Kapitel 17 - Marny

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«Brauchst du noch was, Liebling?» fragte mein Vater, der gerade dabei war, sich seine Krawatte zuzuschnüren. Er brauchte dafür stets eine Ewigkeit.

«Nein,» antwortete ich und lächelte leicht, weil er mich schon zum dritten Mal gefragt hatte, «ich brauch immer noch nichts. Jetzt geht doch endlich – ich komm schon klar. Macht euch einen schönen Abend.»

«Du kannst anrufen, wenn was ist. Und Lydia ist drüben bei George.»

«Und Ryan!» fügte ich hinzu, weil ich genau wusste, dass Lydia nur dort war, um Zacs jüngeren Bruder zu sehen. Sie hatten sich, so wie es mir schien, wieder vertragen.

Aber bei meiner Zwillingsschwester konnte sich das ganz schnell wieder ändern. An einem Tag war sie verknallt in nen Typen und am nächsten hasste sie ihn bis aufs Blut.

Keiner verstand Lydia, nicht einmal ich, und ich war ihre Zwillingsschwester.

«Genau...Du brauchst wirklich nichts mehr? Essen hat es noch im Kühlschrank. Und deine Mutter hat sogar Eis gekauft.» Mein Vater machte sich Sorgen um mich und hatte wirklich kein Talent darin, es zu verstecken.

«Dad,» sagte ich schon ganz genervt, «ich werd schon nicht verhungern, ich bin 18. Du glaubst es kaum, aber ich bin in der Lage, mir ein Sandwich zu machen.»

«Ich weiss Liebling, ich weiss. Es- Ich...Gut. Dann geh ich mal, oder?» Er schien noch unsicher.

«Ja, Mum wartet schon auf dich! Los jetzt! Eine Frau lässt man nicht warten,» ich drehte mich wieder in die Richtung meiner Nähmaschine, um weiterzumachen, wo ich aufgehört hatte. Das alte Ding lief leider auch nicht mehr so gut, wie sie es einmal getan hatte.

Ich bräuchte dringend eine Neue, aber die Dinger waren unglaublich teuer, sowas konnte ich mir nicht leisten – auch nicht mit meinem Blog. Dafür musste ich noch ne ganze Weile Geld sparen.

Mein Vater verabschiedete sich endlich und machte dann die Fliege. Er und Mama gingen heute Essen und ins Kino, es war ihr monatlicher Date-Abend, was sie schon seit Jahren immer so machten.

Seit dem Zwischenfall vor drei Monaten liessen sie mich jedoch nicht mehr gerne alleine zu Hause, als würde ich gleich Zusammenbrechen, wenn ich aus den Augen gelassen wurde.

Nicht, dass das nicht stimmen würde, aber das musste keiner wissen. Schon gar nicht meine Eltern. Ich musste allein mit meinen Ängsten klarkommen.

Stacy war bei einer Freundin untergekommen, keine Ahnung bei welcher, und Lydia war, wie schon erwähnt, bei Ryan und George.

Ich war auch eingeladen worden, hatte mir aber eine Ausrede einfallen lassen müssen, weil ich mich noch nicht getraute ihnen zu sagen, dass ich mein eigenes Haus nicht verliess. Tragische Sache.

Ausserdem hatte ich noch echt viel zu tun, diese Woche waren eine Menge Bestellungen eingegangen und ich musste fleissig nähen, um hinterherzukommen und mit allem pünktlich fertig zu werden. Glücklicherweise wurde ich ja zu Hause unterrichtet, was mir etwas mehr Zeit einbrachte, um daran zu Arbeiten.

Zac hatte ich schon seit längerem nicht mehr gesehen, jedenfalls nicht richtig. Ich sah nur manchmal, wie er spät Nachts nach Hause kam und im Nachbarshaus verschwand. Manchmal war es zwei, manchmal schon halb fünf.

Und, das war mir ebenfalls aufgefallen, er sah jedes Mal zu meinem Fenster hoch, auch wenn ich niemals das Licht anhatte. Ich war mir auch sicher, dass er mich nicht sehen konnte, aber trotzdem schaute er immer kurz über seine Schulter nach oben. Wieso wusste ich nicht genau, aber irgendwie gefiel mir der Gedanken, dass er an mich dachte...

Er war jedenfalls der einzige Typ, der mich lieber zu haben schien, als Lydia. Lydia war sonst diejenige, die Aufmerksamkeit von männlichen Wesen bekam, nicht ich.

The Griffin TwinsWhere stories live. Discover now