Kapitel 32 - Lydia

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Ryan und seine seltsamen Kumpanen hatten mich, kaum hatten sie mich gesehen, in die Herrentoilette reingezogen und umkreisten mich nun wie die Bartgeier.

Kurz gesagt, es sah für mich nicht wirklich gut aus. Vor allem, weil ich genau wusste, dass sie wussten, dass ich sie belauscht hatte.

Warum war ich nicht einfach zu Hause geblieben und hatte weiterhin meine Platte von George gehört?

«Ist das nicht das Mädel von Zac?» Der hatte ja mal sowas von gar keinen Plan. Landon oder wie auch immer er schon wieder hiess.

«Ne, die Zwillingsschwester,» meinte Ryan und sah nun, zum ersten Mal seit sie mich vorhin gefunden hatten, etwas besorgt aus, «ihr Name ist Lydia.»

«Lydia also?» Es sprach ein Typ den ich nicht kannte, er war sicher zehn Jahre älter, als ich. Er trug nur schwarz- war sicher ganz nett und freundlich, note the sarcasm. «Heisse Braut.»

«Ne Braut die nicht weiss, wann sie besser weghören sollte,» Landon Mason wie auch immer war stinksauer und kam mir gefährlich nahe, doch Ryan hielt ihn an der Schulter zurück.

Ich sah zu meinem Nachbarn, der meinem Blick auswich, und verstand nicht, wie sehr ich mich doch in ihm getäuscht hatte.

Wie hatte ich nicht merken können, wie krank er wirklich war? Wie viele Probleme er vor allen tatsächlich verheimlichte?

Diese Pillen...ich hatte sie gesehen, des Öfteren. Und er hatte mich deswegen angelogen, was mir hätte die Augen öffnen sollen. Aber das tat es nichts. Ich wollte es nicht wahrhaben.

Langsam aber sicher konnte ich meine Wut nicht mehr zurückhalten. Es passte alles so gut zusammen. Alles ergab Sinn.

«Ihr überfallt wehrlose Leute, oder?! Das seid doch ihr?!» Meine Stimme war lauter, als beabsichtigt, aber das beeindruckte die Typen nicht.

«Was geht's dich an?» Der Ältere wirkte gelangweilt.

«Das geht mich was an,» zischte ich und schupste Landon, der wieder nähergekommen war, von mir weg, «ihr habt meine Schwester überfallen, ihr Arschlöcher! Ihr hättet sie vergewaltigt, wenn ihr die Chance dazu gehabt hättet!»

Landon grinste, während Ryan ganz und gar verstummte. Er bewegte sich kaum mehr, während die Räder in seinem Kopf zu rotieren begannen.

Ich glaubte, auch er fügte langsam alle Bilder zusammen.

Warum Marny nie das Haus verliess und sich immer erschreckte, warum wir sie alle immer beschützten, warum sie wütend gewesen war, als wir ins Paradise Fiction gingen...

Es war praktisch spürbar, wie sich die Stimmung im Raum verschlechterte. Meine Gefühle schwappten über.

Und auch wenn das vor mir gefährliche Verbrecher waren, konnte ich meine dämliche Klappe nicht halten.

Dafür war ich einfach nicht gemacht.

Marny war die vernünftige Schwester, die, die über ihre Worte nachdachte, bevor sie sie aussprach – ich jedoch? Ich war impulsiv.

Ich liebte zu schnell, vergab zu hastig und empfand an jedem und allem Freude. Ich sprühte vor Leben.

Ein Leben, dass nun plötzlich auf der Schippe stand, so wie es aussah.

«Tut es euch nicht leid? Wie krank seid ihr überhaupt?! Was läuft in euren Scheiss Köpfen falsch?!»

Sie zu beleidigen war wahrscheinlich nicht die beste Idee, die ich jemals gehabt hatte, aber gerade meine einzige.

Ich hasste diese Typen wegen dem, was sie meiner geliebten Marny angetan hatten. Sie sollten und mussten dafür bezahlen.

«Ich würde aufpassen, was du sagst, Kleine.» Landons Ton war bedrohlich und kalt, als wäre er bereit, mich umzubringen und mich in der Mülltonne hinterm Club verrotten zu lassen.

«Und ich würde aufpassen, wen du überfällst, Arschloch. Ihr seid meiner Schwester zu nahegekommen, dafür werdet ihr büssen, wenn ich euch erstmal die Bullen auf den Hals hetze.»

Meinen grandiosen Plan verraten? Ja, das war nicht sehr gut gewesen.

Ziemlich unüberlegt sogar, wenn ihr mich fragt. Aber das hatten wir ja bereits geklärt, ich war nicht die hellste Glühbirne. Ausser vielleicht in diesem Raum. Hier standen meine Chancen recht gut. Gab ja auch nicht starke Konkurrenz.

«Oh jetzt wir mir alles klar,» meinte der Typ, den ich nicht kannte, «darum kommst du mir so bekannt vor. Ich sag dir mal was Süsse, Blondie war damals einfach viel zu einfach. Die war so schnell zu gedröhnt, dass ich gar nicht anders konnte, als sie anzufassen.»

Wen es nach mir ginge, hatte er gerade sein Todesurteil unterschrieben.

Wie konnte er nur sowas kaltes und gemeines sagen?! Das war meine Schwester, über die er da so redete! Meine Marny, die keiner Fliege was zu Leide tun konnte.

«Hörst du dir grad selbst zu, du kranker Wixer!» Ich kreischte und bretterte ihm mit voller Wucht Eine runter. Sein Kopf schnellte zur Seite. Der Ton meines Schlags hallte durch die Toilette. «Pass besser auf, was du sagst!»

Während der Mann so aussah, als müsste er sich am Riemen reissen, mich hier und jetzt nicht zu töten, sah ich geschlagen und ausser mir zu Ryan, der mir beschämt entgegenblickte.

Ha, er hatte wohl nicht von allem gewusst, was seine Freunde so trieben. Sie hatten ihn wohl doch über das Eine oder Andere im Dunkeln gelassen.

Wenigstens konnte ich das nicht auf meine Hass-Liste gegen ihn setzen.

«Wir müssen sie loswerden,» meinte Landon und ich starrte ihn mit grossen Augen an.

War das gerade sein Ernst?!

Er kannte mich! Er war gleich alt, wie ich! Er hatte mich schon öfters gesehen, wie konnte er da sowas sagen?!

«Sie weiss zu viel,» stimmte ihm der Mann zu, den ich geschlagen hatte und packte mich in einer schnellen Bewegung am Arm, so dass ich vor Schmerzen aufschrie.

Das ging aber nicht lange so, nur einige Sekunden später drückte er mir seine Hand auf dem Mund, damit ich still wurde und keine Aufmerksamkeit auf mich zog. Er wollte wohl nicht, dass uns jemand vom Club hörte, obwohl ja noch nicht viele Leute da waren.

«Ich kenne da ein paar Leute, die wären sicher an ner jungen, hübschen Blondine interessiert. Sie bringt sicher gutes Geld.»

Menschenhandel?! Alter, wo war ich denn da reingeraten?!

War ich bei der versteckten Kamera?! Ich lebte in einer kleinen Stadt, nicht in Los Angeles! Hier wurde höchstens alle paar Jahre ein Kiosk überfallen, wenn überhaupt. Aber sowas krasses?! Das konnte ich gar nicht glauben!

Ryan hatte sich damit seine ganze Zukunft vermasselt, wie ich mir wohl gerade meine eigene.

Langsam bekam ich doch echt Schiss, vor allem, weil sie mich alle so gierig ansahen und mit ihren Blicken förmlich auszogen.

Ich befreite meinen Mund, indem ich meinen Kopf stark hin und her bewegte und dem Typen schlussendlich auf die Finger biss.

«Und du?!» schrie ich in die Richtung von Ryan, «hast du nichts dazu zu sagen?! Hmm?!»

Er sah weg, ohne zu antworten, das übernahm ein Anderer: «Lasst uns durch die Hintertür verschwinden. Das wird mir zu laut.»

«Ich komm ganz sicher nicht mit, ihr kranken Schweine!» Ich versuchte alles, um frei zu kommen, aber als sie mich zu dritt ergriffen, hatte ich nicht mal mehr den Hauch einer Chance.

Sie schleiften mich mit Richtung Klotüre und danach in den Flur hinaus.

Damit ich nicht weiter Geräusche von mir geben konnte, riss mir einer mein rotes Bandana aus den Haaren und stopfte es mir in den Mund.

Ryan folgte unserem kleinen Trupp leise. Er half den Typen nicht, mich mitzuziehen, aber etwas dagegen unternehmen tat er auch nicht.

Was für ein Feigling. Und ich hatte ihn mal gemocht. Wie dumm und blind war ich nur gewesen.

Ich wünschte, ich hätte mich niemals auf ihn eingelassen. 

The Griffin TwinsWhere stories live. Discover now