Prolog

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Prolog 


Ich schleppe mich die Treppenstufen hoch, Tränen fließen mein Gesicht hinab, mein Körper taub. Ich drücke an der Tür, mit der Hoffnung, sie sei offen und glücklicherweise ist sie das. Ich trete ein und schließe sie hinter mir. Schnappend nach Luft lehne ich an der hölzernen Schwelle.

Nun bin ich sicher. Sicher bei mir zu Hause, wo ich mit meinem Ehemann und unserer sechs Monate alten Tochter Rosie zusammen lebe. Als eine Stimme ertönt spannt sich mein Körper an.

"Wo warst du?"

Mir entkommt ein erleichtertes Keuchen, da ich Shawns Stimme erkenne. Ich kenne ihn nun schon so lange, dass ich seine Stimme, egal wo und wann, wiedererkennen kann. Ich drehe mich nach rechts und sehe, wie er Rosie in den Armen haltend, auf dem Sofa sitzt. Bei diesem Anblick kommt in mir erneut der Drang hoch, den Tränen freien Lauf zu lassen. Wie Shawn sich um Rosie kümmert, lässt mich wissen, dass wenn ich jemals sterben würde, oder mir etwas passieren wird in nächster Zeit, sie bei ihm immer in guten Händen ist.

"Ich war-"

Ich unterbreche mich selbst. Was soll ich ihm erzählen? Wie soll ich es ihm erzählen? Ich stehe da, still und mit tränenüberströmten Gesicht, während ich nicht weiß, was ich sagen soll. Wieder legt sich mein Blick auf Shawn. Ich sehe, wie er auf mich zukommt, nachdem er Rosie auf ihrer Spielmatte abgesetzt hat, welche auf dem Boden ausgebreitet liegt.

"Ist alles in Ordnung, Madison?"

Als ich nicht antworte, fragt er erneut und ich lasse meinen Kopf vor Scham sinken. Er streckt seine Arme aus, um seine großen Hände auf meinen Schultern verweilen zu lassen. Mein Körper lehnt sich unwillkürlich gegen seinen, auf der Suche nach Wärme. Mir fällt nichts ein, was ich sagen oder machen könnte. Ich bin in meinem eigenen Haus verloren.

Ich zittere am ganzen Körper, als ich mich daran erinnere, was wenige Stunden zuvor passierte. Ich reiße mich zusammen, stelle mich gerade hin, ehe ich mich von meinem warmen Mann abstoße.

"Ich bin bald wieder da-"

Mein Hals fühlt sich trocken an, lässt meine Stimme sich komisch anhören. In der Sekunde, in der ich meinen Satz beendet habe, drehe ich mich auch schon um und renne. Weg von meinem Ehemann und unserer gemeinsamen Tochter. Ich renne weiter, die Treppe hoch und den Flur entlang, bis ich das Arbeitszimmer erreiche.

Ich weiß nicht genau warum, aber jedes Mal, wenn ich einfach nur alleine sein möchte, durcheinander oder aufgebracht bin, ist das Arbeitszimmer mein Zufluchtsort, an dem ich für mich alleine sein kann, bis ich wieder herauskommen will. Im Raum befinden sich ein großes, volles Bücherregal, ein Schreibtisch und einige Sitzsäcke. Auch eine angenehme Atmosphäre ist vorhanden.

Hinter mir schließe ich die Tür, stelle sicher, sie auch abgeschlossen zu haben. Ich begebe mich zu dem lila Sitzsack, in den ich mich fallen lasse und auch sogleich versinke. Für eine Weile sitze ich lediglich da, denke nach.

Ich möchte es herauslassen, mit jemandem darüber reden, doch ich fürchte mich so sehr davor, wie sie reagieren und mich danach beurteilen werden. Letztendlich finde ich doch eine Art, wie ich es verarbeiten kann, ohne es jemandem direkt mitzuteilen.

Ich kann Briefe schreiben.

Ich werde Briefe schreiben.

Briefe an ihn. 

Die Briefe ReiheTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon