Kapitel 46

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Es ist wirklich schockierend, wie akkurat Angela mir meine Sorgen von der Stirn ablesen kann.

Ich nicke jedoch entschlossen und verspreche: »Ich werde es mit Stolz tragen.« Dann schiebe ich noch hinterher: »Es ist wirklich wunderschön, danke.«

Sie nickt knapp. »In Ordnung. Was die Schuhe betrifft, habe ich Wilhelm bereits ein Paar bestellen lassen. Es müsste heute noch bei ihm ankommen.«

»Vielen Dank.«

Wir verabschieden uns und ich gehe zurück zu Martin, der bereits den Motor startet, als er mich sieht.

»Ich habe gerade mit meinem Boss telefoniert«, lässt er mich wissen. »Er meinte, dass ich das Kleid mitnehmen, Sie zu Hause absetzen und um fünf dann wiederkommen soll.«

»Warum das denn?«, will ich verdutzt wissen.

»Ich werde Sie dann zu ihm bringen, wo ein Team aus Stylisten auf Sie wartet. Wurden Sie darüber nicht in Kenntnis gesetzt?«

Meine Gedanken laufen auf Hochtouren während ich abwesend antworte: »Äh, doch. Hab's bloß vergessen. Sorry!«

Der Chauffeur samt Wagen fährt nach einer kurzen Verabschiedung davon und ich blicke ihm nachdenklich hinterher. Schließlich mache ich mich auf den Weg nach oben in meine Wohnung.

Natürlich war das eine Lüge, als ich behauptet habe, dass ich von diesen Plänen mit Stylisten und dem ganzen Zirkus wissen würde. Ich wollte vermieden, dass der Fahrer ein schlechtes Gewissen bekommt oder gar beunruhigt ist, da er es mir nicht früher gesagt hat.

Mein Verdacht ist, dass Wilhelm diese Info absichtlich so lang wie möglich von mir ferngehalten hat, da er ganz genau wusste, dass ich definitiv etwas dagegen einzuwenden gehabt hätte, von einer Traube Menschen, die er alle teuer bezahlen muss, professionell umschwärmt zu werden. Natürlich sagt er dem Fahrer dann, dass ich ja schon längst über alles Bescheid weiß. Toller Job, Wilhelm.

Die Zeit vergeht wie im Flug, bis es schließlich erneut klingelt und ich wieder abgeholt werde.  Zwischenzeitlich habe ich gegessen, worüber ich nur bedingt froh bin, denn während ich den Türöffner betätige, spüre ich eine Welle der Nervosität durch meinen Magen rauschen. Heute werde ich Sten wiedersehen. 

Ich mache mich auf den Weg nach unten, wo ein mir mittlerweile bekannter Wagen wartet. Martin steigt aus und öffnet die Tür für mich. Kurz später fahren wir los.

Wilhelm ist bereits fertig, als wir ankommen. Mit einem leicht verschlagenen, aber hauptsächlich erfreuten Grinsen begrüßt er mich. »Alle miteinander: Das ist Florentina!«, ruft er aus. Etwa fünf Augenpaare sind auf mich gerichtet. »Äh, hi zusammen«, entgegne ich etwas unbeholfen und winke knapp in die Runde. 

Ich werde gebeten, mich auf einen gepolsterten Stuhl neben Wilhelm niederzulassen und kurz zu warten. Wilhelm, der gerade seine Haare und den Bart getrimmt bekommt, schielt zu mir zur Seite. »Wie geht es dir, Florentina? Freust du dich schon?«

»Gut soweit und ja.«

Da schnaubt er und ein nachsichtiges Lächeln bildet sich in seinen Augenwinkeln. »Meine Liebe, wir kennen uns doch mittlerweile gut genug.«

»Gut genug wofür?«, entgegne ich etwas gereizter als beabsichtigt, was Wilhelm entweder nicht bemerkt oder einfach übergeht. 

»Dafür, dass wir einander nicht anlügen.«

»Das war keine–«, schnappe ich, halte dann jedoch inne. »Okay, es war vielleicht zur Hälfte gelogen. Na, und?«

»Möchtest du mir denn sagen, wie es dir wirklich geht? Und ob du dich wirklich freust?«

Ich seufze, antworte jedoch nicht sofort. Wilhelm sagt: »Wenn wir alle in letzter Zeit etwas ehrlicher zu anderen und uns selbst gewesen wären, hätten wir diese ganzen... Scherereien nicht gehabt. Du verstehst bestimmt, was ich meine.«

Unwillkürlich werde ich rot. 

Wilhelm hat wenigstens den Anstand, leicht zerknirscht zu wirken. »Noch etwas zu früh?« 

Ich seufze, dann zucke ich die Schultern. »Egal, scheiß drauf. Ja, du hast wohl recht.« Widerwillig brumme ich noch: »Mir geht's okay und ich freue mich mittelmäßig, was mir leid tut, weil ich nicht undankbar wirken will.«

Er winkt ab. »Mach dir darum mal keine Gedanken. Sieh es lieber positiv: Wir werden meinem Sohn heute vermutlich einmal über den Weg laufen und danach kannst du ihm locker aus dem Weg gehen.«

Ertappt zucke ich zusammen, doch Wilhelm widmet seine Aufmerksamkeit schon wieder einem der Menschen um uns rum. 

Es dauert nicht lange, bis auch jemand zu mir kommt. Ich versuche (mal wieder, Seufz), jegliche Spur eines Gedankens an Sten aus meinem liebeskranken Hirn zu verbannen und richte meine geballte Aufmerksamkeit auf die junge Frau, die sich gerade hinter meinen Stuhl stellt. Unsere Blicke treffen sich im Spiegel vor mir und sie lächelt breit. 

»Hi, ich bin Gina! Ich kümmere mich heute um dein Make-up.«

»Florentina, hi.«

Sie wendet sich kurz ab und scheint jemanden in der Menge zu suchen. Schließlich hellt sich ihre Miene auf und sie deutet zu einer Person. »Siehst du den Typen mit dem Man-Bun? Das ist Trey, er wird deine Haare machen, während ich mit dir beschäftigt bin.«

»Danke«, erwidere ich und ringe mir ein Lächeln ab. 

Gina zieht sich einen Hocker auf Rollen heran und setzt sich vor mich. »Okay, also: Ich habe mir bereits etwas zu deinem Kleid überlegt, aber die Wahl liegt letzen Endes bei dir, wie genau wir dein Make-up dann machen. Deal?«

»Klar. Was gibt's denn für Optionen?«

»Dein Gesicht werde ich in jedem Fall gleich machen, da wo deine Präferenz ins Spiel kommt, ist eher der Bereich deiner Augen und die Lippen.«

»Okay, verstehe.«

»Möchtest du eher dezentes oder ausdrucksstarkes Make-up an den Augen haben?«, will sie wissen. Kurz überlege ich und gebe dann zur Antwort: »Stark.« 

Sie nickt, dann fährt sie fort: »In Ordnung, dann ginge es noch um die Lippen. Eher dezent oder in dem Rotton des Kleids?«

Das fällt mir nicht so leicht zu beantworten. Wir unterhalten uns kurz über die verschiedenen Argumente die jeweils dafür und dagegen sprechen würden. Am Ende kommen wir zu dem Schluss, dass ein kühler Ton, der etwas dunkler als meine Haut ist, die beste Wahl ist, da es sich bei dem Rot ebenfalls um einen kühlen Farbton handelt. 

»Finde ich ehrlich gesagt besser, dann kann dein Kleid schön im Mittelpunkt stehen«, fügt Gina noch hinzu und macht sich direkt an die Arbeit. 


Not My FitTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon