Kapitel 6: Ein echter Gentleman

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Um ehrlich zu sein war ich mehr als enttäuscht. Sie ist neben dem katervertreibenden Kaffee hier das einzige, was mich Woche für Woche her lockt und nun war sie gar nicht da. Das senkte meine Laune wieder erheblich um einiges.

Ich konnte ja aber nicht einfach wieder gehen, vor allem nicht nachdem er mich gesehen hatte, also setzte ich mich mit einem halbherzigen Lächeln auf den Hocker vor den Tresen und nickte ihm zur Begrüßung kurz zu. Von ihm bekam ich nichts außer einem genervten, erwartungsvollen Blick also schluckte ich schnell und bestellte dann schnell das Übliche und dazu einen Bagle. Der Mann schrieb sich die Bestellung schnell auf einen kleinen Block und drehte sich dann ohne ein weiteres Wort zur Kaffeemaschine um.

Ich konnte nicht anders als ihn mit Lia zu vergleichen, denn sie begrüßt mich immer höflich oder lächelt mir wenigstens entgegen auch wenn sie dann schnell wieder den Kopf senkt und ihr Gesicht versteckt. Besonders letzten Samstag musste ich darauf achten, da ich ihr ja erst einen Tag zuvor im Park bei meinem Spaziergang begegnet war und dort ihr Gesicht bereits gesehen hatte. Ich bin davon ausgegangen, dass sie sich ab jetzt nicht mehr vor mir verstecken würde aber anscheinend ist es ihr einfach unangenhem.

Genau in dem Moment als ich an sie dachte, wurde die Tür aufgerissen und sie kam völlig außer Atem in den Laden gestolpert. Mit großen Augen und einem etwas beschämten Gesichtsausdruck sah sie zu Mr. Schlechte Laune, der sich auch gerade wieder umdrehte und mir meine Bestellung überreichte.

Er sah sie sogar noch grimmiger an als mich eben und verschränkte dann die Arme vor der Brust. "Wird auch langsam mal Zeit." Sagte er in einem wütenden Ton.

Lia kam mit schnellen Schritten hinter die Theke geschlüpft und hing schnell ihre Jacke und Tasche in dem kleinen Raum dahinter auf. Die Tür stand offen, deswegen konnte ich hineinsehen und sehen was sie macht. "Es tut mir so unendlich Leid, Thomas, wirklich. Ich hatte ein kleines Problem zu Hause, mein Vater ist ein bisschen erkältet und-"

"Ist mir doch egal ich hab dich nicht nach deiner Lebensgeschichte gefragt. Ich hab schon seit fast einer Stunde Feierabend und wenn das nochmal vorkommt, sag ich dem Chef Bescheid." Drohte er eher desinteressiert.

"Es war das erste und letzte Mal. Das kommt nicht wieder vor, versprochen." Beschämt sah Lia auf den Boden. Dreister Weise wurde sie von ihrem Kollegen auch noch angerempelt als er an ihr vorbei zur Tür ging.

Ich sah ihm kopfschüttelnd hinterher und drehte mich dann zurück zu Lia. "Alles okay bei dir?" Fragte ich sie. Sie seufzte tief und fuhr sich kurz durch die Harre, nickte dann aber und lächelte kurz. "Also eins verspreche ich dir, dieser Typ bekommt ganz sicher niemals Trinkgeld von mir, wenn ich ihm noch mal begegne." Nachdem ich das sagte, musste sie kurz lachen und verdrehte die Augen.

"Glaub mir, er ist netter als die meisten Kunden, die ich hier habe." Antwortete sie mit einem kleinen Schmunzeln auf den Lippen.

Ich verzog das Gesicht und nahm einen kleinen Schluck von meinem Kaffe. Nachdem ich diesen Schluck runtergeschluckt hatte, verzog ich nur noch mehr das Gesicht. "Also du machst den Kaffee wesentlich besser." Erklärte ich angeekelt nachdem ich einen komischen Blick von ihr erntete. Vermutlich war sie sich nicht sicher ob ich irgendeinen Anfall hatte und deswegen diese Kunststückchen mit meinem Gesicht anstellte.

Wieder lachte sie leicht und nahm mir die Tasse aus der Hand. "Ich mache ihn immer mit einer extra Portion 'Ich darf diesen Job nicht verlieren oder ich bin am Arsch' während die anderen hier nur einen kleinen Nebenjob haben während sie hauptsächlich nebenbei studieren." Erklärte sie. Ich beobachtete sie dabei wie sie ihn wegschüttete und dann einen neuen für mich vorbereitete.

"Also darf ich annehmenm, dass du nicht wie die anderen nebenbei studierst?" Fragte ich sie interessiert.

Sie lachte kurz auf und schüttelte den Kopf während sie mir immer noch den Rücken zugedreht hatte. "Studieren steht wohl eher nicht an meinem Horizont. Nicht, dass ich es nicht wollen würde oder so aber mit fehlen sowohl das Geld als auch die Zeit dazu. Und außerdem denke ich nicht, dass ich mein Leben jetzt noch umpolen könnte, sogar wenn ich die Mittel plötzlich hätte." Erklärte sie mir. Sie drehte sich wieder zu mir um und überreichte mir einen frisch zubereiteten Kaffe. Dankend nahm ich ihn an und schon am Geruch bemerkte ich, dass ich diesen hier viel lieber haben würde.
"Der geht übrigens natürlich aufs Haus. Ich kann dir ja kein Geld für einen Kaffee abnehmen, der nicht korrekt zubereitet wurde." Zwinkerte sie dann als ich gerade dabei war mein Portemonnaie aus meiner Hosentasche zu fischen. Ich steckte es also wieder weg und bedankte mich kurz.

Serendipity // Michael CliffordWhere stories live. Discover now