Kapitel 15

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Inzwischen war endlich wieder ein wenig Alltag eingekehrt. Sean hatte sich wirklich gut erholt und er schien im Moment sehr stabil zu sein. Und Vic war froh, dass langsam die Schmetterlinge im Bauch etwas weniger wurden. Sie hatte dieses Gefühl zwar gemocht, aber es war auch verdammt anstrengend geworden. Viel Sex hatten sie natürlich trotzdem noch. Aber sie konnte endlich wieder etwas ohne Sean unternehmen, ohne dass sie ihn sofort vermisste. 

Heute war Carina wieder mit der kleinen Drea auf der Wache. Die Kleine war so süß. Diese Pausbacken waren wirklich zum Anbeißen. Die anderen waren alle auf einem Einsatz, nur Vic musste hier die Stellung halten. Deswegen konnte sie ganz viel Zeit mit Carina und Drea verbringen. Sie hatten auf dem Boden eine Decke ausgebreitet, auf der sich die Kleine wälzte und mit einem Mobile spielte, das Carina in der Hand hielt. "Und wie geht es euch als frischgebackene Mütter?", fragte Vic neugierig.

"Ich schlafe viel zu wenig", antwortete Carina. "Ich muss sagen, wir sind noch in der Eingewöhnungsphase. Irgendwie hätten wir uns das ein bisschen einfacher vorgestellt." Dann sah sie ihre Tochter an und lächelte. "Aber Drea ist ein Engel. Und all die Nächte, in denen wir keinen Schlaf bekommen, sind es auf jeden Fall wert. Wenn ich meine süße Tochter anschaue, habe ich das Gefühl, dass sich der ganze Aufwand lohnt." Während sie geredet hatte, hatte sie ihre Hand ein bisschen zu weit bewegt, sodass das Mobile nun außer Drea's Reichweite war. Die Kleine fing an zu weinen. Carina seufzte und streckte die Arme nach ihr aus. 

"Ich kann sie auch nehmen, wenn du dich gerade ein bisschen erholen möchtest", bot Vic ihr an.

Carina gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn und reichte sie Vic. "Danke, das ist super lieb von dir. Ich weiß aber nicht, ob sie sich von dir beruhigen lässt."

Da war Vic sich auch nicht sicher, aber sie würde es versuchen. Sie nahm die Kleine auf den Arm, stand auf und ging mit ihr auf und ab. Sie wollte ihr etwas vorsingen, aber ihr fiel gerade kein Kinderlied ein. Aber eigentlich war das ja auch egal. Sie begann dennoch zu singen.

For shame

For shame

For shame

Poor wandering one 

Though thou hast surely strayed

Take heart of grace, thy steps retrace

Poor wandering one

Poor wandering one

If such poor love as mine

Can help thee find true peace of mind

Why, take it, it is thine 

Take heart, no danger lowers

Take any heart but ours

Take heart, fair days will shine

Take any heart, take mine

Drea hatte aufgehört zu weinen und hing gebannt an ihren Lippen. Sie starrte sie aus ihren großen Babyaugen an und zog mit den Fingern an ihren Haaren. Erst als ihr die Kleine ins Gesicht fasste, merkte Vic, dass ihre eigenen Wangen tränennass waren. Dieses Lied hatte plötzlich so viele Gefühle in ihr ausgelöst. Sie musste an ihre Großmutter denken. So gerne würde sie jetzt hier mit ihrer Großmutter singen und tanzen. Und dann blickte sie in die Augen des kleinen Mädchens. Sie war so winzig und so hilflos. Sie war ganz darauf angewiesen, dass ihre Moms sich um sie kümmerten. Wenn ihr etwas nicht passte, konnte sie nichts tun außer weinen. Obwohl die Kleine die besten Moms der Welt hatte, hatte sie auf einmal so viel Mitgefühl mit ihr und sie wollte für sie da sein und sich um sie kümmern. Sie hatte das Gefühl, nicht zulassen zu dürfen, dass diesem kleinen Mädchen etwas Schlimmes zustieß. Sie konnte es gar nicht verstehen, warum sie sich so fühlte. Drea war nicht ihr Kind und sie hatte keinerlei Verantwortung für sie. Und trotzdem wünschte sich etwas in ihr, diese Verantwortung zu übernehmen. Erst jetzt merkte sie, dass die Kleine eingeschlafen war. Vic lächelte und setzte sich mit Drea auf dem Arm wieder hin.

If we have each other - Station 19/Vic x BeckettWo Geschichten leben. Entdecke jetzt