Vom Auseinanderleben und vergessenen Schlüsseln

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Dafür nicht, kleine Jules, und jetzt sollten wir uns für eine Pizza entscheiden. Willst du werfen oder sind wir Spießer?"

Sie verzog abschätzend die Lippen und steuerte ohne ein Wort in die Küche. Liam folgte ihr grinsend, hatte er doch mit dieser Entscheidung gerechnet. In der Küche nahm er sich die Pfeile und heftete die Pizzakarte an die Tür. Er reichte Jules die Pfeile und deutete mit einer Handbewegung an, dass sie den ersten Pfeil werfen durfte. Sie stellte sich hin und warf den Pfeil in einer fließenden Bewegung. Er sauste durch die Luft und traf das Ziel, jedoch nicht die Karte, sondern die Tür. Es ertönte ein hohles Geräusch und der Pfeil fiel zu Boden. Jules verzog das Gesicht und schnaubte auf, während Liam sich ein Grinsen verkneifen musste. Er stand mit den Armen vor der Brust verschränkt an der Küchenzeile und beobachtete sie.

Jules wirkte fahrig und er hatte das Gefühl, dass er sie mit seinen Worten aus dem Takt gebracht hatte. Etwas in ihr war in Bewegung geraten und hielt sie nun davon ab die Zielscheibe zu treffen. Nach etlichen Versuchen gelang es ihr schließlich und sie trat zur Seite um ihm die Möglichkeit zum Wurf zu geben. Mit einem kurzen Blick auf die junge Frau warf Liam seine Pfeile. Am Ende wurde es eine Pizza mit Champignons für Jules und eine Dönerpizza für ihn, womit er mehr als zufrieden sein konnte.

Das Warten auf die Pizza vertrieben sie sich mit Videospielen. Jules stellte sich dabei mehr als schlecht an und es war eine Leichtigkeit sie in ihre Schranken zu weisen. Dies geschah natürlich unter großem Protest und sie ließ eine Ausrede nach der anderen von der Rolle, die immer fadenscheiniger wurden. Als sie schließlich behauptete, dass Liam den Herstellern Schmiergelder gezahlt hatte, damit sie immer verlieren würden, lag er lachend auf der Couch und legte den Controller weg. Jules wurde schließlich durch den Pizzalieferanten erlöst, der ihnen die Bestellung brachte.

Viel bewegt hatten sie sich an diesem Tag nicht und es war einfach nur herrlich gewesen. Kaum einen Gedanken hatte Liam an den vorherigen Tag verschwendet. Er konnte herrlich abschalten und war einfach nur froh gewesen her zu kommen. Nun lag er auf der Couch, während Jules in ihrem Bett lag und schlief. Es war spät geworden, weil sie sich nicht von Westeros lösen konnten. Immer wieder einigten sie sich darauf, dass sie nur noch eine Folge sehen würden, die dann aber einen fiesen Cliffhänger aufwies und sie doch noch eine Folge dranhängen mussten. Als Jules irgendwann aber immer wieder die Augen zufielen, sie aber nicht zugeben wollte, dass sie schon fast schlief, fasste Liam einen Entschluss und gab vor unendlich müde zu sein. Er jagte Jules in ihr Schlafzimmer und seitdem lag er auf der Couch. Die Hände hatte er unter dem Kopf und den Blick an die Decke gerichtet. Nun wo er alleine war kehrten auch die Gedanken zurück, die er den ganzen Tag über verdrängt hatte. Ein tiefes Seufzen verließ seine Lippen und er schloss langsam die Augen. Er wollte Schlafen, aber seine Gedanken ließen ihn nicht. Immer wieder sah er Sophia vor sich, wie sie ihn in ihrem gemeinsamen Haus empfangen hatte. Auf den ersten Blick erschien alles normal, aber bald schon fielen ihm die Kleinigkeiten auf. Es fehlten Bilder an den Wänden und es standen einige Koffer am Fuß der Treppe, die ins obere Stockwerk führte. Verwirrt darüber hatte er nach ihr gesucht und sie schließlich im Schlafzimmer gefunden, wo sie seine Wäsche im Schrank verteilte.

„Sophia?"

Beim Klang seiner Stimme war sie erschrocken zusammengefahren und hatte sich zu ihm umgedreht. Aus großen Augen hatte sie ihn angesehen und der schuldbewusste Blick hatte sich tief in sein Herz gegraben. „Liam", war ihr Name ertappt über ihre Lippen geglitten und sie hatte sich langsam zu ihm umgewandt. „Fährst du weg?" Sie hatte den Kopf geschüttelt und den Blick gesenkt. Nicht einmal mehr in die Augen konnte sie ihm sehen, stattdessen zog sie es vor mit dem Fußboden zu sprechen. Es tat weh, denn wann waren sie an den Punkt angelangt, an dem sie sich nicht einmal mehr ansehen konnten? „Was sollen dann die Koffer?" Seine Worte waren langsam und leise über seine Lippen geglitten. In ihm war eine dunkle Vorahnung herangewachsen, die von ihm Besitz ergriffen hatte. Sie begann ihn auszufüllen und jede kleine Zelle seines Körpers zu übernehmen. Es war ihm schwer gefallen tief durchzuatmen, denn jeder Atemzug war schwer gewesen und unzählige Szenarien spielten sich vor seinen Augen ab.

Changing lifeWhere stories live. Discover now