Kapitel 6

4.8K 329 32
                                    

Ihr habt nichts, stimmt's?" Anhand seines Gesichtsausdrucks konnte Jason deutlich erkennen, dass sein Freund wieder einmal schlechte Nachrichten hatte.

Erneut durchbrach er die Stille: „Das gibt es doch nicht. Es muss einen Hinweis geben! Vielleicht habt ihr nicht genau..."

„Jason, es würde jeder Winkel abgesucht. Wir haben es mit einem sehr gewieften Täter zu tun", antwortete Chris.

„Das stimmt", fügte Natasha hinzu, „Die Tat war geplant, sonst wäre er viel zu unvorsichtig gewesen. Er hat einfach keine Fehler gemacht."

„Oder sie", meinte Chris. Genervt, weil Christopher sie ausgebessert hatte, fuhr sie vor.

„Auf jeden Fall hat diese Person vom Töten eine Ahnung. Kein Mensch hat so wenige Hemmungen, dass er beim ersten Mal das Opfer zerteilt. Wir sprechen hier von einem ausgesprochenen Profi auf dem Gebiet."

Das machte die Stimmung nicht gerade besser. Jason machte einen Schluck von seinem Bier, um nicht reden zu müssen. Die kühle Flüssigkeit beruhigte seine Sinne. Er wischte sich schnell über den Mund, nachdem er das Glas wieder auf den Tisch stellte, damit der restliche Schaum nicht an seiner Oberlippe hängen blieb. Da keiner mehr wusste, was er sagen sollte, wechselte Chris das Thema.

„Wie geht's Scarlett? Ich hab gehört, sie wurde befördert."

„Ja, das ist wirklich toll."

Jason war immer noch nicht sonderlich fröhlicher geworden. Chris seufzte. Natasha konnte auch dazu nichts mehr sagen und wollte nur aus dieser Situation fliehen.

„Jungs, ich hol noch ein paar Bier. Die Runde geht auf mich."

Mit einem Nicken bedankten sich beide und Natasha verschwand hinter dem Qualm von Zigarren und dem Menschengedränge vor der Bar. Sofort nachdem Natasha nicht mehr im Blickfeld war, sah Jason Christopher mit einem erwartungsvollen Blick an.

„Ich hab dir schon hundertmal gesagt, dass du keine weiteren Informationen bekommst, Jason. Und schau mich jetzt nicht mit diesem Dackelblick an. Wir haben dir eigentlich schon viel zu viel erzählt."

„Aber Chris, ich muss wissen, wie der Tatort aussieht", flehte er, „nur ein kleines Bild und ich bin zufrieden." Er verzog sein Gesicht zu einem Schmollmund.

„Nein. Und du wirst auch nicht Woods oder Wanderbuild anrufen. Du hast sie schon genug belästigt mit deinen ewigen Jammereien", zischte Christopher.

„Das sind keine Jammereien!"

Wütend knallte Jasons Hand auf den Tisch. Durch die Vibration schwankte der letzte Tropfen Bier in seinem Glas. Ein paar Leute schauten misstrauisch zu ihnen hinüber, als würden sie darauf warten, eine Schlägerei zu sehen.

„Ach Gott, Jason! Nimm nicht immer gleich alles persönlich, du weißt doch, was ich gemeint habe." Einfach nur deprimiert, gab Christophers Gegenüber die Hände vors Gesicht und schüttelte mit dem Kopf.

„Hör zu, Kumpel. Ich weiß ja wie wichtig es dir ist, in den Fall involviert zu werden, aber das sind nun mal die Vorschriften. Du musst loslassen."

Nach diesem Satz blickte Jason zu ihm auf. Es war, als würde ihm klar geworden sein, was zu tun war. Der Blonde war sichtlich überrascht und darauf stolz, dass er seinen Freund zur Vernunft gebracht hat.

„Weißt du was, Chris? Du hast Recht. Ich muss loslassen. Danke!", fing er an zu reden.

Er trank sein Bier aus, klopfte Christopher kurz auf die Schulter und meinte: „Ich muss jetzt weg. Hab noch etwas Wichtiges zu erledigen. Du weißt schon, loslassen und so."

„Alles klar! Bis nächstes Mal!"

Jason drängte sich durch die Menschen mit dem Versuch möglichst wenig, den nach Alkohol und Zigarettenqualm stickenden Geruch der anderen mit sich zu ziehen. Bevor er die Tür hinunterdrückte, sah der junge Mann nochmals zurück.

„Und grüß Natasha von mir!"

Nach nur wenigen Augenblicken kam die Frau mit drei neuen Bierflaschen zurück.

„Du glaubst gar nicht, wie viel hier los ist. Naja, ist ja auch kein Wunder. Es ist immerhin neun am Abend und die Hütte ist voll. Hey, wo ist Jason?"

Sie setzte sich zu Christopher und öffnete die Flaschen. Dann reichte sie ihm eine und fragte den Mann erneut.

„Hast du Watte im Ohr, oder was? Wo ist Jason?", fragte sie, während sie ihn stupste.

„Was, was? Hast du gerade mit mir geredet?", er drehte sich zu ihr.

„Ja, hab ich." „Oh, tut mir leid. Ich war gerade nur in Gedanken."

Natasha sah ihn unglaubwürdig an.

„Du und in Gedanken?" Er schaute sie genervt an, sagte aber nichts.

„Sorry, aber das passiert faktisch nie. Könntest du mir jetzt einfach sagen, wo Jason hin verschwunden ist?"

„Achso, der ist gerade gegangen. War auch der Grund, weshalb ich nachgedacht hab. Was hatte er denn jetzt noch an einem Freitagabend zu tun?" Fragend starrte er seine Kollegin an. „Er musste noch etwas erledigen?", wiederholte sie.

„Ja, und er schien dabei richtig enthusiastisch zu sein."

„Was hast du ihm denn bitte gesagt, während ich weg war?" Christopher gönnte sich vor der Antwort noch ein Schluck Alkohol.

„Ich hab ihm gesagt, dass er uns nicht dauernd anbetteln soll. Du weißt schon, wegen dem Fall, und dann hab ich ihn leicht wütend gemacht. Ich hab ihm erklärt, dass das nicht gut für ihn ist und er endlich loslassen soll. Und plötzlich war er ein anderer Mensch. Das hab ich sofort in seinen Augen gesehen, die haben nahezu gefunkelt."

„Und das war alles?"

„Ja."

„Das ist wirklich ziemlich verdächtig."

Beide tranken aus ihren Flaschen und schauten ins Leere. Wie aus dem Nichts ergab sich für Natasha ein eindeutiges Muster.

„Scheiße!", fluchte sie in sich hinein.

„Was ist denn?"

Christopher starrte sie verwundert an.

„Scheiße, scheiße, scheiße!"

Ohne ihm einer Antwort zu würdigen, stand sie auf und packte ihren Kollegen am Oberarm. Als er sich endlich von seinem Sitz erhob, riss sie ihn förmlich mit sich mit.

„Was ist denn los, zum Henker!"

„Sag ich dir später, wir müssen uns jetzt nur wirklich beeilen!"


AuftragskillerWhere stories live. Discover now