Kapitel 24

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Jason stand früh am Morgen auf, doch Scarlett war längst weg. Die kühle Betthälfte stimmte ihn traurig.

Gäbe es diese Umstände nicht, dann wäre ich mit ihr aufgewacht. Aber der Mann hatte nun seit einer Woche Urlaub, und musste sich damit abfinden. Am Montag kann ich Gott sei Dank wieder in den Dienst. Etwas müde erhob er sich und schlurfte ins Bad.

Das erste, was ich nach so einer Nacht brauchen kann, ist eine heiße Dusche. Geschwind streifte er seine Kleidung ab und stieg in die Kabine. Sie war zugegebenermaßen nicht sehr geräumig, doch für das schnelle Abbrausen in der Früh genügte es.

Er drehte den Wasserhahn auf und aus dem Duschkopf floss das angenehm belebende Nass. Um sich nicht zu verbrennen, prüfte er die Temperatur, in dem er seine Hände unter dem Strahl ausstreckte. Als er zufrieden war, schloss er die Augen und stellte sich auch mit dem restlichen Körper darunter. Warme Tropfen prasselten auf sein Gesicht und der Mann entspannte sich. Es war, als wäre er ganz woanders. Frei von jeglichen Sorgen. Seine Gedanken kreisten nicht mehr um Dereks Tod und auch nicht mehr um seine Alpträume, sondern waren ganz auf die Wärme gerichtet, die seinen Körper durchfloss.

Nach ein paar Minuten drehte er sich um und ließ sich von dem feinen Strahl seinen Rücken massieren. Die Anspannung in seinen Muskeln verlor sich und Jason ließ die Schultern hängen. Langsam öffnete Jason seine Augenlider und fand sich im aufkommenden Wasserdampf wieder.

Die Glaswände waren beschlagen und er sah nicht mehr hindurch. Doch das machte ihm nichts aus, denn seine Konzentration galt etwas anderem. Aufmerksam beobachtete er den Wechsel zwischen dem Dampfen und Kondensieren an den Fliesen.

Es ist wie ein Kreislauf, der nie zu enden gehen scheint. Schon als kleiner Junge faszinierte ihn das Sinnbild der Unendlichkeit. Überall erscheint sie, und doch wissen wir nicht, wohin sie führt. Sofort wurde er aus seinen Überlegungen gerissen, als er bemerkte, dass es keinen Wasserdampf mehr gab. Ihm wurde eiskalt.

Mist, ich bin an dem Regler angekommen. Mit einer flotten Handbewegung schaltete er den Strahl aus. Er stieg aus der Dusche und kehrte wieder in das wahre Leben zurück. Durch das Prinzip der Verdunstung bekam er eine Gänsehaut, doch weil er gerade einen Schauer kaltes Wasser abbekommen hatte, fröstelte er nicht so stark. Alles hat doch sein Gutes.

Notdürftig trocknete er sich ab, dann schlüpfte er in neue Kleidung. Hunger hatte Jason von letzter Nacht noch keinen, aber er freute sich schon über eine große Tasse heißen Kaffee. Also trieb es ihn gleich in die Küche, wo er sich von der Espressomaschine einen doppelten Schwarzen hinunterrinnen ließ.

Mit der Tasse in der Hand ging der Mann zum Esstisch, schnappte sich die Tageszeitung, die Scarlett jeden Morgen für ihn dort ablegte, und fing an zu lesen.

Raubüberfall an Rentnerin (71). Hund aus Gefangenschaft gerettet. Shit happens – Sportschütze schießt sich ins Bein. Beim letzten Bericht musste er grinsen. Das nenne ich mal die Ironie des Schicksals. Er blätterte weiter und genehmigte sich einen Schluck Kaffee. Der Koffeinschub beflügelte seine Sinne und gab seinem Körper zusätzlich Energie.

Politiker streiten um Abkommen. Diesen Artikel übersprang er. Er hasste diese dummen Diskussionen über solch belanglose Dinge. Dieses Abkommen beinhaltet bestimmt nur, wie viele Sorten Brot ein Supermarkt mindestens im Angebot haben muss, um der Bezeichnung Kleinladen zu entkommen. Die nächsten Seiten überblätterte er bis er auf einen interessanten Text zum Thema ‚Neue Technologien – Was Bakterien alles bewirken können' stieß. Gebannt las er Zeile für Zeile und verschlang das Wissen, was sich dazwischen verbarg.

Ich wusste gar nicht, dass es Mikroorganismen gibt, die Plastik fressen. Damit wäre immerhin schon eines der essentiellen Probleme gelöst. Wieder ärgerte er sich über die Leute, die in der Regierung tätig waren und nichts weiterbrachten, außer Steuererhöhungen und noch mehr Schulden für den Staat.

Als er den Artikel zu Ende gelesen hatte, nahm er sich die nächste Seite vor. Letzter Abverkauf für Halloweenprodukte. Wir haben schon wieder November? Meine Güte, die Zeit verrennt ja wie im Flug. Weder Scarlett noch er hatte schon für Halloween eingekauft, also beschloss er, am Nachmittag nach dem Termin beim Psychologen, ein paar Süßigkeiten und Dekoration einzukaufen.

Welchen Tag haben wir denn heute? Erneut überflog er die Seite, um nach dem Datum zu suchen. Als er es schlussendlich fand, erstarrte er.

30. Oktober. Nein... Von einer Sekunde auf die andere fiel ihm alles wieder ein. 30. Oktober. Herbst. Dereks Tod. Sein verstümmelter Leichnam. Die Alpträume. Der Autounfall. Eisige Kälte. Riley.

AuftragskillerWhere stories live. Discover now