Kapitel 24

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00:05 Uhr

Am liebsten hätte Sean Ruiz eine reingehauen. Ruiz hatte es wirklich gewagt, mitten in der Nacht zu ihrem gemeinsamen Haus zu kommen und seiner Verlobten seine Liebe zu gestehen. Und dann hatte er nicht einmal den Anstand gehabt zu gehen, als Vic ihn darum gebeten hatte. All das machte Sean wahnsinnig wütend. Vic hatte es nicht verdient, sich mit sowas rumschlagen zu müssen. Sie hatte im Moment genug um die Ohren. Wahrscheinlich hatte er deswegen angeboten, Ruiz nach Hause zu bringen. Aber vielleicht lag es auch daran, dass Sean ihn gewissermaßen verstand. Er hatte nicht das recht dazu, jemanden dafür zu verurteilen, wie er sich verhielt, wenn er betrunken war. Er selbst hatte oft genug dumme Sachen getan, wenn er betrunken gewesen war. Er war nur froh, dass er da irgendwie rausgekommen war.

"Warum bist du so nett zu mir?", lallte Ruiz, während er ununterbrochen das Fenster auf der Beifahrerseite auf und zu machte.

"Ich tue das nicht für dich", antwortete Sean trocken. "Ich will nur, dass Vic keinen Ärger mit dir hat." Es war vielleicht nicht ganz die Wahrheit, aber Ruiz musste wirklich nicht zu viel über ihn erfahren.

"Oh ja, weil ich ja so gemein bin", lachte Ruiz spöttisch. "Die arme Vic. Und du, ihr Retter in der Not."

Sean versuchte, sich nicht von ihm provozieren zu lassen, auch wenn Ruiz wirklich mit allen Mitteln versuchte, ihn zur Weißglut zu bringen. Wenn er sich jetzt auf dieses Niveau herabließ, wäre damit niemandem geholfen. Außerdem war er sich gar nicht so sicher, ob seine Ruiz' Wut wirklich gegen ihn gerichtet war. Eigentlich machte er sogar eher einen selbstzerstörerischen Eindruck. Und dass es ihm nicht gut ging, war keineswegs zu übersehen. "Trinkst du in letzter Zeit öfter mal Alkohol?", fragte Sean.

Gleichgültig zuckte Ruiz die Schultern. "Eigentlich nur, wenn ich angepisst bin." Dann lachte er. "Also eigentlich jeden Tag. Aber anders ist es auch nicht auszuhalten, wie glücklich ihr beide seid."

Sean atmete tief durch. Er hatte es irgendwie geahnt. Ruiz brauchte Hilfe und er war derjenige, der ihn in dieser Situation am ehesten unterstützen konnte, ob er wollte oder nicht. Sie waren gerade bei Ruiz' Haus angekommen. "Ich warte hier auf dich", meinte Sean. "Du bleibst heute Nacht nicht hier. Pack Kleidung für ein paar Tage ein und komm dann wieder. Ich muss in der Zwischenzeit jemanden anrufen."

"Du bist komisch. Aber ich mach gerne einen Ausflug mit dir", lallte Ruiz und ging nach drinnen.

Währenddessen rief Sean in der Entzugsklinik an und fragte, ob sie spontan einen Platz frei hatten. Hatten sie natürlich nicht. Als Sean jedoch ein bisschen übertrieb und Ruiz' selbstzerstörerische Tendenzen beschrieb, konnte er ihn dem diensthabenden Arzt irgendwie als suizidal verkaufen. In einer Stunde konnten sie ein Bett organisieren. Er bedankte sich und machte sich dann daran, Andy eine Nachricht zu schreiben. Sie musste wissen, dass sie eine Weile nicht mit Ruiz rechnen konnte. Es dauerte keine Minute, bis sie bei ihm anrief und wissen wollte, was los war. Er überlegte, wie viel er ihr erzählen konnte. Es wäre nicht fair, wenn sie die Wahrheit von ihm erfuhr. Ruiz musste es ihr selbst sagen. Das war nicht Sean's Aufgabe. "Das kann ich dir im Moment nicht sagen, tut mir leid", antwortete er.

"Warum nicht?", fragte Andy verwundert.

Da kam auch schon Ruiz wieder aus dem Haus. "Ich muss auflegen, sorry. Bye", meinte Sean und drückte sie weg. Dann stieg er aus dem Auto und half Ruiz, seine Sachen im Auto zu verstauen.

"Wohin fahren wir?", fragte Ruiz, als sie wieder im Auto saßen.

Sean seufzte. Er musste es ihm sagen. Schließlich konnte er Ruiz nicht zwingen, in der Klinik zu bleiben. "Weißt du, ich glaube, dass du aktuell ein bisschen zu viel trinkst", sagte er. "Wir fahren jetzt in eine Entzugsklinik, damit es dir bald wieder besser geht."

"Was redest du für einen Scheiß?", schimpfte Ruiz lautstark. "Ich bin doch nicht abhängig, nur weil ich ab und zu mal was trinke."

"Das habe ich mir auch lange eingeredet", entgegnete Sean. "Ich glaube, es war vor allem, weil ich mich dafür geschämt habe. Aber das ist nichts, wofür man sich schämen muss. Es ist eine Krankheit und je eher man sie behandelt, desto besser sind die Heilungschancen."

"Schön, aber ich habe diese Krankheit nicht", widersprach Ruiz.

"Wann hast du das letzte Mal mindestens vierundzwanzig Stunden nichts getrunken?", fragte Sean.

Ruiz schien angestrengt nachzudenken und begann, mit seinen Fingern zu zählen. "Ich glaube, das ist über einen Monat her", gestand er. Dann sagte er nichts mehr. Die ganze Autofahrt lang.

Sean wusste nicht, ob Ruiz wirklich daran glaubte, dass er alkoholabhängig war. Aber zumindest schien er ihn jetzt davon überzeugt zu haben, freiwillig in die Klinik zu gehen. Als er die Klinik sah, kamen viele Erinnerungen in ihm hoch. Aber nicht nur schlechte. Und der Grund dafür war Vic. Sie hatte ihn so oft besucht und sie hatten sich so gut unterhalten. Sie hatte ihn von all seinen Problemen abgelenkt. Und hier hatten sich seine Gefühle für Vic entwickelt. Insofern hatte die Klinik für ihn kaum eine negative Konnotation. Dass er jetzt aber mit Ruiz hier war, nachdem er und Vic andauernd hier im Besucherzimmer über ihn gelästert hatten, war irgendwie seltsam. Captain Boyfriend hatte er ihn immer genannt. Damals hätte er niemals erwartet, dass er selbst eines Tages Vic's Partner sein würde. Vic's Optimismus war ihm damals oft auf die Nerven gegangen und er hatte überhaupt nicht nachvollziehen können, wie jemand immer so positiv gestimmt sein konnte. Inzwischen waren ihre Rollen irgendwie ein bisschen vertauscht und er hoffte, dass Vic ihren Optimismus nach und nach wieder erreichen konnte. Es tat ihm immer noch wahnsinnig leid, dass sie wegen ihm so viel durchgemacht hatte. Aber zur Zeit waren sie auf einem sehr guten Weg, all ihre Probleme hinter sich zu lassen.

Nachdem Sean Ruiz in die Klinik gebracht hatte, genoss er noch kurz die frische Luft, bevor er wieder ins Auto stieg. Dann checkte er sein Handy. Verdammt. Vier verpasste Anrufe von Vic. Sie hatte sich bestimmt Sorgen gemacht, weil er noch nicht wieder Zuhause war. Er musste sie sofort zurückrufen.

"Hey, Schatz. Ist alles okay? Sorry, hat ein bisschen länger gedauert, aber ich bin gleich Zuhause", meinte er, während er ins Auto stieg.

"Wo zum Teufel steckst du?", schrie Vic ins Telefon und er erschrak über die Wut in ihrer Stimme. "Sean, wo bist du?"

Er seufzte. "Ich erklär es dir, wenn ich Zuhause bin." Hätte er gewusst, dass Vic noch nicht schlief, hätte er sie natürlich angerufen und ihr gesagt, dass es länger dauern würde.

"Nein, ich möchte es jetzt wissen", widersprach Vic. "Und mach dir nicht die Mühe, dir irgendwelche Ausreden einfallen zu lassen. Andy ist bei mir. Sie hat sich Sorgen gemacht, weil du ihr gesagt hast, dass Theo in den nächsten Wochen nicht zur Arbeit kommt. Und ehrlich gesagt frage ich mich auch, wie du das gemeint hast. Ich glaube nicht, dass du Theo irgendetwas angetan hast, aber bitte sag mir, was los ist."

Was erzählte sie da? Andy war bei ihr? Oh verdammt. Er hatte doch nur gewollt, dass sie von Theo persönlich erfuhr, warum er nicht zur Arbeit kommen würde. Hätte er gewusst, dass die ganze Sache so hohe Wellen schlagen würde, hätte er natürlich sofort alles aufgeklärt. Hatte Vic wirklich in Erwägung gezogen, dass er Theo etwas angetan hatte? Ja, er war im ersten Moment wütend auf Theo gewesen. Aber Theo ging es nicht gut, er hatte ein ernsthaftes Problem. Niemals hätte er ihn damit allein gelassen. "Ich verspreche dir, dass ich Theo nichts getan habe", erwiderte er erschöpft. "Aber bitte lass mich alles erklären, wenn ich Zuhause bin. Ich bin in einer halben Stunde da. Und sag auch Andy, dass sie sich keine Sorgen machen muss."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 18 ⏰

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If we have each other - Station 19/Vic x BeckettWo Geschichten leben. Entdecke jetzt