Kapitel 1

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Piep...Piep...Piep. Mein Wecker klingelte. Benommen wachte ich auf und warf einen Blick auf die Uhr. Oh nein! Es war 7 Uhr und ich hatte verschlafen. Keine Ahnung, ob mein Wecker langsam den Geist aufgab oder ob ich schlichtweg zu blöd war meinen Wecker richtig einzustellen. Das wäre ja alles gar nicht so schlimm gewesen, hätte ich nicht heute meinen ersten Arbeitstag beim Clark Verlag. Apropros erster Arbeitstag wenn ich mich nicht beeilte, würde ich meinen Bus verpassen. Gehetzt griff ich nach meinen Klamotten, die ich glücklicherweise schon am Vortag herausgesucht hatte und lief ins Bad, wo ich mich eilig einer Katzenwäsche unterzog und rannte zur Bushaltestelle. Ah, da hielt mein Bus gerade an. Außer Atem stieg ich ein und näherte mich langsam meinem neuen Arbeitsplatz. Man hatte mir schon zu Anfang meines Vorstellungsgespräches gesagt, dass ich so etwas wie das Mädchen für alles werden würde, aber da ich irgendwie meine Miete bezahlen musste, war dieses Angebot besser als nichts. Jeder hatte einmal klein angefangen und vielleicht würde ich ja irgendwann eine Chance haben, mein Können unter Beweis zu stellen und vielleicht sogar aufzusteigen. Eigentlich dürfte nichts mehr schiefgehen. Ich kam zwar völlig abgehetzt beim Verlag an, doch immerhin war ich pünktlich und hatte soweit ich das auf die Schnelle gesehen hatte auch keinen leuchtenden Pickel auf der Stirn. Der erste Eindruck zählte ja bekanntermaßen.     Der Bus hielt an und ich stieg guten Gewissens aus. Nachdem ich aber das Gebäude betreten hatte, sank mein Selbstvertrauen in den Keller. Ich sah all die Menschen in ihren eleganten Anzügen und Röcken und kam mir in meiner schwarzen Jeans und der weißen Bluse völlig underdressed vor. Wenigstens hatte ich mich doch noch für meine schwarzen Pups entschieden.
Wo zur Hölle war dieser scheiß Aufzug? Ein Blick auf die Uhr; noch 2 Minuten. Irritiert drehte ich mich um mich selbst und da war er, der Aufzug. Hektisch lief ich in seine Richtung und... „Ups. Entschuldigung. Ich hab' sie gar nicht gesehen."
„Ja, das hab ich gemerkt. Sie müssen neu hier sein, ich hab' sie noch nie hier gesehen." „Stimmt. Ist mein erster Arbeitstag und ich bin verdammt spät dran und dann hab ich den Aufzug nicht gefunden, hoffentlich bringen die mich nicht direkt um."   „Mach dir keine Gedanken, das da oben sind auch nur Menschen. Ich bin übrigens Jason," er lächelte mich an und streckte mir die Hand entgegen. Ich hob den Blick und betrachtete ihn eingehender. Jason hatte kurze mittel-dunkelblonde Haare, einen Dreitagebart, der ihm verdammt gut stand und stahlblaue Augen. Ich musste zugeben das er wirklich attraktiv war, die Frauen mussten ihm reihenweise zu Füßen liegen. Ich schüttelte seine Hand, seine Haut war erstaunlich weich und warm.   „Oh, Entschuldigung, ich hab mich gar nicht vorgestellt. Ich bin Lynn." „Nett dich kennenzulernen Lynn. In welchen Stock musst du denn?"
„In den Zehnten."
„Super, da muss ich auch hin."
„Arbeiten sie schon lange hier?"
„Ja, das kann man so sagen," er grinste. "Kann ich sie mal was fragen?" Er wirkte nett und ich musste es einfach wissen, ich hatte mir die ganze Nacht den Kopf darüber zerbrochen, ob ich in einer Firma arbeitete, die von einem Arsch geleitet wird.
"Klar, nur raus damit," er lächelte mich aufmunternd an.
„Stimmt das Gerücht, dass der Junior-Chef kalt, herzlos, abweisend und arrogant sein soll? Das hat man mir gleich beim Vorstellungsgespräch gesagt und ich frage mich, ob das stimmt, oder ob alle das nur falsch wahrnehmen, ich meine vielleicht ist er lediglich lieber alleine."   „Wer hat ihnen das denn erzählt?"
„Keine Ahnung. Ich finde hier sehen alle Frauen gleich aus in ihren Kostümen." „Ich fürchte das kann ich nicht beurteilen," der Aufzug klingelte und wir stiegen aus. „Man sieht sich," sagte er und bevor ich mich von seinen Augen losreißen konnte, war er auch schon um die nächste Ecke verschwunden. Das dieses „Man sieht sich" schneller kommen sollte als erwartet, konnte ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wissen. Kaum war ich wieder in der Wirklichkeit angekommen, da eilte mir auch schon eine Blondine mit Modelmaßen entgegen, die meiner Meinung nach wie eine überschminkte Tussie aussah und ohne Probleme in ein Puppenhaus oder einen Barbiefilm gepasst hätte. „Sie sind dann wohl Mrs. Hoover, darf ich dich einfach Lynn nennen, dann kannst du auch Mandy zu sagen." Sie schnalzte mit den Lippen und stöckelte auf ihren High Heels voran. Ich dackelte ihr im Entenmarsch hinterher und beneidete sie um ihren Hintern.    „Hier ist die Küche," sie führte mich durch eine Tür. „Und dort steht die Kaffeemaschine, freunde dich schon Mal mit ihr an." Sie lotste mich wieder in den Flur und den Gang entlang. „Dort ist dein Büro. Falls du jemals etwas außer Kaffee kochen, Akten vernichten, kopieren und abheften machen solltest, hast du dort einen Computer." Als ob ich das nicht selbst gesehen hätte. Außerdem was bildete sich diese Schlampe überhaupt ein! Sie wird ja wohl auch nicht direkt Assistentin gewesen sein, sondern sich hochgearbeitet haben, wobei bei ihr, so wie ich sie einschätzte, hochgeschlafen wohl eher passen würde. Sie erinnerte mich eher an eine Schaufensterpuppe, als an eine intelligente Frau. Wahrscheinlich war der Chef tatsächlich ein arrogantes Arschloch, der sie nur als Dekoration eingestellt hatte. So tief wollte ich nicht sinken. „Hier ist das Büro von Mr. Clark," sie blieb vor dem letzten Raum stehen, dessen Tür meinem Büro gegenüberlag. „So und jetzt bring Mr. Clark erst einmal einen Kaffee."   „Mit dem größten Vergnügen, Mandy." Sarkasmus lag nun einmal in meiner Natur. „Schön, dass du mit solchem Eifer bei der Sache bist," sagte Püppchen und stolzierte davon. Bitte leg dich einfach nur aufs Maul. Diese Genugtuung war mir leider nicht vergönnt, also dackelte ich in die Küche und machte Bekanntschaft mit meinem neuen besten Freund, der Kaffemaschine. Nachdem ich den Kaffee gekocht hatte, wusste ich leider immer noch nicht, ob der Boss Milch oder Zucker wollte. Da ich keine Lust hatte leichte Konversation mit Püppchen zu betreiben, nahm ich beides mit und beschoss ihn einfach zu fragen. 
In der einen Hand den dampfenden Kaffee, in der anderen Milch und Zucker ging ich über den Flur, in der Hoffnung nichts zu verschütten. Ich klopfte an die Tür, wartete auf ein gestresstes „Herein" und betrat den Raum. Die Wände waren in einem Bechton gestrichen, schwarze Regale mit Aktenordnern und Bilder zierten den Raum, ein ebenso schwarzes Sofa und ein Sessel standen links um einen Wohnzimmertisch herum und mitten drin stand ein dunkler Schreibtisch mit je einem Stuhl vor und hinter der Platte eine, unscheinbare Tür ließ erahnen, dass es noch einen weiteren Raum gab. Mr. Clark stand mit dem Rücken zu mir und telefonierte aufgeregt. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, da ich ihn nicht einfach unterbrechen wollte, also stellte ich die Tasse auf den Schreibtisch. Er beendete das Telefonat und drehte sich langsam um. „Milch oder Zucker?" fragte ich. Nun hatte er sich ganz umgedreht. Oh nein, das konnte nicht sein. „Schön, sie wiederzusehen, Lynn." Total intelligent antwortete ich: „Äh. Scheiße." Das war wohl mal wieder ein Fettnäpfchen, Lynn, so etwas kann aber auch nur dir passieren, tadelte mich mein Unterbewusstsein.   „Alles halb so wild. Sie haben ja nicht direkt gesagt, dass ich herzlos, kalt, abweisend und arrogant bin, wobei mich schon interessieren würde, wer ihnen das gesagt hat. Naja, vielleicht hat die Person ja recht oder auch nicht. Machen sie sich selbst ein Bild, hier bin ich." Er grinste mich an.   „Shit!" Definitiv aufschlussreiche Worte für meinen darauf folgenden glorreichen Abgang, bei welchem ich wie von der Tarantel gestochen aus dem Büro stürzte und mich auf der Toilette einschloss. Jason Clark war mein neuer, verboten heiß aussehender Chef und ich hatte es gleich am ersten Tag geschafft ihn zu beleidigen, hoffentlich feuerte er mich jetzt nicht. Ich war wirklich die Fettnäpfchenqueen des Jahrhunderts.

Love the Boss or not Where stories live. Discover now