Kapitel 21

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Schwarz-weiß, alles ist schwarz weiß um ihn herum. Er schaut nicht nach oben. Schmerz. Ein Spielplatz ist vor ihm. So viele Menschen. Er schaut nach unten. Schmerz. Alles ist schwarz-weiß. Etwas grünes, dann etwas gelbes. Er schaut weg. Kein Schmerz mehr. Wilde, bunte Farben um ihn herum. Alles ist grell. Überall Menschen. Sie bewegen sich hektisch, sind laut. Er ist mitten unter ihnen. Jetzt ist es still. Er hört Schritte. Sie kommen im gleichen Abstand immer wieder. Zwei Menschen sitzen im Auto. Sie lachen. Plötzlich ein donnerndes Geräusch. Alles ist schwarz-weiß. Crash.

Schweißgebadet schreckte Jason hoch und gab einen leisen Schmerzensschrei von sich. Er rang nach Luft, versuchte sich zu beruhigen. Neben ihm war Scarlett aufgewacht und schaltete die Nachttischlampe an.

„Schon wieder?", fragte sie besorgt. Der Mann nickte heftig. Er hatte diesen Traum schon öfters gehabt. Seit er seine Verlobte kannte, hatte er ihn nie wieder geträumt, doch nach Dereks Tod war Jason aufgewühlt und durcheinander. Es erinnerte ihn an vergangene Tage. „Du solltest, genau wie Derek, Jonathan und Amelia hinter dir lassen. Ich weiß, sie waren in Boston deine besten Freunde, aber du musst damit abschließen." Langsam kam er wieder zu Atem. Er kratzte sich am Kopf und massierte mit den Fingern seine Schläfen.

„Ich versuch es ja. Ich will es endlich vergessen." Tränen stiegen dem erwachsenen Mann in die Augen, aber er hielt sie zurück. Scarlett nahm ihn in den Arm.

„Aber wenn du es verdrängst, wird es nicht besser. Ich glaube, es wäre hilfreich, wenn du eine extra Stunde bei Dr. Reeves nehmen würdest. Letztes Mal hat es dir gut getan, diese Verlustängste zu verarbeiten."

Ja, aber letztes Mal ging es um meine verstorbene Katze. Jetzt ist es ein Menschenleben. Derek war mein bester Freund. Er gab ihr keine Antwort. Es brachte nichts, mitten in der Nacht über seine Kindheit zu diskutieren. Jason war nie darauf erpicht gewesen, dass sie verstand, was er schon alles durchgemacht hatte. Das konnten nur wenige. Aber er wollte, dass sie ihn damit in Ruhe ließ.

Es war ein heikles Thema, über das die beiden so gut wie nie sprachen. Scarlett glaubte, dass sie ihn mit ihrem Verständnis und ihrer Hilfe zu einem anderen Menschen machen könnte. Einem, der offener gegenüber zu ihr war. Deshalb schickte sie ihn regelmäßig zu Dr. Reeves. Aus Liebe zu ihr ging er hin, und weil er wusste, dass sie sich bei Verbesserungen freuen würde, tat er so, als wäre er ein Stückchen mehr geheilt.

In Wahrheit aber, half es gar nichts. In den Nächten nach den Besuchen bei Dr. Reeves ließ sich Jason Schlaftabletten verschreiben, damit er nicht von Alpträumen gequält aufwachte. Zudem spielte er dem Psychologen vor, dass es ihm nach den Behandlungen jedes Mal deutlich besser ging. All das half, um nicht weiter darüber reden zu müssen.

Ich will Scarlett nicht verlieren. Ich will nicht, dass sie denkt, ich wäre geisteskrank. Ich liebe sie.

„Entschuldige, ich bin dir gerade ein furchtbarer Verlobter. Du solltest eigentlich in meinen Armen sein und dich von mir trösten lassen, nicht umgekehrt", meinte er, nachdem er sich beruhigt hatte.

„Ich glaube mein Problem ist, dass ich, nach meinem ersten Schock, noch nicht realisiert habe, dass..." Sie verstummte und starrte ins Leere.

„Kann ich verstehen."

Ganz nah beieinander legten sie sich wieder hin und versuchten gegenseitig, die Trauer des anderen zu lindern. Mit wässrigen Augen schliefen beide ein.


AuftragskillerWhere stories live. Discover now