41.

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Violetta

Beschwingten Schrittes überquere ich die Lobby meines Blocks und trete auf den Gehsteig. Kühler Wind, gemischt mit einzelnen Regentropfen, bläst mir ins Gesicht. Ich sehe mich um und registriere, dass Leóns Audi noch nirgendwo zu sehen ist. Er wollte Ludmila und mich zum vereinbarten Treffpunkt und ihrem Blind Date bringen, auf das sie sich schweren Herzens schlussendlich eingelassen hatte. Zugegebenermaßen bin ich wahrscheinlich noch viel gespannter als sie selbst. Wenn es ein Freund von León ist, muss er reich sein. Oder gut aussehend. Vielleicht auch beides. Ein lautes Hupen reißt mich aus den Gedanken. Ein breites Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, als ich den altbekannten Wagen am Straßenrand erblicke. "Steig ein, Baby!", ruft er mir gut gelaunt aus dem geöffneten Fenster zu. Ich gehorche und lasse mich wie gewohnt auf den Beifahrersitz fallen. Er schließt die Fensterscheibe und sieht mich fragend an: "Wo ist Ludmila?" "Sie hat sich entschlossen unsere Kontakte auf das Minimum zu beschränken und lässt sich von Diego fahren", erkläre ich seufzend und lege meine Handtasche zu meinen Füßen. "Lu ist immer noch verdammt wütend und bezeichnet mich als Erpresserin." Er lacht leise auf: "Wenn sie meinen Kandidaten erstmal sieht, vergisst sie alles andere. Don't worry". Mit diesen Worten startet er den Motor und fädelt das Auto gekonnt in den dichten Verkehr. "Weiß sie überhaupt wo sie hin muss?", frage ich nach einer Weile. Er nickt mir kurz zu, bevor er sich wieder auf die Straße konzentriert. "Ich habe ihr die Adresse und den Namen des Lokals per E-Mail geschickt." Nun ist auch meine Neugier geweckt. "Wo treffen wir uns? In irgendeinem deiner Restaurants?" Er schüttelt belustigt den Kopf. "Es ist zu spät zum Abendessen. Wir fahren in einen meiner Clubs, im Westen der Stadt. Ruhige, sehr romantische Atmosphäre, für Pärchen besonders gut geeignet", er zwinkert mir vielsagend zu. Verständnislos mustere ich ihn von der Seite.

"Weshalb legst du dich so für Ludmila ins Zeug?", frage ich ein klein wenig eifersüchtig.

"Weil du mich darum gebeten hast."

"Oh."

"Ja, oh. Was denkst du denn?"

Peinlich berührt wende ich meinen Blick von ihm ab und tue so, als würde mich der Wald, den wir gerade passieren, brennend interessieren. Er tut das alles wirklich nur für mich. Mit Ludmila kam er schließlich nie allzu gut aus. Und ich Idiotin komme wieder auf die Idee, er würde sich allein um Lus Willen so ins Zeug legen. Um die unschöne Stille zwischen uns zu zerstören, dreht er die Musikanlage auf, aus der lautstark Can't feel my face dringt. Ich kann mir nicht erklären, wie er es schafft, immer meinen Geschmack zu treffen. Sei es nun in der Musik oder etwas anderem. "Habe ich schon erwähnt, wie wunderschön du heute wieder aussiehst?", fragt er in dieser wundervoll tiefen, sexy Tonlage. Ich erröte vor Verlegenheit und blicke an mir herunter. Ich habe mich ganz bewusst für das violette Kleid entschieden, da ich weiß, wie sehr es ihm gefällt. Trotzdem komme ich mit Komplimenten einfach nicht klar. "Danke", presse ich kleinlaut hervor und würde mich am liebsten im Sitz zusammenkauern. Er seufzt: "Hör endlich auf dich zu bedanken." Auf diesen Kommentar gebe ich keine Antwort. Stattdessen lehne ich mich zurück und blicke aus dem Fenster. Der Himmel verfärbt sich allmählich, was mit dem langsamen Untergang der Sonne zusammenhängt. Ich weiß zwar nicht wie dieser Abend für Ludmila enden wird, doch für mich wird er wie immer einzigartig. Wie könnte es auch anders sein, wenn man einen Mann wie León an seiner Seite hat?

"Violetta", ich vernehme Leóns wunderbar tiefe Stimme, die mich aus dem Halbschlaf ruft. Wie konnte ich überhaupt einnicken?! "Du sahst so süß aus...ich konnte dich einfach nicht wecken", erklärt er mit einem schuldbewussten Grinsen im Gesicht. Er zieht den Autoschlüssel heraus und steigt energisch aus dem Wagen. In ein paar Sekunden ist er bereits bei mir, öffnet die Tür und streckt mir seine Hand entgegen, die ich nach einigen Sekunden der Verwirrung ergreife. "Komm, Kleine. Genug geschlafen, nun wirst du Federico kennenlernen." Er umfasst sanft meinen Ellenbogen und lotst mich zum Eingang seines Clubs. Allmählich werde ich wach. Der Name Hollywood prangt in großen, leuchtenden Buchstaben über dem Eingang des Gebudes. Wie kreativ..., geht es mir durch den Kopf. "Das ist also ein weiterer Vargas-Schuppen?", frage ich amüsiert und lasse meinen Blick zu León schweifen, der mich einen Moment lang mit hochgezogenen Augenbrauen mustert. "Vargas Schuppen?", wiederholt er ungläubig und belustigt zugleich. "Nun, als Schuppen würde ich einen der besten Clubs in ganz L.A. zwar nicht bezeichnen, aber ja, das ist ein weiterer Vargas-Schuppen". "León!", ein groß gewachsener Mann mit Dreadlocks ruft meinen Freund mit einer Handbewegung zu sich. Auf Leóns Gesicht bildet sich ein breites Lächeln. Er drückt mir einen kurzen Kuss auf die Wange: "Bin gleich wieder da", versichert er und lässt mich vor dem Club stehen. Interessiert beobachte ich, wie sich die beiden Männer begrüßen. Offenbar kennen sie sich gut. Ob ich jemals ein richtiger Teil seines Lebens werde? "Guten Abend, Miss. Kann ich Sie auf einen Drink einladen?", überrascht fahre ich herum und blicke in das Gesicht eines, mir unbekannten, Mannes, der mich arrogant ansieht. Er wirkt jetzt schon unsympathisch auf mich. "Hmm, eigentlich..." "Oh, entschuldigen Sie. Ich habe mich gar nicht vorgestellt. Ich heiße Michael." Ihm scheint gar nicht aufzufallen, dass er mich unterbrochen hat. Als ich ein zweites Mal versuchen möchte, ihm begreiflich zu machen, dass er sich keine Hoffnungen machen sollte, redet er unberührt weiter. "Was macht eine so attraktive Frau wie Sie um diese Uhrzeit alleine im gefährlichen Los Angeles?", er lacht lauthals über seinen eigenen Witz, der wohl so etwas wie ein Gag sein sollte. Wie beschränkt manche Typen sind ist unbegreiflich. "Ich..." "Ich bin auch alleine hier und könnte sie bei Bedarf beschützen...", das Lächeln, das um seine Mundwinkel spielt, zeugt von seinen wahren Absichten. Im Bett würde er mich sicherlich sehr gerne beschützen...was für ein dreckiger Mistkerl. Innerlich würde ich mich am liebsten übergeben. Wo bleibt León? "Na, wäre das etwas? Da sie keine Begleitung haben...", versucht der Mann weiterhin bei mir zu landen. Die Sache wird mir langsam etwas unheimlich...

Ich spüre ihn bevor ich ihn sehe. Demonstrativ legt er seinen Arm um meine Taille und zieht mich an sich heran. "Sie irren sich gewaltig. Die Miss hat nämlich bereits eine Begleitung." Dankbar für seine Intervention lege ich meine Hand auf seinen muskulösen Arm. "Und nun sollten Sie verschwinden, bevor meine Geduld am Ende ist", fügt León gefährlich leise hinzu. Der Typ sieht ihn herablassend an und tritt den Rückzug an. "Danke", flüstere ich erleichtert in seine Richtung. Er zieht mich so zu sich heran, dass ich ihm gegenüberstehe und praktisch in seinen Armen liege. "Alles okay?", fragt er, während er mir intensiv in die Augen sieht. Ich erwidere seinen durchdringenden Blick und nicke zustimmend. "Es ist ja nichts passiert. Er war nur etwas unheimlich." "Ich schwöre dir, hätte der Typ eine seiner dreckigen Hände auf dich gelegt...", er klingt so wütend und besorgt, dass ich eine leichte Gänsehaut bekomme. Er ist so unfassbar süß... "Es ist nichts geschehen, León." Er nickt mit geschlossenen Augen und umschließt meinen Körper mit seinen starken Armen. In dieser Umarmung könnte ich Ewigkeiten verweilen. Ich wusste gar nicht, dass er so sensibel ist...aber es gefällt mir. Harte Schale, weicher Kern. Dieses Sprichwort trifft genaustens auf ihn zu. "Okay...wir sollten dann mal. Federico und Naty sind sicherlich schon da und Ludmila...kommt soweiso zu spät." Mein Herz bleibt einen Moment lang stehen, während ich León entgeistert ansehe. Ich habe total vergessen, dass ich heute auch seine Schwester kennenlernen werde!

Love me harderWhere stories live. Discover now