Love me harder

61.

Violetta

"León, welch Überraschung dich hier anzutreffen!", Claire Johnson's Stimme erklingt plötzlich vollkommen unerwartet, wobei León und ich erschrocken zusammenzucken. Misstrauisch beobachte ich, wie sie höchst graziös auf meinen Freund zustolziert und sich ihm an den Hals wirft. "Verschwinde, Claire", zischt dieser wütend durch die Zähne und stößt die schöne Blondine von sich weg. Woher kennen sich die beiden? "Ach, sieh mal einer an, Violetta Castillo! So sieht man sich wieder." In einer übertrieben freundschaftlichen Geste drückt sie mir zwei Küsse auf die Wangen. Einen links, den anderen rechts. Ich bin viel zu geflasht um auch nur auf irgendeine Weise reagieren zu können. "Was soll das Theater?", fragt León feindselig und legt mir unauffällig die Hand auf den Rücken, was mir wohl etwas in Richtung 'Mach dir keine Sorgen' signalisieren soll. Leider ist der Gegenteil der Fall. Von Sekunde zu Sekunde werde ich nervöser. Sie legt den Kopf in den Nacken und lacht perlend auf: "Hab dich nicht so, León. Das kauft dir niemand ab." Ich drehe mein Gesicht zu meinem Freund und mustere ihn gespielt ruhig: "Wer ist sie für dich?" Nach einer kurzen Weile des Schweigens möchte er gerade das Wort ergreifen, doch Claire kommt ihm zuvor. "Du hast es ihr nicht erzählt?", theatralisch hält sie sich die Hand vor den Mund. Ich weiß nicht was ich denken soll... Die gesamte Situation erscheint mir alles andere als logisch, geschweige denn gut. Ob genau diese Frau, der Grund für Leóns Veränderung in der letzten Zeit ist? Gott bewahre... "Was hast du mir nicht erzählt?", ein kleiner Anflug von Panik ist in meiner Stimme zu hören. Allmählich wird unsere kleine Szene von den meisten anwesenden Gästen -unter anderem Ludmila und Federico- fasziniert beobachtet. Vor allem die Fotografen und Journalisten prügeln sich praktisch um einen Platz in Hörweite. Doch das ist mir vollkommen egal. Das einzige was ich erfahren möchte ist: wer diese Frau für León ist, beziehungsweise war und ob das Ganze etwas mit mir zu tun hat. "Es gibt nichts zu erzählen", antwortet er ohne mich dabei anzusehen. Ich habe ein verdammt schlechtes Gefühl. "Du verleumdest mich?", wütend funkelt sie ihn an. Anschließend wendet sie sich an mich: "Er hat dir wirklich nicht erzählt, dass wir viele Jahre lang zusammen waren und sogar heiraten wollten?" Meine Kehle schnürt sich zusammen. Die beiden waren Paar? Und wollten heiraten? "Wir waren so verliebt", ihre Augen füllen sich mit dichten Tränen. "Und dann habe ich alles kaputt gemacht." Ich weiß dass es Show ist. Ich spüre, dass sie lediglich mit ihren grandiosen Schauspielkünsten angibt. Ehrlich gesagt hoffe ich inständig, dass sich ihr kleiner Auftritt als PR-Gag erweist. Falls nämlich nicht, dann... "Was ist da dran, Mr. Vargas?", ruft eine mutige Journalistin und mustert meinen Freund prüfend. Ich tue es ihr nach und falle vor Schreck beinahe in Ohnmacht. León ist komplett blass, seine Miene undurchdringlich, sein Kiefer angespannt. Ich kenne ihn lange genug, um zu wissen, dass er vollkommen neben der Spur ist. Dass er innerlich praktisch stirbt. Durch seine aufrechte Haltung und seinen steinernen Gesichtsausdruck möchte er all das einfach nur verbergen. Mir ist kotzübel. Er räuspert sich hörbar und verkündet: "Sie sagt die Wahrheit."

Geschockt öffne ich den Mund in dem Vorhaben  irgendetwas zu sagen, doch es kommt nichts dabei raus. Ich bin zu verstört um auch nur einen Laut von mir zu geben. "Das war lange her...", rechtfertigt León sich sofort, um mich nicht zu beunruhigen. Claire lacht erneut: "Klar, war es lange her aber solch eine Beziehung vergisst man nicht! Wie nanntest du mich nochmal? 'Die Liebe deines Lebens'. Ich frage mich, ob du ihr dieselben Versprechungen machst, wie mir damals." Oh Gott. Tief durchatmen, Violetta. Tief durchatmen. Ich blicke in die Menschenmenge, die sich in unserer Ecke angesammelt hat und finde Ludmila an Federicos Seite, wie sie verständnislos, aber vor allem erschrocken zu uns sieht. Am liebsten würde ich mich einfach in Luft auflösen. "Darf ich dich daran erinnern, dass du an unserer Trennung Schuld warst?", wütend hebt León die Stimme. Er hatte sich also nicht freiwillig von ihr getrennt. Sie musste einen Fehler gemacht haben, der die Beziehung der beiden in Fetzen riss. Somit besteht die Möglichkeit, dass sie sich immer noch lieben. Dass er sie immer noch liebt. Mein Magen dreht sich um. "Aber ich bin wieder zur Vernunft gekommen und möchte einen Neuanfang wagen!", kontert sie mit glitzernden Augen und macht Anstalten León zu umarmen. Ich halte das keine Sekunde länger aus. Zu meiner Überraschung faucht er sie erbost an: "Hör zu, Claire. Das zwischen uns ist Geschichte. Ich bin nun mit Violetta zusammen, ob du nun willst oder nicht." Das hat zweifellos gesessen. Claire sieht aus, als wäre sie aus dem Konzept gebracht worden. Ich muss zugeben, dass mich dieser Fakt unglaublich zufrieden stellt. "Seit wann gibst du dich mit solchem Abschaum ab? Du bist León Vargas und hast es nicht nötig, dich mit solch reizlosen Frauen abzugeben!", sie lächelt triumphierend und hebt arrogant eine Augenbraue. Ich schaffe es nicht sie mithilfe meines sonst so losen Mundwerks zum Schweigen zu bringen, denn sie hat Recht: Es gibt nichts, womit ich mit ihr und unzähligen anderen Frauen konkurrieren könnte. Ich fühle mich wie der letzte Dreck - und nicht einmal mein zauberhaftes Ballkleid kann etwas daran ändern. Ich sollte endlich gehen, und... Meine Gedankengänge werden von einem spitzen Aufschrei unterbrochen. Ich erblicke Ludmila, die sich theatralisch die Hand vor den Mund hält und eine Entschuldigung stammelt: "Das tut mir so wahnsinnig leid! Ich habe Sie zu spät bemerkt... Oh, ich bin so ein Tollpatsch!" Lu hatte reichlich roten Wein auf Claires hellblauen Chanel Kleid verschüttet. Und ich liebe sie dafür. Ich nutze das auftretende Chaos und nehme die Beine in die Hand. Ich renne an etlichen Fotografen und Journalisten vorbei, lasse alles hinter mir und achte überhaupt nicht darauf, dass meine Füße höllisch schmerzen. Bevor ich durch die offene Eingangstür nach draußen rasen kann, vernehme ich Leóns Stimme. "Warte Violetta!" Verdammt, er ist mir gefolgt. Langsam, und voller Tränen in den Augen drehe ich mich zu ihm um. Und da steht er - unschlüssig, ängstlich und alles andere als gelassen da und versucht aus meiner Reaktion Schlüsse zu ziehen. "Wo willst du hin?", fragt er leise. "Fick dich, Vargas", gebe ich voller Abscheu zurück und entferne mich eilig.

Spät nach Mitternacht komme ich Zuhause an. Ich ziehe meine High Heels aus und werfe sie unachtsam in irgendeine Ecke des Flurs. Ich bin so verheult, dass es mir schwer fällt überhaupt klar zu sehen. Als es an der Tür klingelt, gehe ich automatisch davon aus, Ludmila wäre mir nachgekommen. Doch so ist es nicht - León steht komplett außer sich davor. "Können wir reden?", fragt er vorsichtig und lugt misstrauisch in die Wohnung. Nein, ich habe dich nicht innerhalb dieser halben Stunde betrogen! Wortlos halte ich ihm die Tür auf und warte, bis er eingetreten ist. Ich bin gespannt auf seine Erklärungen.

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Hahaha L. ist vernünftig und folgt unserer süßen V. Aber ob er das alles wieder in Ordnung bringen kann?