Schreiend schleudere ich das einzige gerahmte Foto, welches auf meinem Schreibtisch stand, gegen die Wand. "Ich hasse dich dafür!! Das hab ich nicht verdient! Ich hasse dich!!", brülle ich verzweifelt das unter den Splittern liegende Bild an. "Ich hasse dich!", jaule ich wieder und falle auf die Knie. Alles fühlt sich taub an, nur mein Herz, das brennt.
Schluchzend kniee ich auf dem Boden und kann an nichts anderes mehr denken, als an das, was ich verloren habe. An nichts anderes.
In diesem Moment klingelt mein Handy, es ist Clara. Ich gehe nicht ran, ich kann und will sie nicht sprechen.
Weinend bleibe ich dort sitzen, wimmere vor mich hin und hoffe, dass dieser Schmerz wirklich irgendwann vergeht. Irgendwann wenigstens.

Ich weiß nicht wie spät es ist, als Clara in mein Zimmer tritt.
Kopfschüttelnd setzt sie sich neben mich und zieht mich an sich. "Ach Mausi, es tut mir so leid! Was kann ich tun, damit es dir besser geht?"
Ich schweige und meine Tränen tropfen auf ihre Schulter. Was soll ich sagen?
Kidnappe Zlatans Neue und mach ihm klar, dass er eigentlich nur mich will? Sehr realistisch.
Seltsamerweise tut Claras Nähe mir doch gut. Die Tränen versiegen und ich atme endlich wieder gleichmäßig. "Schatz, wir sollten hier raus. Lass uns etwas unternehmen! Du musst was anderes sehen!", schlägt sie leise vor und drückt meine Hand. Ich schüttle den Kopf. "Doch! Komm, wasch dir dein Gesicht, zieh dir was an und dann machen wir was Schönes!"
Claras Definition von 'schön' macht mir möglicherweise Angst, da ich aber hier durchdrehe, mache ich mit. Was soll ich denn bitte auch sonst tun? So viel wie ich in den letzten 20 Stunden geheult habe, muss mein Elektrolythaushalt schon total verschoben sein und ich kurz vorm Vertrocknen! Soll Zlatan doch glücklich werden mit dieser blonden Schnepfe! Arschloch!

Da ist urplötzlich die Wut, die in mir seit Claras Satz brodelt.
Die unermessliche Wut auf Zlatans Feigheit, aber auch die auf mich. Denn hätte ich mich damals anders entschieden, wären wir wahrscheinlich noch glücklich zusammen. Hätte, hätte, Fahrradkette...
Diese wilde Wut bäumt sich auf, sie will aus mir heraus, will mit ihrer zerstörerischen Kraft alles verschlingen. Doch bevor dieser tosende Orkan losbrechen kann und alles um mich herum und auch mich vernichten kann - verschließe ich mein Herz.
Ich lege es dieses Mal selbst in Ketten, schließe ab und lasse nichts mehr davon nach außen dringen. Ich werde niemanden mehr in mein Herz lassen, nie wieder.
Wie verrückt pumpt mein armes Herz, es versucht die Ketten zu sprengen, um nicht an diesem Gefühl zu verrecken, aber ich lasse es nicht zu. Nie wieder.

Leck mich Leben, du kannst mich mal! Wer braucht schon ein intaktes Liebesleben? Passiert doch eh immer die gleiche Scheiße! Verliebt, rosarote Brille, Vögeln non stop und dann? Enttäuschung, Herzschmerz und alles war wieder umsonst! Fick dich, du verräterisches Scheißgefühl namens Liebe! F.I.C.K. D.I.C.H.

Der Song von SDP geistert kurz durch meinen Kopf als ich mir Concealer auf meine Augenringe klatsche. Na da brauch ich aber mehr als sonst, so wie ich aussehe.
Ich trage noch eine Schicht auf, bis die gruseligen Überreste meiner durchheulten Nacht verschwinden. Ich gefalle mir zwar nicht, aber dem Rest der Welt wahrscheinlich schon. Laufen ja nicht allzu viele in der Gegend rum, die auch mal hinter die aufgehübschte Fassade blicken. Besser ist es. Die würden sich erschrecken. Halleluja.
Nur um es den Arschlöchern da draußen so richtig zu zeigen, ziehe ich ein verdammt knappes Kleid an. Glotzt ruhig! Ihr könnt mir gar nichts mehr! Trotzig zwänge ich mich in meine geliebten Espandrillos von Tommy Hilfiger und setze mich wenig später zu Clara in ihren alten VW.

"Gut schauste aus." "Danke!", gebe ich zurück und lasse mir nichts anmerken. Innerlich breche ich vor Gefühlen, doch wie gesagt - damit ist Schluss.
Das gibts ab jetzt nicht mehr. Ich wiederhole: F.I.C.K. D.I.C.H., du scheiß Leben! Gibt das Leben dir Zitronen, frag nach Salz und Tequila!
Clara schleift mich in ein Eiscafé und scheint ernsthaft zu glauben, dass es mir besser geht.
Fröhlich plappert sie über belanglose Dinge, die mich ehrlich gesagt nicht die Bohne interessieren. In meiner Phantasie bin ich gerade dabei Zlatan zu kastrieren. Das entlockt mir ein böses Grinsen. "Oh, du lächelst! Das ist so schön! Ich wusste, dass du auf andere Gedanken kommst, wenn wir was unternehmen!"
Ich lasse sie in dem Glauben und nicke mit einem aufgesetzten Lächeln, welches allerdings abrupt erlischt, als Erik, Marco und Bürki an unserem Tisch auftauchen.
Was soll das jetzt bitte? Ja klar, ich hab mir geschworen, dass ich ab jetzt die Gleichgültigkeit und aufgesetzte Normalität in Person bin, aber das muss man ja nicht gleich so extrem auf die Probe stellen oder?

Vollkommen abgenervt gebe ich allen die Hand. Marco setzt sich natürlich neben mich und lächelt mich frech an. "Na, wie gehts dir, Vivi?", fragt er kackendreist und ich möchte ihm auf der Stelle einen Kinnhaken verpassen. Und dann in die Kronjuwelen treten, mit voller Wucht - damit das mit der Familienplanung auch gegessen ist bei dem Herrn!
"Gut!", flöte ich und in meiner Vorstellung rasiere ich ihm den Schädel. "Hast du heute Abend schon was vor? Erik macht 'ne Party. Clara wird natürlich auch da sein", erwähnt er schmunzelnd.
Was soll ich bitte auf dieser scheiß Party? Damit gleich der Nächste baggert? Nein danke.
"Au ja! Das hab ich ja ganz vergessen, Vivi! Es wäre sicher gut, wenn du mitkommst!", quietscht Clara happy in die Runde. Na? Gehe ich ihr schon auf die Nerven oder findet sie es nur unheimlich, dass ich so gar nicht rumzicke?
"Wieso gut? Alles klar bei dir, Vivi?", mischt sich Roman ein.
Super, klasse! Yay! Konfetti! Ein Mann, der zuhört! Die Wahrheit sag ich euch Trotteln trotzdem nicht!
"Nee! Alles supi!", gebe ich übertrieben gut gelaunt zurück und trinke schnell etwas von meinem Eiskaffee. In dem fehlt definitiv Alkohol, diese Idiotenversammlung ist ja nicht auszuhalten! Also bitte - nicht, dass jetzt irgendwer auf die Idee kommt, ich hätte ein Problem und würde zu viel trinken, aber wie soll man das denn sonst ertragen? Ein bisschen Mitleid bitte!
"Echt? Okay, na dann", erwidert Bürki  und sieht mich eindringlich an. Ich weiche seinem Blick aus und tippe auf meinem Smartphone herum. Immer schön abgelenkt wirken, dann lassen sie dich in Frieden. Ist wie mit dem Vogel Strauss. Kopf in den Sand , tot stellen und gut ist.
"Also kommst du mit?", nervt Marco schon wieder. Boah, er stresst mich gerade einfach nur! Ich überlege kurz, ob es klug wäre, ihn anzuschreien und ihm meinen Kaffee über den Kopf zu gießen, nur um mich ein bisschen abzureagieren. Denn die Wut kämpft noch immer mit meinem erschöpften Herzen.
Allerdings lasse ich es doch bleiben und meine nur: "Ja mal sehen. Wenn ich's einrichten kann."
Das muss reichen. Ich gehe da natürlich nicht hin! Bin ja nicht bekloppt!
"Klar kannst du das!", jubelt Clara und schaut mich hoffnungsvoll an. Mann Clara! Ich will da nicht hin! Ich will in meinem Bett liegen und mich bemitleiden! Mich mit Eis vollstopfen, traurige Musik hören und an Zlatan denken!

Ach verdammt, die Phase mit dem traurig sein ist doch noch nicht vorbei. Egal wie viele Schlösser ich um mein Herz schließe. Da muss ich wohl doch erstmal durch.
Hatte ich schon erwähnt, dass ich mein verkacktes Leben grad echt hasse?! In diesem Sinne: F.I.C.K. D.I.C.H., Leben!
Nur das mit den Zitronen und dem Tequila läuft noch nicht so rund, da brauche ich wohl noch Zeit, um das alles nicht mehr an mich ranzulassen...

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Vivi mutiert zum Eisklotz...
Nicht ganz ohne Grund, nicht wahr?
Jeder hatte wahrscheinlich schon Mal Liebeskummer und jeder geht damit anders um.
Marco wird es nicht leicht haben mit der in ihrem Stolz verletzten Vivi.
Hat er überhaupt eine Chance sie davon zu überzeugen, dass das Leben nicht nur den ausgestreckten Mittelfinger verdient?

Hoffe, das Kapitel hat euch gefallen?!❤

Knutscha,
Eure Mercy aka Floraly

INVICTUS - Liebe auf den 2. Blick [Marco Reus] | ✓Where stories live. Discover now