Von einer langen Nacht

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Scheiße", entfuhr es ihr. Sie balancierte die Einkäufe auf der rechten Seite, während sie mit der linken Hand in ihrer Tasche nach dem Schlüssel suchte, der sich jedoch tief im Innern des Stoffes verhakt hatte. Jules zog und zerrte an dem Schlüsselbund und versuchte ihn verzweifelt ins Freie zu befördern. Dabei drückte das Gewicht der Einkäufe unnachgiebig ihre Schulter nach unten. Der Pizzakarton stieß ihr unangenehm in ihre Nieren und sie versuchte durch Gewichtsverlagerung ihre Situation zu verbessern, was aber keinen Erfolg brachte. Mit einer letzten Anstrengung zog sie den Schlüssel hervor, stieß einen glorreichen Ruhmesschrei aus um im nächsten Moment wieder laut zu fluchen, da nicht nur der Schlüssel aus ihrer Tasche gezogen wurde, sondern auch der restliche Inhalt, der sich nun zu ihren Füßen ausbreitete. Sie stöhnte und lehnte sich gegen die Tür. „So ein Scheiß", fluchte sie abermals und entschied sich kurzerhand dazu erst einmal die Einkäufe ins Haus zu bringen, ehe sie den Inhalt ihrer Tasche aufsammelte. Mit der Schulter stieß sie die Tür auf und entledigte sich aufstöhnend der Dinge, die sie in der Leinentasche über der Schulter trug und der restlichen Sachen, die sie im Arm hielt. Sie drehte ihre verkrampften Schultern und schleuderte auf dem Weg zurück zur Haustür ihre Schuhe in die Ecke mit der gedanklichen Notiz, dass sie definitiv noch aufräumen musste, bevor Liam am Wochenende wiederkam.

Vor der Tür ging sie in die Hocke und sammelte alles Mögliche auf, was sich in ihrer Tasche befunden hatte, von deren Existenz, sie nicht einmal etwas geahnt hatte. Mit ihren aufgeklaubten Sachen trat sie zurück ins Haus, schloss die Tür hinter sich. Ihre Schritte führten sie zurück in die Küche, wo sie zunächst das Radio einschaltete um nicht länger in der Stille allein sein zu müssen. Sie hasste es, wenn es ruhig war in dem riesigen Haus und sie bei jedem Geräusch zusammen zuckte. Träge und geschafft von ihrem Arbeitstag begann sie die Einkäufe in den Schränken zu verstauen. Die Tiefkühlpizza schob sie in den Ofen und trottete in das Wohnzimmer. Watson - der einen schlechten Wachhund abgab - lag auf dem großen Teppich ausgestreckt und hob nur leicht den Kopf. Jules schüttelte den Kopf bei seinem Anblick und öffnete die Glastür, damit er raus konnte. Das weckte die Lebensgeister des Hundes und ungeduldig drängelt er sich an Jules vorbei nach draußen. Sie sah ihm nach und seufzte leise, ehe sie nach der Fernbedienung angelte und das Fernsehen einschaltete. Sofort wurde das Radio übertönt von einem Nachrichtensprecher. Mit halbem Ohr lauschte Jules der Berichterstattung und wartete darauf, dass der Hund aus dem Garten zurückkehrte. Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und hopste von einem Fuß auf den anderen.

Watson erbarmte sich irgendwann und schritt gemächlich an ihr vorbei um sich wieder auf seine Decke zu legen. Sie schloss die Tür hinter ihm und tat es ihm gleich, indem sie sich auf die große Couch fallen ließ. Ihre Hand tastete nach der Fernbedienung, die sie zuvor achtlos auf die Couch geworfen hatte, und schnell wechselte sie das Programm um sich einen Film anzusehen.

Der Abend war gemütlich und sie genoss die ruhigen Stunden, nachdem es auf der Arbeit stressig gewesen war. Es schien als müsse sie sich in ihren letzten Wochen noch einmal beweisen um zu zeigen, dass sie es verdiente weiterhin dort bleiben zu können. Zwar müsste sie zunächst einmal ihr Studium beenden, aber die Aussicht nach Beendigung gleich einen Job zu haben, war mehr als beruhigend.

Müde und ausgelaugt gönnte sich Jules noch eine heiße Dusche, ehe sie in ihr Schlafzimmer verschwand und sich ins Bett legte. Sie schlief schnell ein.

Aber eine ruhige Nacht sollte ihr nicht vergönnt sein. Das laute Bellen von Watson riss sie aus ihrem Schlaf. Sie brummte und drehte sich auf die Seite, wobei sie das Kopfkissen über ihre Ohren zog um das Bellen zu dämpfen. Aus dem Bellen wurde ein ungeduldiges Winseln, ehe es wieder zu einem Bellen wurde. Dazu kam nach kurzer Zeit ein dumpfes Pochen, welches in unregelmäßigen Abständen erfolgte, ehe es erstarb, genauso wie Watsons Bellen. Jules hielt inne und zog sich das Kissen wieder vom Kopf. Sie lauschte, aber unten war es ruhig. Scheinbar war nur wieder ein Kaninchen im Garten gewesen. Schon einmal hatte Watson sie wegen eines Nagers aus dem Schlaf gerissen und sie hatte eine Heidenangst gehabt. Aber nach den ersten Malen gewöhnte sie sich an seine nächtlichen Aktivitäten und konnte relativ schnell wieder einschlafen. In diesem Fall aber nagte ein ungutes Gefühl an ihr, das ihr nicht erlaubte sich zu entspannen. Sie öffnete ihre Augen und starrte in die Dunkelheit. Angestrengt lauschte sie auf weitere Geräusche, die von unten zu ihr hoch drangen und tatsächlich schien sich unten noch jemand aufzuhalten. Langsam richtete sie sich auf und umklammerte ihr Kissen, während ihr Herz bis zum Hals schlug. Was, wenn da unten ein Einbrecher war und der Watson längst erledigt hatte? Gedanklich ging sie alle Möglichkeiten durch die ihr blieben. Sie tastete nach ihrem Handy und fluchte als ihr einfiel, dass sie es unten in der Küche gelassen hatte. Ein typischer Anfängerfehler.

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