Kapitel 16

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Um mich herum ist es dunkel. Vollkommen dunkel. Genau wie in meiner Simulation gestern. Jedoch gelingt es mir, andere als gestern, die Augen zu öffnen. Ich befinde mich in einem Keller. Er ist niedrig und die kahlen Steinwände werden von Moos und anderen Pflanzen überwuchert. Irgendwo tropft etwas, womöglich eine undichtes Rohr. Hinter mir ist eine dunkle, wässrige Pfütze und vor mir erstreckt sich der Keller anscheinend ins Unendliche. Auf einmal höre ich hinter mir etwas über den Boden kratzen. Ich drehe mich um. Eine riesige, mir bis zu den Hüften gehende Spinne steht dort und sieht mich aus ihren blutroten Augen an. Ihre Fangzähne klicken und das Gift tropft an ihnen herunter. Augenblicklich halte ich die Luft an. Mit ihren acht Beinen kommt das ekelerregende Ding näher und näher, ich weiche zurück. Plötzlich stoße ich gegen etwas haariges. Eine weitere Monster Spinne. Ich schreie auf, stolpere und stehe wieder auf. Mein Rücken drückt sich gegen die feuchte Wand, die Ungeheur rücken immer näher. Panik überkommt mich. Ich spüre, wie sich etwas auf mein Haar niederlässt und unterdrücke nur mit Mühe einen Aufschrei. Die kleineren Spinnen kommen wie aus dem Nichts, ihre Beine streichen über mein Gesicht, meine Haare, meine Beine... Das Klicken ihrer Fangzähne vermischt sich irgendwann mit meinem schluchzen, ich will einfach nur noch weg. Atme Claire. Ich versuche es, aber immer wieder erschüttern neue Schluchzer meinen Körper. Ein atmen. Eine Spinne krabbelt über die nackte Haut an meinem Bein. Aus atmen. Eine weitere läuft über meine Taille. Ein atmen. Unzählige befinden sich in meinen Haaren. Aus atmen. Eine rundliche, haarige Spinne berührt meine Lippen.

Mit einem Aufschrei fahre ich aus dem Metall Stuhl hoch. Panisch schlage ich um mich, möchte einfach nur die Spinnen von meinem Körper kriegen. "Claire!!" Erics Stimme erinnert mich daran, dass alles nur eine Simulation war. Trotzdem, mein Körper zittert, ich fühle immer noch die vielen Beine auf meiner Haut, in meinen Haaren. Ich weiß, ich darf vor Eric keine Schwäche zeigen, aber ich kann es nicht unterdrücken. Ein erstickter Schluchzer entrinnt meiner Kehle. Ich presse die Hand vor meinen Mund, um nicht zu laut zu sein, beiße in meine Handfläche um mich zu beruhigen. Es hilft nichts. Die Schluchzer schütteln meinen Körper und ich sitze zusammen gesunken da. Als sich eine große, warme Hand auf meine Schulter legt, erschrecke ich zu Tode. Panisch schlage ich sie weg, springe auf und rette mich in die nächstbeste Ecke. Eric kommt auf mich zu und streckt die Hand nach mir aus. "Claire, alles ist gut. Es war nur eine Simulation" Er hat Recht, das weiß ich. Aber ich kann das Gefühl der tausenden Spinen auf mir nicht vergessen. Es geht einfach nicht. Langsam geben meine Beine nach und ich falle Richtung Erdboden. Wie in Zeitlupe nähere ich mich den kalten Fliesen, doch kurz bevor ich mit ihnen Bekanntschaft machen kann, fangen mich zwei Arme auf. Ich kann spüren, wie Eric stützend die Arme um mich legt und dann, ohne Vorwahnung, berühren meine Füße nicht mehr den Boden. Mein Kopf liegt an seiner harten Brust, ich fühle wie sich seine Muskeln unter der Haut beim Laufen bewegen. Dieser magische Moment ist jedoch nur von kurzer Dauer, denn nun setzt Eric mich wieder auf der Liege ab. Er geht um mich herum, zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich neben mich. Danach sieht er mir fest in die Augen. Verstohlen wische ich mir die letzten Tränen aus den Augenwinkeln. Irgendwie schäme ich mich nun für meinen Zusammenbruch. Schlimm genug, dass er bereits meine schlimmsten Ängste kennt, nun muss ich ihm auch noch zeigen, wie sehr sie mir zu setzen. Ich sehe auf meine Hände, in meiner rechten Hand läuft Blut hinunter. Wortlos nimmt Eric meine Hand und kramt in einem Schrank herum. Dann holt er ein Desinfiktionsspray heraus und eine Verbandsrolle. Als er das Spray aufsprüht, zucke ich zusammen und meine gesunde Hand will sich schützend auf die brennende Stelle legen. Allerdings hält seine Hand immer noch meine fest, woraufhin sich meine andere Hand ungewollt auf seine legt. Seine Augen zucken hoch und blicken mir ins Gesicht. Zögerlich ziehe ich die Hand wieder zurück und klemme sie zwischen meinen Beinen fest. Nach einer Weile ist das Brennen vergangen und Eric beginnt vorsichtig, ja beinah sanft meine Hand einzubinden. Dabei streifen seine Finger immer wieder meine empfindliche Haut und gegen meinen Willen erschaudere ich. Als meine rechte Hand fertig verbunden ist, räumt er alles wieder weg und hält meine Hand noch einen Moment fest. Er streichelt einmal kurz über mein Handgelenk. Dann lässt er Sie los. Mein Herz sackt ein wenig zusammen, wieso weiß ich selbst nicht und augenblicklich fehlt mir die Wärme, die von seiner Hand ausging. Der Raum wird von Schweigen gefüllt und niemand sagt ein Wort. Jedoch ist es keine peinliche Stille, viel mehr ist es eine angenehme. Von irgendwoher gelangt lautes Lachen zu uns, bestimmt Ferox die in der Grube wieder feiern. So wie ich vor ein paar Tagen. Der Tag, am Ende der ersten Initationsphase. Der Tag, an dem Eric mich das erste Mal küsste. Bei dem Gedanken an unseren Kuss überkommt mich eine wohlige Wärme und eine Frage brennt mir auf der Zunge. Mehrere eigentlich. Wieso hat er mich geküsst? Was hat ihm der Kuss bedeutet? Wie geht es jetzt weiter? Ich mein, wir können schließlich nicht ewig darüber schweigen. Früher oder Später werden wir darüber sprechen müssen. "Jeanine ist hier" Seine Stimme holt mich aus den Grübelein und ich sehe ihn wieder an. "Was?" Ich muss mich verhört haben. Was sollte meine Mutter bei den Ferox wollen? "Sie hat einige Geschäftliche Dinge erfüllt und will mit dir reden. Ich solle dich nach deiner Simulation zu ihr bringen." Er sieht mir in die Augen. "Vorausgesetzt du willst" Ich schlucke. Will ich meine Mutter wirklich sehen? Natürlich will ich das. Aber nach allem was passiert ist? Ich räuspere mich. "Mir ist es egal. Wenn meine Mutter mit mir reden will, soll es so sein." Er nickt und steht auf. Ich folge seinem Beispiel erhebe mich. Zwar wackeln meine Beine noch, aber ich fühle mich viel standhafter als vorher. Bloß Haltung bewahren in Angesicht meiner Mutter. Eric öffnet die Tür und sofort legen sich zwei Augenpaare auf uns. Alex und Peter. Letzterer wirft mir einen 'Alles okay?' Blick zu und ich nicke nur leicht. Dann schiebt mein Ausbilder mich weiter, hinein in die dunkeln Gänge des Hauptquartiers.
In diesem Abschnitt des Gebäudes war ich noch nie, ich schätze es sind die Anführer Abzweigungen. Unterwegs begnenen wir nur wenigen Menschen und nach und nach beginne ich zu zögern. Was sollte meine Mutter von mir wollen? Wieso war sie nicht beim Besuchertag da, wie alle anderen auch? Eric muss mein Zögern bemerkt haben, denn er legt mir seine Hand auf meinen Rücken. Jene überdeckt fast meinen kompletten Rücken, sie reicht von einem Schulterblatt zum Nächsten. Augenblicklich spanne ich mich unter seiner Berührung an und schaue ihn von der Seite an. Er blickt stur gerade aus, es scheint, als ob seine Hand sich fast automatisch auf mich gelegt hat. Irgendwann bleiben wir vor einer Tür stehen. Eric klopft an. Dann öffnet er Sie.

Unique - das erste Buch der »Unique« Reihe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt