06. Barrow

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♪ Cold as Ice - Foreigner


Louis

Ein heftiger Windstoß empfing mich, als ich gegen sieben in der Früh die Haustür öffnete, um meine morgendliche Kippe draußen zu rauchen. Da ich damit beschäftigt war, die Zigarette mit einem Sturmfeuerzeug anzuzünden, was Gott sei Dank funktionierte, achtete ich eher weniger auf meine Umgebung. Bereits nach zwei Schritten versank ich knietief in der weißen, pulvrigen Masse. Erst jetzt realisierte ich Brianas Zuruf, dass in der Nacht siebzig Zentimeter Neuschnee gefallen seien.

Zuerst wollte ich schimpfen, doch dann erinnerte ich mich daran, was man damit alles anstellen konnte. Schneemänner bauen, Schneeballschlachten veranstalten und – nun kam das Wichtigste – eine Probefahrt mit dem Schlittenhund Gespann zu wagen.

Seit Tagen lag ich Anuun damit in den Ohren, doch da bisher noch kein Niederschlag gefallen war, bekam ich lediglich ein Schulterzucken, sowie den Satz: „Wir müssen warten, bis genügend Schnee liegt", zu hören.

Gott sei Dank wurden meine Gebete dahingehend nun erhört.

Grinsend zog ich an meiner Zigarette und inhalierte den Rauch so tief, dass ich prompt einen Hustenanfall erlitt. Der erste Glimmstängel an Morgen war immer der Schlimmste. Ich musste die Lunge quasi erst freipusten. Schade, dass ich das Rauchen nicht einfach so sein lassen konnte wie das Vögeln. Natürlich fiel es mir nicht leicht darauf zu verzichten, aber ich hatte mich insoweit im Griff, dass ich ganz sicher nicht den nächsten Puff aufsuchen würde. Immerhin besaß ich zwei gesunde Hände und abgesehen davon wäre es mir nicht in den Sinn gekommen, Danielle zu betrügen.

Als ich die Zigarette zu Ende geraucht hatte, suchte ich nach dem Aschenbecher, welcher jedoch im Schnee versunken war. Warum hatte ich ihn gestern Abend nicht mit ins Haus genommen? Jetzt danach zu suchen, machte echt keinen Sinn und deshalb entsorgte ich die Kippe einfach in der weißen Pracht.

Nachdem ich mich einmal ausgestreckt hatte, kehrte ich wieder ins Haus zurück. Eine meckernde Briana kam mir entgegen gelaufen.

„Louis, kannst du nicht die Schuhe ausziehen? Du beschmutzt den Boden! Alles ist voller Schnee!"

Ihre Worte prallten an mir ab.

„Der taut auch wieder", erklärte ich grinsend.

Dann schaute ich mich nach meinem Sohn um. „Wo ist Freddie?"

„Im Bad, Händewaschen. Er kommt gleich."

„Gut, ich möchte nämlich einen Schneemann mit ihm bauen, nachdem wir gefrühstückt haben."

Ihr argwöhnischer Blick traf mich sofort.

„Wie kalt ist es denn?"

„Keine Ahnung, nicht kälter als während der letzten Tage. Also sollte der kleine Mann sich warm einpacken."

Kaum saß Freddie mit uns am Tisch, reichte ich ihm die Milch, damit er seine Smacks damit übergießen konnte.

„Vorsichtig, immer schön langsam", mahnte ich grinsend.

Ich konnte mich noch gut daran erinnern, als er dies zum ersten Mal versucht hatte. Es endete damit, dass sich auf dem Tisch eine riesige Milchpfütze befand. Doch nun war Freddie achtsamer geworden. Hochkonzentriert ließ er die weiße Flüssigkeit langsam in die kleine Schale laufen, bis seine Smacks komplett in Milch schwammen.

Lächelnd beobachtete ich meinen Sohn, wie er das Zeug in sich hineinschaufelte. Freddie hatte schon immer einen guten Appetit besessen und hier, in Barrow, wo er sich öfter an der frischen Luft aufhielt, als in London, aß er noch mehr. Doch das störte mich nicht, denn er wirkte keineswegs überproportioniert. Da er ständig in Bewegung war, bestand gar keine Chance, dass er dick werden würde.

Black IceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt