Kapitel 14

243 35 12
                                    

Als ich am nächsten Tag auf der Arbeit – also Wilhelms Residenz – erscheine, empfängt mich nichts als strahlender Sonnenschein.

Und damit meine ich nicht das Wetter.

Mein Arbeitgeber grinst von einer Backe zur anderen, was zwar grundsätzlich nicht ungewöhnlich ist, doch die Intensität des Lächelns gibt mir dann doch irgendwie zu denken.

»Geht es dir gut?«, frage ich deshalb trocken. Unser Verhältnis ist locker genug, dass ich mir solch einen Sinn für Humor bei ihm erlauben kann. Er lacht kurz auf und winkt dann ab.

»Alles bestens! Heute scheint dein Glückstag zu sein.«

»Mein Glückstag?!«, rufe ich aus und deute auf mich. »Dein Glückstag«, bestätigt er feierlich. Ich bin mehr als nur etwas verwirrt und das sieht man mir vermutlich auch an, weshalb sich Wilhelm wohl dazu entscheidet, mir eine Erklärung zu liefern.

»Du wirst reich beschenkt. Hier, das ist eine kleine Aufmerksamkeit der Patisserie, mit deren Chef ich seit geraumer Zeit befreundet bin. Da ich auf Pistazien allergisch bin, soll dieses Pistazien-Tartufo nun deins sein.«

»Oh, äh, danke«, stammele ich und nehme die sorgfältig in einer durchsichtigen, kuppelartigen Schachtel verpackte Köstlichkeit an mich. Doch die nächste Überraschung soll nicht lange auf sich warten lassen, denn prompt zieht Wilhelm von wer weiß woher ein riesiges Blumenbouquet hervor und überreicht es mir. Dabei lasse ich fast die Schachtel fallen. Aber lieber die, als das Bouquet, welches auch noch in einer sehr teuer aussehenden Keramik-Vase steckt.

»Die hier sollst du nun auch dein eigen nennen.«

»Vielen Dank, Wilhelm, aber womit habe ich das verdient? Für eine kleine Aufmerksamkeit ist das ein sehr... prunkvoller Strauß Blumen, findest du nicht?«

Da lacht er erneut. Ich frage mich wirklich, was mein Boss heute eingeschmissen hat...

»Die sind nicht von mir.«

»Sondern?«

»Von meinem Sohn.«

Fast lasse ich das Bouquet nun doch fallen. Jetzt fällt der Groschen.

»Bist du deshalb so glücklich?«, spreche ich meine Vermutung auch prompt aus. Wilhelm nickt schlicht. »Natürlich! Für meinen Sohn ist es für gewöhnlich nicht leicht, seinen Gefühlen Ausdruck zu verliehen. Scheint, als würde er sich wirklich um dich bemühen.«

Energisch schüttle ich den Kopf. »Nein, so ist das nicht! Wir verstehen uns wirklich gut, aber–«

»Ist schon gut, Florentina. Ich will dir ja auch nicht auf die Nerven fallen, aber ich kenne meinen Sohn. Wenn dir das Thema unangenehm ist, dann schweige ich von nun an darüber.«

Wilhelm will uns wirklich auf Teufel komm raus verkuppeln.

Kurz spiele ich mit dem Gedanken, ob er nicht vielleicht sogar selbst den Blumenstrauß organisiert hat, um mich glauben zu lassen, dass er von Sten kommt. Doch ich muss mir eingestehen, dass ich ihm nicht so viel Gerissenheit zutraue. Außerdem wüsste ich auch gar nicht, ob ein solcher Schachzug im Endeffekt wirklich so viel bringen würde.

Ich schüttle den Kopf. »Nein, so ist das wirklich nicht. Wir verstehen uns sehr gut, aber... nein.«

Anstatt von meiner Aussage enttäuscht oder aufgebracht gebracht zu sein, zuckt er nur seelig lächelnd die Schultern. »Wir werden sehen.« Mir klappt der Mund auf. Dieser Typ hat ja echt die Ruhe weg.

Ich stelle die Vase mit dem üppigen Blumenarrangement kurz zur Seite, um die Schachtel mit dem Tartufo aufzunehmen. Ich bin ja wirklich gespannt, da mein Onkel selbst das beste zubereitet, das ich kenne. Vielleicht hebe ich sogar ein wenig davon auf, um es ihm zum Probieren mitzubringen.

Bei der Gelegenheit kann ich ihm auch gleich den Arsch dafür aufreißen, dass er der ganzen Familie erzählt hat, ich wäre auf einem Date mit Sten gewesen. Elendige Plaudertasche.

»Okay, Wilhelm, ich danke dir für alles! Das Dessert bringe ich schnell in den Kühlschrank und die Blumen- huch!«

In diesem Moment segelt ein kleiner rosa Zettel aus dem Strauß und landet vor meinen Füßen. Ich mache Anstalten, den Zettel aufzuheben, doch Wilhelm kommt mir zuvor.

»Bitteschön. Scheint, als wäre auch ein kleiner Gruß dabei.«

»Sieht so aus, danke.«

Ohne den Zettel weiterhin zu beachten, stecke ich ihn in die Tasche meiner Schürze, festige meinen Griff um die Schachtel und den Strauß und mache mich dann zügigen Schrittes an die Arbeit.

...

Es tut mir sehr leid, dass mein Verhalten Dir Kummer bereitet hat. Lass uns nochmal neu anfangen.
Herzlichst,
Sten

Ein Prusten entschlüpft meinen Lippen, welches nicht besonders majestätisch klingt. Gut, dass mich keiner sehen oder hören kann – vor allem meine Familie nicht. Die hätten mich ewig damit aufgezogen und das natürlich scherzhaft als Begründung hergenommen, warum ich »einfach keinen Mann finde«. Aber dieses nervige Kapitel meines Lebens möchte ich gerade nicht weiter betrachten.

Sten hätte nicht mal mit seinem Namen unterschreiben müssen und ich wäre zu hundert Prozent dazu in der Lage gewesen, den Autor dieses Zettels zu identifizieren.

Wobei ›Zettel‹ eigentlich nicht das richtige Wort ist. ›Karte‹ trifft es wohl eher. Das Papier ist nämlich hochwertig und dick, sogar ein goldenes F ist auf der Vorderseite eingeprägt. Schätze, das soll für meinen Anfangsbuchstaben stehen.

Ich schlucke. So witzig ich diese... Karte auch finde, rührt es mich doch irgendwie, dass Sten so ehrlich zu mir war und sich sogar die Mühe für dieses Bouquet gemacht und sich diesen schlichten, aber lieben Text ausgedacht hat. Für ihn ist das wahrscheinlich eine echt große Sache, so verschlossen wie er doch ist.

...

Nachdem ich meinen Arbeitstag hinter mich gebracht habe, laufe ich energischen Schrittes nach Hause.  Ich möchte Sten anrufen. Ihm für die Blumen danken – höflich. So viel höfliche Distanz wie möglich.

Während ich gearbeitet habe und Zeit zum nachdenken hatte, sind meine Gedanken schnell in eine Richtung gegangen, die mir so überhaupt gar nicht gefällt. Ich darf nicht zu viel in diese Geste reininterpretieren. Egal was Wilhelm auch behauptet.

Dass ich Sten attraktiv finde, bereitet mir ja schon Kopfzerbrechen. Ich muss nicht auch noch anfangen, ihn als Person anziehend zu finden.

Ich darf einfach nicht vergessen, dass er das nur freundschaftlich meint. Leichter gesagt, als getan allerdings...

Meine Hände sind schwitzig, als ich mein Handy umklammere und Stens Kontakt anstarre. Ich zögere ewig, bis ich mich schließlich doch dazu überwinden kann, seine Nummer zu wählen.

Aber eine Bandansage ertönt, die mir sagt, dass gerade besetzt ist. Erleichtert atme ich aus und will mich schon auf meinem Sofa zurücklehnen.

Meine Erleichterung hält nicht mal fünf Sekunden an, denn dann klingelt mein Handy. Natürlich ist es Sten.

Ich atme tief durch, versuche all meine Nervosität in den hintersten Winkel meines Seins zu schieben und gehe ran.

Not My FitUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum