ich nicht so mit unserer Geschäftspartnerin hätte reden sollen, doch das war mir in diesem Moment egal. Ich brauchte jetzt erst einmal ein schönes, warmes Bad in dieser riesigen Badewanne und das würde ich mir von niemandem versauen lassen. Job hin oder her. Ich hatte nun einmal meinen eigenen Kopf und es dauerte lange, bis ich etwas derartiges sagte, aber mein Boss hatte mich mit seinen Launen einfach zu viel gereizt. Sollte er mich doch feuern, mir doch egal! Naja, eigentlich war es nicht egal, wenn ich meine Miete nicht mehr würde bezahlen können...

Love the Boss or not Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt