20.

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Violetta

Der warme, aber angenehm kühlende Wind bläst mir angenehm ins Gesicht. Ich strecke es genüsslich der Sonne entgegen und atme die erfrischende Meeresluft tief ein. Der Geruch ist so unvergleichlich wundervoll. Ich liege gemütlich auf einer Luxusliege und nippe immer wieder an meinem Glas Cola, das León mir vor ein paar Sekunden angeboten hatte. 

"Da du nicht wirklich auf Alkohol stehst", waren seine Worte. 

Ich bin gerührt von seinem Willen mir alles Recht zu machen. Eigentlich wäre es meiner Meinung nach nicht unbedingt notwendig, doch er lässt nicht locker, da er erwartet, dass ich mich in seiner Gesellschaft wohlfühle. Ich frage mich weiterhin, was Ludmila ihm verraten hatte. 

Natürlich glaube ich niemals, dass sie ihm die ganze Wahrheit ohne meine ausdrückliche Einverständnis gestand, doch aus irgendeinem Grund habe ich Angst davor, dass er mich nun wie etwas unfassbar Zerbrechliches behandeln würde. Mitleid ist nämlich das allerletzte was ich von meinem Gegenüber erhalten möchte. Die Geschichte mit Christopher ist abgeschlossen. Auch wenn sie immer noch an mir und meinem Körper nagt. Zum Beispiel mein Fluchtinstinkt, wenn irgendein Mann meinen persönlichen Sicherheitsabstand übertritt. León ist sowieso der erste Mann, der es überhaupt zustande bringt mich küssen, ohne dass ich panisch verschwinde. 

Ich lasse meinen Blick über seinen nackten Oberkörper wandern. Vor ein paar Minuten hat er sein weißes T-Shirt ganz lässig über den Kopf gezogen, während ich mir Sorgen um meine Gesundheit machte. Was der Anblick seines muskulösen Körpers mit mir anstellt, ist sicherlich nicht mehr normal. Oder geht es jeder Frau so, die ihn auf diese Weise erleben darf? 

"Dir gefällt was du siehst, hm?", reißt er mich plötzlich aus meinen gierigen Gedanken. Ehrlich gesagt war ich der festen Überzeugung, dass er in der warmen Sonne schläft, da er seine Augen geschlossen hält und bequem auf der Liege neben mir verweilt. 

"Ich würde dich anlügen, wenn ich das bestreiten würde", erwidere ich wahrheitsgemäß und gähne leise. Ich fühle mich wortwörtlich wie im Paradies. Louis kursiert schon seit einer ganzen Stunde über den See und es wird mir in gar keiner Hinsicht langweilig. "Ich liebe diesen Trip", ich wende mich dankbar an León, der sich nun eine Sonnenbrille aufgesetzt hat. "Dankeschön", füge ich daraufhin hinzu. 

"Hör auf, dich zu bedanken", seufzt er auf. "Das ist doch selbstverständlich. Gewöhne dich an all das". 

Selbstverständlich? Für ihn: ja, doch für mich: überhaupt nicht. Doch erst beim zweiten Satz fühle ich mich besonders angesprochen. 》Gewöhne dich daran《 Was bedeutet das? Dass er sich eine geteilte Zukunft vorstellt? Dass er nicht dem Ende dieser Beziehung entgegen sieht? Es klingt sehr viel versprechend. 

"León? Kann ich dich etwas fragen?" 

Sofort genieße ich seine hundert prozentige Aufmerksamkeit. "Was auch immer du willst", antwortet er ehrlich. Oh Gott, ist er süß... 

"Mit wie vielen Frauen warst du schon im Bett?", die Frage verlässt so unerwartet und unkontrolliert meine Lippen, dass ich mir am liebsten auf die Zunge beißen würde. Das ist doch viel zu direkt...ich hätte es ein wenig aufhübschen sollen... 

"Ganz ehrlich?", konzentriert blickt er mich an. Trotz Sonnenbrille spüre ich, dass er mich im Visier behält. "Ich habe den Überblick verloren. Es waren einfach zu viele", zu meiner Überraschung wirkt er geknickt oder so etwas in die Richtung. Krass. 

"Und wie stellst du dir das zwischen uns vor?", meine Stimme klingt genauso wie ich mich fühle. Hilflos, ängstlich und verunsichert. 

Er setzt die Brille ab und mustert mich durchdringend. 

"Wie du weißt, bin ich nicht so leicht ins Bett zu kriegen...zusätzlich bin ich nicht in der Lage dir zu erzählen wieso das so ist...", ich breche ab um seine Reaktion einzuschätzen. Wird er mich fallen lassen, wenn ich ihm nicht das gebe, was er verlangt? 

Er schüttelt demonstrativ den Kopf, als hätte er meine Gedanken gelesen. "Hör zu Violetta. Dir müsste längst aufgefallen sein, dass du mir mehr bedeutest als eine Affäre." 

In diesem Punkt kann ich ihm zustimmen. Ich sehe ja, wie sehr er sich bemüht. 

"Ich werde warten, bis du bereit bist, mir zu erzählen, was für ein Ereignis aus deiner Vergangenheit dich derartig bedrückt. Mach dir keine Sorgen. Auf dich würde ich mein ganzes Leben warten...", er fährt sich nervös durch die verwuschelten Haare und räuspert sich. 

Ich sauge scharf die Luft ein. Gott im Himmel...wie romantisch kann er denn noch werden? Tränen treten in meine Augen. Freudentränen. 

"Hab ich etwas Falsches gesagt?", fragt er perplex und etwas besorgt. "Nein", widerspreche ich sofort. 

"Das war wunderschön". 

Im ersten Moment scheint er ansatzweise beschämt, doch schon im nächsten tritt ein siegessicheres Lächeln auf sein schönes Gesicht. Sein Blick fällt auf mein leeres Glas. "Möchtest du noch etwas Cola?", bietet er höflich an. 

Ich wundere mich immer noch darüber, dass es hier keine Angestellte gibt, die für das Catering zuständig ist. 

"Gerne", antworte ich und reiche ihm zufrieden mein Glas. Er nimmt es mir aus der Hand und verschwindet aus meinem Sichtfeld.

"Erzähl mir mal etwas über dich", schlage ich einige Minuten später vor und nehme einen Schluck der eisigen Cola. Einfach köstlich... 

"Was möchtest du denn wissen?", fragt er zurück und schiebt seinen Liegestuhl näher an meinen heran. 

"Einfach alles", ich lächle mein zuckersüßes Lächeln um ihm ein paar Worte zu entlocken. Ich möchte so gerne etwas über seine Vergangenheit erfahren. Auch wenn das Risiko besteht, dass er als Gegenleistung etwas mehr von mir wissen möchte. 

"Womit fange ich da bloß an?", er sieht mich wirklich planlos an. Also beschließe ich, ihm einen Antrieb zu verschaffen. 

"Du könntest mir etwas über dich und Natalia erzählen". 

Sogleich glänzen seine Augen mit dem See um die Wette. Scheinbar sind er und seine Schwester ein eingespieltes Team. "Naty und ich sind in New York aufgewachsen. Sie ist ungefähr 3 Jahre jünger als ich. Nun ja, als Mom sie geboren hat, habe ich sie gehasst. Mehr als alles andere in der Welt. Plötzlich drehte sich die Welt nur noch um ihr süßes, kleines Gesicht, umrahmt von den wunderhübschen Löckchen", aufgrund seines Tonfalls muss ich lachen. Er klingt genauso wie ich immer klang, als meine Mutter mir den Fernseher nicht einschalten wollte... 

"Los weiter", dränge ich wissbegierig. León verdreht die Augen und fährt fort.

Love me harderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt