Kapitel 17

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Es war schon nach 3 Uhr nachts, aber Vic konnte nicht schlafen. Ihr ging dieses Thema einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und sie fühlte sich plötzlich unwohl neben Sean. Es war, als würde sie ihm etwas verheimlichen. Irgendwie tat sie das ja auch, aber eigentlich auch nicht. Es war kompliziert. Sie hatte sich bereits einen Schwangerschaftstest gekauft, hatte sich aber bisher noch nicht getraut, ihn zu machen. Aber sie musste es jetzt tun. Wenn der Test negativ war - und das war er bestimmt -, würde sie vielleicht zumindest noch etwas Schlaf bekommen.

Also schlüpfte sie aus der Bettdecke und kramte in ihrer Tasche nach dem Test. Auf Zehenspitzen schlich sie ins Bad. Sean durfte auf keinen Fall aufwachen. Wie würde das für ihn aussehen, wenn sie mitten in der Nacht heimlich einen Schwangerschaftstest machte? Er durfte auf keinen Fall etwas mitbekommen.

Als sie auf der Toilette saß, las sie sich zunächst die Anleitung durch. Fünf Sekunden in den Urinstrahl halten. Das war ja nicht allzu schwierig. Was wohl schlimmer für sie werden würde, waren die drei Minuten, die sie danach warten musste, bis sie das Ergebnis ablesen konnte. Sie hatte das Gefühl durchzudrehen. Doch die drei Minuten musste sie gar nicht abwarten. Es dauerte keine 30 Sekunden, bis das Ergebnis klar und deutlich zu sehen war. Und an diesem Ergebnis würde sich auch in den nächsten zwei Minuten und 30 Sekunden nichts mehr ändern. Zwei Striche. Positiv.

"Verdammt!", fluchte sie und trat mit dem Fuß gegen den Schrank. Au! Mit Tränen in den Augen sank sie auf den Boden. Sie fühlte sich so allein. So hilflos. Sie konnte das nicht noch einmal durchstehen. Schluchzend schlang sie die Arme um ihren Bauch. Sie würde für dieses Baby da sein. Diesmal würde sie es nicht gehen lassen. 

Sie wollte unbedingt mit jemandem darüber reden. Sie wollte jetzt nicht allein sein mit ihrem Schicksal. Aber sie hatte immer noch zu große Angst vor Sean's Reaktion, um ihn aufzuwecken. Mit zittrigen Fingern griff sie nach ihrem Handy. Travis würde bestimmt schon schlafen, aber sie hoffte, dass er trotzdem ranging.

Es klingelte ein paar Mal und sie dachte schon, er würde nicht rangehen. "Vic? Es ist mitten in der Nacht! Was willst du?", grummelte er ins Telefon.

"Ich bin schwanger", platzte es aus ihr heraus. Mehr brachte sie unter ihren Tränen nicht raus.

"Du bist was?", fragte Travis erstaunt und hörte sich plötzlich gar nicht mehr verschlafen an. "Du hörst dich verzweifelt an. Geht es dir gut?"

Vic schüttelte den Kopf, obwohl sie wusste, dass Travis das nicht sehen konnte. "Nein", schluchzte sie in ihr Handy. "Ich glaube, Sean will keine Kinder. Und ich habe Angst vor seiner Reaktion."

"Das heißt, du hast es ihm noch nicht gesagt?", erwiderte Travis ungläubig. Dann hörte sie ihn seufzen. "Vic, Sean ist doch kein Unmensch. Mit ihm kannst du doch reden. Sag es ihm."

Wieder schüttelte sie den Kopf und fasste an ihren Bauch. "Ich kann nicht. Travis, ich will dieses Baby. Aber ich will auch Sean. Ich habe Angst."

"Aber du weißt doch gar nicht, ob es nicht genau das ist, was er auch will. Wie kommst du überhaupt darauf, dass er keine Kinder möchte?"

Eigentlich hatte Travis natürlich absolut recht, aber sie konnte gerade nicht klar denken. Sie wollte ihm gerade von Carina erzählen, als sie plötzlich Schritte hörte. Fuck! Sean musste aufgewacht sein. War ja auch kein Wunder bei dem Lärm, den sie gemacht hatte. "Travis, ich muss auflegen. Ich glaub, Sean ist wach. Bye."

"Vic, sag es ihm", hörte sie Travis noch sagen, bevor sie auflegte.

Dann klopfte es auch schon an der Badezimmertür. "Vic, ich muss aufs Klo. Ist alles in Ordnung?"

Sie wischte sich die Tränen von den Wangen. "Bin gleich soweit." Mühsam stand sie auf und ging zur Tür, um aufzusperren.

Skeptisch blickte Sean sie an. "Seit wann sperrst du die Tür zu?" Dann fiel sein Blick auf ihr Handy. "Du hast doch gerade mit jemandem geredet. Hast du telefoniert?"

Schnell schüttelte Vic den Kopf. "Nur Selbstgespräche."

Aber er ließ nicht locker. Er blockierte die Tür, sodass sie nicht vorbeigehen konnte. "Wenn du eine Affäre hast, sag mir das bitte." Mit flehenden Augen sah er sie an.

"Was?", fragte Vic entsetzt. Wie konnte er nur so etwas von ihr denken? Niemals.

"Bitte sag es mir. Bitte verarsch mich nicht." Sie wusste nicht, ob sie sich irrte, aber sie glaubte, dass seine Augen plötzlich ein wenig glasig waren. "Ich liebe dich. Aber wenn du nicht dasselbe für mich fühlst..."

Das konnte doch jetzt nicht sein Ernst sein! Wütend schnappte sie sich den Schwangerschaftstest und hielt ihn Sean unter die Nase. "Ich bin schwanger, verdammt!"

Sean starrte sie an und schien überhaupt nicht zu begreifen, was gerade passierte. Aber um ehrlich zu sein tat sie das ja selbst nicht wirklich.

Als er nicht reagierte, wurde sie nur noch wütender. "Und ja, ich habe gerade telefoniert! Mit Travis! Weil ich irgendjemanden zum reden gebraucht hab! Darüber, dass ich dieses Baby will! Und dass ich dich nicht verlieren will, nur weil du keine Kinder willst!"

Nun schien er sich aus seiner Schockstarre zu lösen. "Was? Wie kommst du denn darauf? Warum sollte ich keine Kinder wollen?" Er reagierte überhaupt nicht wütend, sondern seine Stimme war sanft und er lächelte Vic einfühlsam an.

Das machte sie stutzig. Sie war auf einen Streit vorbereitet gewesen. Dass er so reagierte hatte sie nicht erwartet. "Weil...weil du so komisch reagiert hast", stammelte sie verzweifelt. "Als Carina..."

Da fing er an zu lachen. "Liebling, du hast da viel zu viel rein interpretiert. Ich war sauer, weil ich es von Carina erfahren habe. Und ich hätte es eben gerne von dir erfahren."

Sie nickte. Das klang einleuchtend. Und plötzlich tat es ihr wahnsinnig leid, dass sie es zuerst Travis erzählt hatte. "Es tut mir leid. Ich hab es wirklich noch nicht gewusst, als Carina es dir gesagt hat. Aber ich hab es Travis gesagt, als ich es wusste. Und nicht dir. Es tut mir leid."

Er lächelte müde und zog sie an sich. "Es ist okay, Vic." Dann nahm er ihr Gesicht in seine Hände und zwang sie damit, ihn anzusehen. "Ich liebe dich wie verrückt. Und ein Baby ist nichts, was unsere Beziehung kaputt machen würde. Ganz im Gegenteil." Er streichelte ihren Bauch. "Wir schaffen das, Vic. Du und ich."

Sie schmiegte sich an ihn. Plötzlich fühlte sie sich so dumm, weil sie Sean nicht einfach vertraut hatte. Sie hatte nicht mit ihm kommuniziert, obwohl ihr Kommunikation so wichtig war. Sie kam sich richtig dumm vor. Trotzdem war sie gerade wahnsinnig glücklich. "Ich liebe dich", flüsterte sie.

If we have each other - Station 19/Vic x BeckettWhere stories live. Discover now