Kapitel 33 - Marny

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«Oh Gott, oh Gott, oh Gott," ich kontrollierte meinen Atem nicht mehr. Alles ging mir zu schnell. Ich war völlig panisch und rationales Denken viel mir schwer.

«Ganz ruhig, wir finden sie schon,» meinte George neben mir, aber ich wusste, dass er sich eigentlich auch grosse Sorgen machte. Er versuchte meinetwegen, ruhig zu bleiben, aber ich sah ihm an, dass er sich auch Gedanken machte.

Wenn Lydia etwas zustossen würde, könnte ich mir das niemals verzeihen.

Und Ryan würde es nicht überleben. Ich würde ihn mir schnappen und ihm seine gerechte Strafe geben. Wenn er meiner Zwillingsschwester etwas getan hatte, dann würde ich mich vergessen.

Ich war nett und süss, aber wenn es um Familie ging, kannte ich kein Halten.

Wir liefen gerade zum Eingang des Paradise Fiction, das Auto stand geparkt am Strassenrand, und Zac lief im Eiltempo vor uns her. Er rannte schon fast, wie ich auch.

Ich konnte fast nicht mit den beiden Jungs mithalten, aber als wir vor der Tür das Clubs standen, wurden wir aufgehalten.

«Stopp,» motzte ein Typ mit Glatze, eindeutig der Türsteher und zwei Köpfe grösser, als ich, «die beiden sind eindeutig zu jung.» Er sah zu George und mir.

George war doch auch schon hier gewesen? Hatten sie ihn damals nur durchgelassen, weil er im Dunkeln älter aussah, als im Hellen?

Denn jetzt gerade war noch hell, die Sonne stand aber kurz vor dem Untergehen. Es würde bald die Nacht einbrechen, was es für uns schwieriger machte, meine Schwester zu finden.

«Lass uns rein Enzo,» befahl Zac und sah den Mann genauer an, «du kennst mich, vertrau mir, die beiden sind ok.»

«Ne, und ausserdem, sie war heute schon mal drin,» der Türsteher musterte mich nun genauer und mir ging ein Licht auf.

«Das war Lydia! Sie ist tatsächlich hier! Lydia ist da drin!» Ich konnte meine Freude kaum zurückhalten, wir mussten jetzt nur noch reinkommen und alle gemeinsam nach Hause fahren.

Ihr ging es gut. Sie sass mit Sicherheit nur an der Bar und genoss einen Drink.

Niemand hatte ihr etwas zu Leide getan, hoffte ich jedenfalls. Es musst einfach so sein, jeden anderen Gedanken konnte ich nicht ertragen.

«Enzo das war ihre Zwillingsschwester, wir suchen sie,» erklärte Zac, «und zwar dringend. Also hör auf mit deinem Gequatsche und lass uns rein.»

«Keine Chance, hab schon Ärger am Hals wegen zu junger Gäste, brauch nicht noch mehr.»

«Aber Sie haben Lydia reingelassen!» schrie ich vor Wut, «warum dann also nicht mich?! Lydia ist auch noch nicht genug alt!»

«Die Kleine ist heiss,» antwortete er und zuckte mit den Schultern.

Na schönen Dank auch, das hiess dann also ich nicht. Wir waren doch Zwillinge! Eineiige Zwillinge! Wir sehen gleich aus!

«Und sie lockt Jungs an, jeder will mit ihr tanzen,» als der Türsteher das sagte, atmete George neben mir laut aus und fuhr sich frustriert mit der Hand durch die Haare.

Er war eindeutig eifersüchtig, wie niedlich. Er war wirklich ein toller Typ und er und Lydia würden ein gutes Paar abgeben, dass sich wundervoll ergänzte.

«Ich hab genug!» Zac verlor etwas die Nerven und zog seine Brieftasche hervor. «Hier, da hast du Geld. Nimm es, du Drecksack. Werd glücklich damit, aber lass uns endlich rein, wir haben keine Zeit.»

«Na geht doch,» der Typ steckte den Geldschein glücklich in seine Hosentasche und grinste zufrieden, als er uns endlich die Tür öffnete.

Wir traten in den Club ein und kaum hatten wir den grossen Saal betreten, übernahm die Panik wieder die Oberhand in meinem Körper.

Denn ich konnte die Erinnerungen, die mich nun überrannten, nicht zurückhalten. Ich wurde davon regelrecht überflutet.

Das letzte Mal, als ich hier war....da wurde ich überfallen und fast vergewaltigt.

Ich wurde in einer Gasse zurückgelassen. In einer dunklen, stinkenden Gasse.

Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich stand kurz davor, kehrt zu machen und wieder nach draussen zu gehen, als mir Zac einen Arm um die Schulter legte.

Diese kleine Geste bewahrte mich davor, in völlige Panik auszubrechen. Seine einfache Berührung hatte diesen Effekt auf mich.

Wenn er da war, war ich ruhiger.

Und ich vergass auch unseren Streit von vorhin, der mir sowieso nichts nützte. Es hatte keinen Sinn, jetzt mit ihm darüber diskutieren zu wollen, wo es doch wichtiger war, Lydia zu finden und sie heil nach Hause zu bringen.

«Seht ihr sie?» fragte George neben uns und liess seinen Blick durch den Raum schweifen.

«Nö,» meinte Zac mit besorgtem Unterton, «vielleicht ist sie in einer Lounge?»

«Dann würden wir sie doch auch sehen,» argumentierte ich und sah zu den Sofas herüber, die kaum besetzt waren. Unter so wenig Leuten sollte es ja eigentlich nicht so schwierig sein, einen blonden Schopf Haare zu finden.

Lydia war normalerweise immer auffällig, daher fand man sie schnell, wenn man sie brauchte.

Sie war ein Mensch, der nicht in der Masse verschwand. Sie stach daraus hervor.

«Nicht, wenn sie auf einem Sofa liegt.» Zacs Argument fand ich seltsam.

«Warum sollte sie denn darauf liegen? Sie ist ganz sicher nicht müde.» Ich verstand nicht, was er damit sagen wollte.

«Marny,» Zac lächelte leicht, «vielleicht hat sie zu viel getrunken? Das würde auch erklären, warum sie nicht abnimmt, wenn wir sie anrufen.»

Das konnte ich alles so nicht glauben. Irgendetwas stimmte an dieser Sache nicht.

«Willst du mal auf dem Mädels Klo nachsehen, möglicherweise ist sie dort?» schrie George mir über die Laute Musik hinweg zu und gestikulierte wild mit seinen Händen.

Ich verstand ihn fast nicht, aber konnte verstehen, was er mir sagen wollte.

Aber – ich getraute mich nicht, alleine durch diesen Club zu gehen. Nicht nachdem, was mir das letzte Mal passiert war. Ich vertraute keinen fremden Menschen mehr. Es war schon genug Überwindung für mich, dass ich überhaupt hier drinstand und nicht lauthals schrie.

Es kam aber gar nicht dazu, dass ich zum Klo gehen musste, denn etwas Anderes zog unsere Aufmerksamkeit auf sich.

Es war das Geräusch von Sirenen, dass hinter uns durch die Türe zu hören war. Wären wir weiter vorne im Saal gestanden, hätten wir es gar nicht mitbekommen, aber da wir noch direkt vor dem Eingang standen, nehmen wir es alle drei wahr.

Ich hörte Sirenen. Und sie waren ziemlich nahe.

Panisch schaute ich zu George, danach zu Zac, nach dessen Hand ich panisch griff, und wurde von den beiden ins Freie begleitet, wo die Sirenen noch viel besser zu hören waren.

Ich sah einen Polizeiwagen, der vor dem Club hielt und mehrere Polizisten, die ausstiegen, jedoch hatte ich keine Ahnung wieso.

Aber ich hatte die leise Vermutung, dass es etwas mit Lydias Verschwinden zu tun hatte.

Hoffentlich ging es ihr gut.

Und wer hatte die Polizei verständigt? Der Clubbesitzer, ein Türsteher? Ich hatte keinen blassen Schimmer. 

The Griffin TwinsWhere stories live. Discover now