Kapitel 30

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Ich kann nicht glauben, dass es tatsächlich passiert ist. Ich dachte, wenn es schon passiert, dann wird Eric mir weh tun und nicht umgekehrt. Aber genau so ist es passiert. Ich habe Eric betrogen, nicht anders herum. Und dieser Gedanke ist so dermaßen zerstörend, dass ich keine Sekunde mehr aufhören kann daran zu denken. Mit Alex habe ich kaum noch ein Wort gewechselt. Er hat sich dafür entschuldigt, aber ihm kann ich keine Vorwürfe machen. Er war nicht er selbst, der Alkohol hat ihn zu etwas gemacht, was er nicht war. Nur noch ein Grund mehr mich von diesem Zeug fernzuhalten.
Inzwischen sind fünf Tage seit der Party vergangen. Eric habe ich seitdem nicht mehr gesehen, meine restlichen Sitzungen hat Four durchgeführt. Ich weiß nicht, ob ich darüber froh oder enttäuscht sein soll. Warscheinlich bin ich enttäuscht, weil ich glaube, dass vielleicht doch noch alles wieder gut werden könnte. Warscheinlich bin ich froh, Eric nicht in die Augen sehen zu müssen und zu erkennen, was ich ihm angetan habe. Was ich Uns angetan habe.
Heute ist der letzte Tag unserer Initation. Unser Abschlusstest. Ich wünschte ich könnte sagen, es ist meine größte Sorge momentan zu versagen, aber dem ist nicht so. Viel zu sehr drehen sich meine Gedanken immer wieder um den einen Satz: Ich bin schuld. "Claire" Peters Hand legt sich auf meine Schulter und ich zucke zusammen. Besorgt blickt mich der Dunkelhaarige an. "Ist alles okay?" - "Ja, alles Bestens, ich mach mir nur Sorgen wegen der Prüfung" Ich bin selbst davon überrascht, wie einfach mir die Lüge über die Lippen geht, immerhin lüge ich hier gerade meinen besten Freund an. Aber Lügen sind zwischen uns sowieso im Moment ein Thema. Wir haben Geheimnisse voreinander, dass ist nicht zu übersehen. Genauso wie Cia. Es scheint so, als hätten wir drei aufgehört einander zu vertrauen und jeder frisst seine Probleme in sich hinein. Diese Tatsache belastet mich, aber im Moment habe ich wirklich andere Probleme als Diese. Wie zum Beispiel, dass Peter und Ich in der Prüfungshalle angekommen sind. Sie ist riesig, rund angelegt und in der Mitte befindet sich der altbekannte Simulationsstuhl. Auf der linken Hälfte des Raumes sitzen die Initianten, gebürtige und Wechsler. Eigentlich sollte es mich freuen zu wissen, dass es nur diese eine Prüfung, dieses eine Hinderniss ist, um endlich zu den Ferox zu gehören, aber aus irgendeinem banalen Grund tut es das nicht.
Liegt es daran, dass ich nie eine Ferox sein wollte?
Liegt es daran, weil ich mir nicht mehr sicher bin, wo ich hingehöre?
Oder liegt es daran, dass ich, wenn ich erst einmal eine Ferox bin, Eric nie wieder aus dem Weg gehen kann?

"Ihr habt es weit gebracht, Initianten." fängt Max seine Rede an. Hinter ihm stehen die anderen Ferox Anführer und sogar Jeanine mit ein paar weiteren Ken. Ich stutze. Sind Ken immer bei den Ferox Prüfungen dabei? Soweit ich weiß nicht, nein, aber was tun sie dann hier? "Euer Mut brachte euch bis hierher, zu dem letzten Hinderniss, dass euch davon trennt, ein Ferox zu werden. Meistert auch die letzte Hürde und ihr dürft euch einen vollwertigen Ferox nennen und seid ein Teil unserer Fraktion" Max legt eine Kunstpause ein, fast als erwarte er Applaus, aber niemand klatscht. Dann wird der erste Initiant aufgerufen. Ein Gebürtiger. Jener setzt sich auf den weißen Stuhl, die Anführer gehen zurück zu ihren Plätzen und schauen dann auf einen kleinen Bildschirm vor Ihnen, den wir restlichen Initianten nicht sehen können. Wenigstens Etwas. Doch meine kurzfristige Erleichterung verfliegt, als ich sehe, wer dem Jungen die Spritze in den Hals drückt: Eric.
Augenblicklich verkrampfe ich mich. Das darf doch nicht wahr sein!! Mein Atem verdoppelt sich gefühlt und ich habe das Bedürfniss, aus dem Raum zu sprinten. Habe ich vorhins noch gesagt, ich war enttäuscht ihn nicht zu sehen? Jetzt würde ich darüber wirklich mehr als froh sein! Die Namen und die Simulationen ziehen an mir vorüber und bald schon steht Cia von dem Stuhl auf und ich weiß, ich bin dran. Meine Hoffnung, man könnte mich vergessen haben, stirbt, als Max meinen Namen aufruft. Langsam, ganz Langsam, gehe ich auf den weißen Stuhl zu. Und auf Eric. Ich bin unglaublich erleichtert, als ich mich in das weiche Polster des Stuhles lehnen kann und keine Angst mehr zu haben brauch, auf der Stelle ohnmächtig zu werden. Meine Hände krampfen sich in die Armlehnen, als Erics Hand mein Haar zur Seite streicht und seine Finger dabei meinen Hals berühren. Dann, mit einem schmerzhaften Ruck, infisziert er mir das Serum. Mir wird schwummrig und meine Sicht verschwimmt, das letzte was ich vor der einfangenden Dunkelheit sehe, sind Erics blaue Augen, die mich eindringlich ansehen.

Unique - das erste Buch der »Unique« Reihe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt