Kapitel 42 | monsters and freaks

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In der Raststätte tritt uns der vertraute Duft von frisch gebrühtem Kaffee entgegen. Die Schlange an der Theke besteht aus allein einem älteren Mann, vermutlich einer der Fahrer der Lastkraftwagen, von denen es scheinbar auf den Straßen nachts nur so wimmelt, und nur wenige der Tische sind mit weiteren Durchreisenden besetzt. Im Hintergrund läuft ein Radiosender im angenehmen Geräuschpegel, der eine Gespräche in Zimmerlautstärke nebenher erlaubt, hin und wieder sind das Brummen der Kaffeemaschine und das Klappern von Geschirr zu hören.

Ich reiche Zayn das Kleingeld und er deutet mir mich schon mal einen Platz zu suchen, während er unsere Bestellung aufgibt, und ich lasse mich auf eine der Bankreihen am Fenster nieder. Kurze Zeit später erscheint Zayn bereits mit unserem Frühstück und nimmt auf der Bank gegenüber mir Platz.

Behutsam umfasse ich meine Tasse und nippe an dem noch heißen Tee, welcher mich von innen wärmt und weckt, und eine Gänsehaut erstreckt sich bei dem angenehm vertrauten Geschmack auf meinem Körper. Hungrig schiebe ich die Frühstücksflocken auf meinen Löffel und kann mir ein leises Stöhnen nicht verkneifen.

„Ganz vergessen, wie gut das schmeckt", murmele ich leise und schiebe eine weitere Ladung in meinen Mund. Auf Zayns Lippen bildet sich ein Lächeln, während er mich betrachtet und selbst mit der Gabel Rührei in seinen Mund befördert.

Eine Weile herrscht zwischen uns Schweigen, bevor Zayns raue, noch immer etwas verschlafen klingende Stimme ansetzt.

„Wie fühlst du dich?"

Ich schlucke schwer, murmele ein „ganz gut" und stopfe schnell einen weiteren Löffel Flocken in meinen Mund, doch Zayn hebt eine Braue und mustert mich skeptisch.

„Hast du überhaupt noch etwas schlafen können? Du siehst nicht gut aus."

Nach kurzem Zögern zucke ich bloß die Schultern, nehme einen weiteren Schluck meines Tees. Mein Blick fällt zurück zu Zayn, unter dessen Augen sich ebenfalls dunkle Schatten abzeichen und man sieht ihm den Schlafmangel deutlich an. Dennoch managt er es auf eine Weise noch immer so gut auszusehen wie wohl sonst kaum einer in einer Situation wie unserer, während ich ihm gegenübersitze wie der Tod persönlich.

„Jetzt rück schon raus mit der Sprache." Zayn sieht mich erwartungsvoll an und ich beiße mir auf die Unterlippe.

„Ich weiß auch nicht, ich...", setze ich an und blicke nachdenklich hinaus zum Fenster, während meine Hände die Tasse umfassen.

„Es ist ein seltsames Gefühl, welches sich nur schwer in Worte fassen lässt. Als ob ich nicht mehr ich selbst bin." Als er mich noch immer aufmerksam betrachtet, füge ich hinzu, „als hätte jemand versucht all die Einzelteile, in die ich zerfallen bin, in Eile wieder zusammenzukleben, und nun befindet sich keins der Stücke mehr an seiner ursprünglichen Stelle."

Sobald die Worte meine Lippen verlassen haben, senkt Zayn den Blick und ich presse die Lippen wieder aufeinander. Die nächsten Minuten herrscht zwischen uns Schweigen, welches von unseren kauenden Mündern und dem klirrenden Geschirr begleitet wird, und ich nippe ein weiteres Mal an meiner Tasse und spitze unbewusst die Ohren, als die Stimme des Radiosprechers in mein Bewusstsein dringt.

„...Großbrand eines Zirkus am Rande der Kleinstadt Sherborne hielt-"

Bevor ich den Satz zu Ende hören kann, zieht Zayn meine Aufmerksamkeit auf sich, indem er sich aufrichtet und mir kühl mitteilt, dass er die Toiletten aufsuchen wird. Mein Blick folgt ihm noch bis zur Theke, wo die Finger der älteren Verkäuferin ihm in Richtung des Eingangs deuten, was vermutlich bedeutet, dass die WCs sich wie bei so vielen kleineren Raststätten in einem kleinen Anbau befinden, bis er aus meinem Sichtfeld verschwindet.

captured | ✓Where stories live. Discover now