Kapitel 13

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Es fühlte sich noch immer surreal an. Am Anfang waren sich Vic und Sean nur näher gekommen, weil sie beide einsam gewesen waren und jemanden zum reden gebraucht hatten. Vic hatte sich nicht vorstellen können, dass daraus eine Freundschaft entstehen würde, geschweige denn mehr. Sie hatte ihn nicht mal sonderlich gemocht. Aber irgendwann war er ihr so sehr ans Herz gewachsen. Und sie konnte sich überhaupt nicht mehr vorstellen, ohne ihn zu leben. Und dann war da dieser Kuss. Dieser Kuss, der sich angefühlt hatte, als wäre er definitiv nicht angemessen gewesen für den Klinikparkplatz, wo jeder sie sehen konnte. Aber das war ihr in dem Moment so egal gewesen. Seitdem hatte sie ihn jeden Tag besucht und sie hatten beschlossen, dass sie anfangen würden, miteinander auszugehen, sobald er entlassen wurde. Das waren jetzt noch drei Tage und sie konnte es kaum erwarten. Natürlich wollte sie auch drauf achten, nichts zu überstürzen, weil es für Sean bestimmt nicht einfach werden würde, sich in seinem alten Leben wieder einzuleben. Er würde nach der Klinik nicht wieder zurück in sein altes Haus ziehen. Vic und Travis hatten für ihn nach einer neuen Bleibe gesucht und hatten eine schöne große Wohnung gefunden. Andy, Jack und Maya hatten bereits das Haus ausgeräumt und die Sachen in die neue Wohnung gebracht. Es war toll, dass alle so hilfsbereit waren. Vic war froh, dass Sean nicht wieder in sein altes Haus ziehen wollte. Sie war endlich die Albträume losgeworden und wusste nicht, ob sie wiederkommen würden, wenn sie sein Haus wieder betrat. Aber sie glaubte auch, wenn sie nicht wäre, hätte sich Sean nicht auf den Vorschlag der Sozialarbeiterin, sich eine neue Wohnung zu suchen, eingelassen.

Vic ging inzwischen auch wieder zur Arbeit. Diane war endlich der Ansicht, dass sie wieder stabil genug war. Und sie hatte die Arbeit so wahnsinnig vermisst. Natürlich war sie absolut Diane's Meinung gewesen, dass sie die Wochen davor nicht arbeitstauglich gewesen war, aber sie war einfach nicht dafür gemacht, den ganzen Tag nur Zuhause rumzusitzen. Vor allem bekam sie nun aber auch wieder mit, was auf der Wache so passierte und musste sich nicht alles von Travis erzählen lassen. Maya und Carina hatten ein kleines Mädchen adoptiert. Andrea. Wegen Andy und wegen Carina's Bruder Andrew. Aber alle nannten die Kleine nur Drea. Gestern hatte Carina mit Drea auf der Wache vorbeigeschaut. Und die Kleine war so süß. Sie sah Carina sogar fast ein wenig ähnlich.

"Du musst mir nochmal von dem Kuss erzählen", riss Travis sie aus ihren Gedanken. "War das so richtig mit Zunge?" Er grinste. "Ich kann mir auch irgendwie gar nicht vorstellen, dass Beckett sowas wie Gefühle hat."

Vic boxte ihn gegen die Schulter, worauf er mit einem kurzen Schmerzensschrei reagierte. "Sean kann durchaus sehr gefühlvoll sein", erwiderte sie. "Und ja, mit Zunge."

Er schüttelte den Kopf. "Ich hätte echt nicht gedacht, dass ausgerechnet du irgendwann mal Sean daten würdest. Andy, klar. Sie steht auf gefühlskalte Typen. Vielleicht sogar Maya, wenn sie Carina nicht hätte. Du weißt schon, diese typische enemy-to-lover Beziehung. Aber du? Das geht echt nicht in meinen Kopf rein."

Lachend warf sie ein Kissen nach ihm. Sie hatte diese lockeren Gespräche mit Travis echt vermisst und war froh, dass sie wieder in der Stimmung dazu war. "Das Herz will eben, was es will", entgegnete sie grinsend.

"Aber diesmal keine Klopapier-Hochzeit, okay?", meinte Travis.

Oh Mann, da hatte sie echt lange nicht dran gedacht! Die Klopapier-Hochzeit. Sie prustete los. "Warum nicht? Klopapier ist praktisch!"

Da stimmte auch Travis in ihr Lachen mit ein. Auch wenn sie auch im Moment ihre Probleme hatte, war Vic froh, dass sie inzwischen über die Klopapier-Hochzeit lachen konnte und bei dem Gedanken daran nicht mehr in Tränen ausbrach. Sie hatte Lucas geliebt. Aber an seinem Tod konnte sie nichts ändern. Er war Vergangenheit. Sie war sich inzwischen fast sicher, dass sie sich nach ihm absichtlich Männer ausgesucht hatte, die ihm bei Weitem nicht das Wasser reichen konnten, damit sie ihn nicht vergaß. Aber sie wusste jetzt, dass sie das nicht tun würde. Und Lucas würde wollen, dass sie mit jemandem zusammen war, der sie so sehr liebte, wie Sean das tat.

Dann wurde Travis wieder ernst. "Wisst ihr schon, wann ihr den anderen von eurer Beziehung erzählen wollt?", fragte er.

"Ich denke, das werden wir bald tun", antwortete Vic. Sean und sie waren sich einig gewesen, dass ihnen die Heimlichtuerei wahrscheinlich nicht guttun würde. Für ihre Beziehung war Ehrlichkeit wichtig und dazu gehörte nicht nur Ehrlichkeit gegenüber einander, sondern auch Ehrlichkeit gegenüber ihren Freunden. "Und dass du es weißt, hab ich ihm schon gesagt. Das war für ihn auch gar kein Problem." Das hatte sie tatsächlich überrascht, dass er darauf so gelassen reagiert hatte, aber wahrscheinlich hatte er sich schon gedacht, dass sie mit Travis über so etwas redete.

"Ich glaube auch, dass es gut ist, wenn ihr es bald erzählt", stimmte Travis zu. "Und ich glaube, dass die meisten eh schon vermuten, dass da mehr zwischen euch ist."

Da könnte er natürlich recht haben. Wahrscheinlich glaubten sie nicht, dass Vic nicht zur Arbeit gekommen war, weil sie zu traumatisiert war vom Anblick von jemandem, der sich aufgehängt hatte. Das war nicht das erste Mal, dass so etwas in ihrem Job passiert war. Die meisten vermuteten bestimmt, dass da mehr dahinter steckte. "Ich hoffe es. Dann wird es nicht so schwierig, es zu erzählen."

If we have each other - Station 19/Vic x BeckettWhere stories live. Discover now