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Violetta

"Guten Abend Miss Castillo", begrüßt er mich mit einem amüsierten Gesichtsausdruck. Ich weiß gar nicht was ich erwidern soll. Er hat mich komplett überrumpelt. "Willst du mir nicht antworten?", fragt er gespielt überrascht, mit einem selbstsicheren Lächeln auf den Lippen.

 "Was machen Sie hier?", frage ich tonlos. 

"Ich habe gehört, dass irgendeine Ludmila Ferro vierundzwanzig wird und wollte vorbeikommen um ihr zu gratulieren." 

Ich glaube ihm kein Wort. 

Plötzlich stolpert Ludmila zu uns tippt León auf die Schulter. Als er sich zu ihr umdreht, lallt sie ihm ein unhöfliches "Was willst du hier?" entgegen. 

Im nächsten Moment drückt er ihr eine kleine Geschenktüte mit dem Chanel Logo in die Hand und gratuliert ihr herzlich. Ohne sich auch nur für seine Bemühungen zu bedanken, entfernt sie sich schnell - mitsamt der Tüte. León scheint dies rein gar nicht am Ego zu kratzen, im Gegenteil, er lächelt nun noch breiter. 

Als er einen weiteren Schritt auf mich zu wagt, presse ich meinen Körper noch fester gegen das Metallgeländer in meinem Rücken. Ich halte bereits Ausschau nach einem möglichen Fluchtweg, doch ich finde ihn nicht. 

Willst du wirklich fliehen, du naive Idiotin?!, spottet mein Unterbewusstsein schnippisch. Nein, ehrlich gesagt habe ich nicht vor, mich nur einen einzigen Schritt von ihm zu entfernen. 

"Wieso?", fragt er leise. 

"Wieso was?", gebe ich zurück. Was geht bloß in ihm vor? 

"Mich würde brennend interessieren, weshalb du dich mir so derartig entziehst. Ich sehe doch wie wahnsinnig ich dich mache." Seine Stimme klingt hundertprozentig glaubwürdig. Was für eine selbstgefällige Bemerkung...aber ehrlich gesagt hat er recht. Seine alleinige Anwesenheit bringt mich komplett um den Verstand, geschweige denn sein Parfüm oder sein makelloses Aussehen. 

"Du siehst umwerfend aus", sagt er mit seiner tiefen Stimme, woraufhin ich erröte und den Kopf senke. Weshalb wirkt er so auf mich? Warum kann ich nichts dagegen ausrichten? 

Plötzlich, und ohne irgendeine Art von Vorwarnung, nimmt er mein Kinn zwischen seinen Daumen und Zeigefinger, und hebt es vorsichtig an, sodass ich gezwungen bin, ihm in die Augen zu sehen. Mein Blick fällt auf seine wundervollen, weichen Lippen und ich schlucke. Ich muss mich unglaublich anstrengen, um die Atmung nicht zu unterbrechen. Vollkommen schockiert realisiere ich worauf all das hier hinausläuft. 

Er wird mich küssen! Mich. 

Mein Herz hämmert gegen meinen Brustkorb, während seine Lippen den meinen von Sekunde zu Sekunde näher kommen. Bitte lass es nicht nur eine meiner Fantasien sein, flehe ich stumm. Doch dieses Mal träume ich nicht. Es ist tatsächlich die Realität. Diese Sicherheit erlange ich erst, als ich seinen Mund auf meinem spüre. Ohne weiter über alles nachzudenken und weiter zu analysieren, erwidere ich den Kuss. 

Schon kurze Zeit später übernimmt er endgültig die Führung und küsst mich ungestüm und immer leidenschaftlicher. Das ist ja nicht zum Aushalten, denke ich vollkommen benebelt. Wie himmlisch er küsst ist nicht mit Worten zu beschreiben. 

Er hatte auch schon viel Übung, keift meine innere Stimme, der ich zur Abwechslung mal keine Beachtung schenke. 

Es zählen momentan nur er und ich. 

"Du bist der Wahnsinn", verkündet er zwischendurch außer Atem und setzt seine Tätigkeit unbeirrt fort. Ich spüre wie er seinen Arm um mich legt, womit er mich näher an sich heranzieht. Ich fühle sein hämmerndes Herz und frage mich unwillkürlich, ob er gerade dasselbe fühlt, wie ich. 

Sicherlich nicht... 

Ich nehme mir vor, diese deprimierenden Gedanken wenigstens jetzt zu verdrängen und konzentriere mich stärker auf den wunderschönen Kuss. Er scheint so endlos und perfekt und...

"Sucht euch gefälligst ein Zimmer!", höre ich plötzlich und öffne erschrocken meine Augen. León und ich lösen uns abrupt voneinander. Er fängt sich jedoch viel schneller als ich und mustert Brodway abschätzend. 

"Brodway." Der amüsierte Mann mit den portugiesischen Wurzeln streckt Mr. Vargas seine Hand entgegen, die dieser nach kurzem Zögern ergreift. 

"León Vargas", erwidert er höflich wie immer. Wie konnte er sich so schnell beruhigen? Ich würde mich am liebsten irgendwo setzen um kurz zu Verschnaufen, doch er ist lebendiger denn je. Deprimierend. "Sie sind also Miss Castillo's Ex - Partner?", fragt León mit einem Seitenblick zu mir. Nun nehmen meine Wangen erneut die Farbe meines Kleides an. Das war pure Absicht...

"Nicht das ich wüsste", erwidert Bro mit gerunzelter Stirn und mustert mich fragend. 

Glücklicherweise gesellt sich Camila zu uns und lächelt freundlich in die Runde. "Hallo León", begrüßt sie ihn freundlich. 

"Guten Abend Camila", erwidert er ruhig. Zum Teufel, wie höflich kann man überhaupt sein? 

"Komm Brodway, wir sollten die beiden ein bisschen alleine lassen", sagt Camila, während sie den Arm ihres Freundes ergreift und ihn süß anlächelt. Wahrscheinlich um ihn dazu zu bringen, nochmals mit ihr zu tanzen. Brodway steht nicht auf diese typischen Pärchentänze, er mag die Art von Tanz, in der man auf sich allein gestellt ist und nicht zusätzlich auf den Partner achten muss. 

Resigniert verdreht er die Augen: "Na gut." 

Froh über den Sieg zieht Cami ihn wieder zurück auf die Tanzfläche. 

"Wollen Sie auch?", fragt León kurz nachdem die beiden verschwunden sind. 

"Wie? Sie meinen tanzen?", frage ich ungläubig. 

"Genau das", bestätigt er und streckt mir seine Hand entgegen. V

erdattert blicke ich erst seine geöffnete Hand und dann ihn selbst an. "Ich kann aber nicht, weil ich...", beginne ich, doch er unterbricht mich lächelnd: "Keine Widerrede." 

Letztlich lege ich meine Hand in die seine und lasse mich von ihm zur überfüllten Tanzfläche lotsen. Ich weiß rein gar nicht, wie ich mich verhalten soll. 

Er legt einen Arm um meine Hüfte und beginnt sich langsam zu bewegen. Zunächst sehe ich ihm nur unsicher in seine Augen, doch schon nach nicht allzu langer Zeit beschließe ich, seinen eleganten Bewegungen zu folgen. Er tanzt einfach unglaublich gut. 

Was kann er denn eigentlich nicht?, stelle ich mir die Gegenfrage, auf die ich keine Antwort kenne. Mein Abschlussball ist bereits ein paar Jährchen her und die dort gelernten Tanzschritte liegen mir nicht mehr, doch mit ihm ist alles so einfach. 

"Worüber denkst du so intensiv nach?", fragt er plötzlich mit lauter Stimme um die dröhnende Musik zu übertönen. Die ständigen Wechsel zwischen dem 'Sie' und 'Du' verwirren mich ehrlich gesagt ein wenig. 

"Ich frage mich, woher Sie so gut tanzen können", antworte ich lächelnd. 

Ich hätte mir niemals erträumen können, León Vargas irgendwann einmal so nahe zu kommen. Es ist so unwirklich.

Love me harderWhere stories live. Discover now