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Violetta

"Aufstehen!", ruft Ludmila mich aus dem Schlaf. 

Verwirrt öffne ich meine Augen und murmele eine unverständliche Standpauke an meine Freundin, die mich so unverschämt aus dem Reich der Träume reißt. Wie kann sie so früh schon so aufgeweckt sein? 

"WAS IST DENN LOS?", frage ich wütend. 

"Eine Frau aus der Modebranche hat eben angerufen. Sie möchte eines deiner Werke sehen", erklärt sie lächelnd. 

Schon bin ich hellwach. 

"Was? Wie? Wann?", frage ich erschrocken und stehe sogleich auf. 

"In zwei Stunden in der Mai Street. Ist nicht so weit weg von hier", erklärt Lu sachlich. 

Ich mache ein nachdenkliches Gesicht: "Okay, dann gehe ich am besten zu Fuß. Um den Kopf ein bisschen frei zu kriegen." 

Ich mache mich auf die Suche nach einem geeigneten Teil, das ich der Frau würde zeigen können. 

Ludmila sieht mir amüsiert zu, während ich schon fast verzweifle. 

Womit könnte ich sie denn überzeugen? 

Meine Freundin meldet sich letztendlich zu Wort: "Ich wäre dafür, dass du das rote Ballkleid nimmst. Es ist so wunderschön..."

Ich schüttle den Kopf: "Nein, keinesfalls. Es ist noch nicht ganz fertig. Ich muss noch ein wenig daran arbeiten..." 

Ich hebe es hoch und bemerke Ludmilas bewundernden "Haben Will" - Blick, den sie nur aufsetzt, wenn sie wirklich von etwas begeistert ist. Na ja, ich weiß nicht... 

"Bitte, nimm es. Vertrau mir, die Tussi wird umkippen, wenn sie solch ein Meisterstück sieht."

Skeptisch betrachte ich das rote Stück Stoff und beiße mir auf die Unterlippe. Das ist wahrscheinlich meine einzige Chance, um ins Business zu kommen, da kann ich nicht irgendwas präsentieren... Aber andererseits werde ich auf die Schnelle nicht Besseres auftreiben können. 

"Okay, ich nehme es. Aber nur weil nichts Plausibleres infrage kommt", gebe ich mich geschlagen. 

Die Blondine klatscht zufrieden in die Hände und nimmt es mir kurzerhand ab. "Das verpacken wir jetzt erst mal in eine hübsche Tüte. Dann kann gar nichts mehr schief gehen." 

Mein Herz hämmert vor Angst aber auch vor Freude. Ich bekomme nun die Chance, auf die ich mein Leben lang gewartet habe.

-

Anderthalb Stunden später verlasse ich unsere Wohnung und trete auf die Straße. Der Himmel ist stark bewölkt. Es sieht sehr nach Regen aus. 

Shit, wieso habe ich bloß keinen Schirm mitgenommen? 

Ich beschleunige meine Schritte, um es noch vor dem Ausbruch des Gewitters zur Mai Street zu schaffen, doch erfolglos. Schon nach 10 Minuten fängt der Regen an, erbarmungslos vom Himmel zu fallen. 

Ich knöpfe meine Jeansjacke zu und presse die Tüte mit dem Kleid gegen mich, um zu verhindern dass es nass wird. Unter einem gewaltigen Baum bleibe ich stehen, mit dem Vorhaben, das Schlimmste dort abzuwarten. 

Ich lausche dem steten Rhythmus der fallenden Regentropfen, die auf den Blättern des Baums zerbersten. 

Plötzlich werden meine Gedanken, die um das Treffen in schon 15 Minuten kreisen, von einem wunderschönen und wahrscheinlich sündhaft teuren Audi unterbrochen. 

Love me harderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt