Prolog

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Sie schlenderte eine Straße entlang. Das Firmament war dunkel und dicht bewölkt. Bald wird es regnen. Wenn ich nicht nass werden will, sollte ich es schleunigst erledigen. Die junge Frau in schwarzer Lederjacke hetzte sich aber nicht, denn sie wusste genau, wann er kommen würde und mit der Gewissheit gleich auf ihn zu treffen, setzte sie sich gemütlich auf eine Parkbank und beobachtete ihre Umgebung.

Die Straßenbeleuchtung gab gerade so viel Licht, dass sie auf die andere Seite blicken konnte. Es gingen noch einige Leute umher, die meisten mit schweren Einkaufstüten, um für das Wochenende genug Essen parat zu haben. Andere machten mit ihren Hunden noch den letzten Spaziergang, bevor sie sich ins Bett legen würden. Sie überkreuzte ihre Beine und lehnte sich zurück. Für einen kurzen Moment schloss sie ihre Augen, um die kühle Herbstluft zu genießen.

Dann kramte sie aus ihrer linken Jackentasche ein paar fingerlose Lederhandschuhe heraus, die sie sich vorsichtig über ihre zarten, langen Finger zog. Während sie gerade aus der Innenseite ihrer Jacke eine kleine goldene Taschenuhr zum Vorschein brachte, erspähte sie schemenhaft eine Person auf der gegenüberliegenden Seite. Erfreut ihr Opfer entdeckt zu haben, grinste sie ihn von weitem an und überlegte sich, wie sie am besten vorgehen könnte. Nach Sekunden wandte sie ihren Blick wieder ihre Uhr, die sie noch immer in den Händen hielt und drückte an einer kleinen Erhebung, um sie zum Stoppen zu bringen. Klick.

Sie verlor keine Zeit und überquerte die befahrene Hauptstraße so schnell wie möglich. Sie hatte diese Gegend schon lange im Visier, kannte jede Ampel und jedes Stoppschild. Weil in dieser Zeile diverse Shops ihre Produkte verkauften, hatte sie die Läden vor Tagen auch schon auf Überwachungskameras geprüft. Doch es zeichneten lediglich eine Drogerie und ein Bastelleigeschäft am Eck das Geschehen auf. Die Frau würde diese Punkte einfach meiden. Da kommt er schon. Der Mann unterschied sich aufgrund seiner lässigen Kleidung stark von den anderen, und so war es kein Problem, ihn im Auge zu behalten. Auffällig war zudem die graue Plastikschutzhülle, in dem er seinen Smoking aufbewahrte.

Durch eine Öffnung hing ein silberglänzender Haken heraus mithilfe dessen, er das unhandliche Kleidungsstück tragen konnte. Er war sichtlich stolz auf dieses Prunkstück, doch in seinen matten Augen spiegelte sich der Stress der letzten Tage wider.

Heute ist er verwundbar. Sie wich den entgegenkommenden Leuten zu Seite und sah ihr Opfer nun deutlich. Ihre Vermutung bestätigte sich.

Heute ist er unbewaffnet. Die Frau in der schwarzen Lederjacke grinste. Er ging direkt auf sie zu. Ganz ruhig blieb sie stehen und als er gerade an ihr vorbei wollte, stellte sie sich ihm in den Weg und rempelte ihn an.

„Mensch passen Sie doch besser auf!", schnaubte er sie an und nach diesem Satz wusste sie, dass er ihr ‚Spezialprogramm' bekommen würde. Anstatt beleidigt zurückzuschreien, lächelte sie aus tiefster Seele. Der Mann Mitte 40 sah sie nur komisch an, nuschelte etwas wie ‚Verrückter Vogel' und marschierte weiter. Er sammelt auch noch extra Punkte. Das wird ein schöner Freitagabend werden. Ich kann es gar nicht mehr erwarten.

Ihre Augen glänzten voller Freude und sie näherte sich dem Mann unauffällig. Nach drei Blocks bog sie rechts in eine Seitengasse ein, immer das Opfer im Visier. Sie ging nun zügiger, denn er würde gleich in sein Wohngebäude hineingehen. Vorsichtig schaute sie sich um.

Keine anderen Menschen in Sicht. Gut. Die Frau war jetzt nur noch wenige Schritte von ihrem Ziel entfernt. 5, 4, 3, 2, 1. Show Time.

Ruckartig blieb er stehen, als er eine Pistole in seinem Rücken spürte.

„Was wollen Sie von mir? Geld?", sagte er mit gelassener Stimme. Er kannte das Gefühl in Gefahr zu sein von seinem Job.

„Süß von dir zu glauben, ich bräuchte deine Kohle. So erbärmlich ist mein Leben noch nicht. Dreh dich bitte um. Ich finde es unhöflich, wenn man seinem Gesprächspartner nicht in die Augen schaut."

Er sträubte sich dagegen, aber im Moment konnte er nichts anderes tun, als der Stimme zu gehorchen. Dass er seine Waffe nicht dabei hatte, bereute er jetzt. Der Mann wendete sich um hundertachtzig Grad, und erkannte die Frau von vorhin.

„Sie schon wieder."

„Tada!"

Sie fuchtelte mit der leeren Hand in der Luft herum. In der anderen hielt sie immer noch die Pistole und richtete sie so diskret wie möglich gegen seine Magengegend. Die Schutzhülle bot dabei ausreichend Deckung.

„Was wollen Sie dann von mir?"

„Wie wärs, für den Anfang mal, mit ihrem Leben?"

Er war erstaunt. Normalerweise waren Mörder nicht so gesprächig, sondern versuchten es mit einem Überraschungsmoment und plötzlicher Gewalteinwirkung. Die Frau aber passte eher in das Schema ‚Wissen erlangen mithilfe von Drohungen'.

„Sie sehen mir nicht nach einem Killer aus, Ma'am", versuchte er nett zu antworten. Komplimente halfen stets, Täter zur Vernunft zu bringen, doch nicht diesmal.

„Sie sehen mir auch nicht nach einem FBI-Agent aus, Sir. Seit wann sind wir so förmlich geworden? Es wäre mir lieber, wenn wir uns duzen."

Sie wusste von seinem Beruf. Das heißt, sie musste ihn schon länger beschattet haben.

„Sie sind doch krank", meinte er.

„Krank würde ich das nicht bezeichnen, es ist eher eine Vorliebe, weißt du", antwortete die Frau besonnen, während sie die Waffe in der Hand hin und her schwenkte.

„Komm mit, ich will dir was zeigen."

Zögernd machte er einen Schritt vor den anderen. Er musste Menschen auf sich aufmerksam machen. Der Mann sah sich um.

„Wenn du Leute suchst, die dir aus deiner misslichen Lage helfen sollen, dann ist das hier echt der falsche Ort. Weit und breit niemand zu sehen. Kann verstehen, wieso du dieses Plätzchen ausgewählt hast. Es ist angenehm ruhig."

Die Frau bedeutete ihn, nach rechts zu gehen. Sie waren in einer schmalen Sackgasse angelangt. Die meisten Lichter waren längst erloschen, weil hier nur Müllcontainer standen und diese nicht weiter beleuchtet werden mussten. Die dunkelgrünen Tonnen reihten sich bis nach hinten. Es stank entsetzlich nach Abfall und Fäkalien. Über den Müllbergen aus schwarzen Säcken befanden sich die Ausgänge der Lüftungsschächte. Sie bliesen zusätzlich heiße Luft hinaus, sodass man alles noch kräftiger roch.

„Wo bringen Sie mich hin?"

„Wirst schon sehen."

Sie gab ihm einen kleinen Schubs nach vorne. Langsam näherten sie sich dem Ende. Die hohe Mauer aus roten Backsteinziegeln bildete den Abschluss.

„Und jetzt?", fragte der Mann.

„Jetzt schaust du nach links."

Er tat wie es ihm geheißen und blickte auf ein paar Treppen, die zu einer kleinen, schwarzen Türe führten.

„Und jetzt gehen wir da durch."

Die steinigen Stufen waren uneben und er musste aufpassen, wo er seinen Fuß hinsetzte. Einige Sekunden vergingen und sie waren unten angekommen.

„Bis jetzt schlägst du dich ganz gut. Hätte nicht gedacht, dass du so folgsam bist. Ich musste an dich noch keine Kugel verschwenden. Das ist ein Pluspunkt für dich, aber durch deine Aktion auf der Straße, wirst du das trotzdem nicht wieder gut machen können. Tja, was für ein Pech."

Sie öffnete die Türe und vollkommene Finsternis begrüßte sie. Langsam bekam er Panik. Er wusste nicht, was ihn erwarten würde. Außerdem wäre er eingesperrt und die Chancen, dass er lebend rauskommen würde, fielen gegen Null. Sie sah ihn an. Seine braunen Augen verrieten ihr jedes Geheimnis. Die Augen sind der Schlüssel zur Seele. Langsam beugte sie sich vor bis sie direkt vor seinem Gesicht stand. Beinahe hörte sie seinen Puls.

Jetzt bist du endlich so, wie ich dich haben wollte. Außen schön hart und muskulös, aber innen zergehst du mir vor Angst wie Butter. Sie geduldete sich etwas und er konnte ihren Atem spüren. Die Frau näherte sich seinem rechten Ohr und flüsterte ihm zu: „Ab jetzt, mein Lieber, befindest du dich in der Hölle!"

AuftragskillerWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu