Kapitel 23

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Als ich später in der Badewanne sitze und mit den Händen durch den pink glitzernden Schaum fahre, kann ich nicht anders, als an Sten zu denken. Mir ist es fast schon peinlich, dass er sich solche Mühe gibt, nur damit ich einen schönen freien Tag habe.

Ganz ehrlich? Ich hatte feste Freunde, die sich nicht mal halb so viel dafür interessiert haben, wie es mir geht. Natürlich weiß ich, dass er es nicht so meint. Also, auf die romantische Art. Er ist einfach nur nett. Sehr nett.

Ich muss daran denken, dass der ursprüngliche Grund, warum ich überhaupt Zeit mit ihm verbringe, ja der ist, dass Wilhelm sich Sorgen um das soziale Leben seines Sohnes macht. Sten hat also vielleicht eine Spur zu wenig Feingefühl um zu wissen, dass man solche Gesten wie das mit dem riesigen Geschenkkorb auch falsch verstehen könnte.

Ich schüttle gedankenverloren den Kopf. Es ist auch egal, ich weiß ja, dass er es hundertprozentig nicht so gemeint hat. Ich sollte mir viel eher Gedanken darum machen, ob ich seinem Rat Folge leiste und den Prosecco austrinke, oder ob ich ihn mir einteile. Letzteres wäre definitiv gesünder und vernünftiger, so viel ist klar. Vor allem wenn ich daran denke, was für ein Kater mir nach so einer Aktion bevorstünde.

Leider bin ich nicht die Bohne vernünftig.

So ist es auch kein Wunder, dass ich am nächsten Morgen mit heftigen Kopfschmerzen erwache. Ich bin nicht unbedingt super trinkfest und zudem auch keine achtzehn mehr. Hätte ich mir eigentlich auch denken können. Drauf geschissen.

Entschlossen schwinge ich meine Beine über die Bettkante, um mich für meine heutige Schicht bei Wilhelm fertig zu machen – doch der plötzlich auftretende, schneidende Schmerz in meinem Kopf macht mir einen fetten Strich durch die Rechnung. ›Dachtest du wohl, was?‹, verhöhnt mich meine innere Stimme. Ich versuche, nicht zu viel hinzuhören und mich stoisch von meinem spontanen Schwindelanfall zu erholen.

Nachdem ich mir die Zähne geputzt habe und an Frühstück denke, überkommt mich nicht sofort eine heftige Welle der Übelkeit, was ich als gutes Zeichen deute. So verkatert kann ich also dann nicht sein.

Doch ich soll mich täuschen.

Obwohl mir Übelkeit bis Mittag weitestgehend erspart bleibt, hämmert mein Kopf so heftig, als hätte ich ihn persönlich beleidigt. Was für eine Scheiße...

Als es Zeit für eine Pause ist, schlurfe ich in die Küche und versuche mir nicht allzu stark anmerken zu lassen, wie es mir geht. Das hätte ich mir jedoch getrost sparen können, wie sich herausstellt.

»Ach du liebe Zeit, du siehst aber nicht unbedingt taufrisch aus«, merkt Wilhelm mit einem nachsichtigen Lächeln an, als ich mich im Schneckentempo auf den Tisch mit dem bereits angerichteten Mittagessen zubewege. Heute gibt es Lasagne. Obwohl mein Magen durchaus aufnahmefähig ist, spüre ich bedauerlicherweise nicht den gleichen Appetit, den ich sonst bei dem Gericht spüre.

»Naja«, setze ich an und lasse mich auf meinen Stuhl fallen, »hab ein Gläschen zu viel getrunken.« Er nickt wissend, reitet aber nicht weiter auf dem Thema herum, wofür ich ihm sehr dankbar bin.

...

Als ich mich später wieder an die Arbeit mache, spüre ich nun doch etwas Übelkeit. Das kann aber auch daran liegen, dass ich schlicht zu viel von der Lasagne gegessen habe.

Gerade putze ich die hellblauen Fliesen im Gästebad und ignoriere die Kopfschmerzen, die das verschnörkelte Muster auf den Fliesen verursachen. Einfach immer weiter machen und nicht zu viel nach unten sehen.

»Ich habe heute mein erstes Lob für die Visitenkarten bekommen!«

Vor Schreck lasse ich den Griff des Wischmopps fallen, der donnernd auf dem Boden aufschlägt. Mit rasendem Herzen und auf die Brust gepresster Hand drehe ich mich um. Sten lächelt mir so begeistert entgegen, dass ich, hätte ich noch einen Wischmopp zur Verfügung, den ganz sicher auch fallengelassen hätte.

»Sten! Du kannst mich nicht immer so erschrecken! Das ist nicht das erste Mal!«, brause ich auf, doch er scheint mich gar nicht zu hören. Irgendwie hat er heute besonders gute Laune. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das nur mit dem Lob an dem neuen Kartendesign zu tun hat. Wahrscheinlich steckt mehr dahinter.

»Was ist los, Sten?«, schiebe ich deshalb mild lächelnd hinterher. Er zuckt zwar lässig mit den Schultern und lehnt sich, immer noch eine Spur dieses Grinsens von vorhin im Gesicht, gegen den Türrahmen.

»Nicht viel. Außer, dass unsere Firma, was den Umsatz angeht, heute morgen landesweit auf Platz zwei aufgestiegen ist. In der Branche, meine ich.«

Ich strahle ihn an. »Hey, das sind tolle Neuigkeiten! Herzlichen Glückwunsch!«

Er lächelt, schüchtern nun. »Danke. Das bedeutet mir wirklich viel.«

»Ich hoffe doch, dass du dir heute genügend Zeit zum Feiern nehmen wirst!«, mahne ich, denn Sten ist einfach ein Workaholic durch und durch, wie ich schnell gemerkt habe. Er hebt die Schultern. »Naja, was soll ich sagen? Es gibt immer was zu tun. Nur weil ich einen persönlichen Erfolg zu feiern habe, bedeutet das nicht, dass die Arbeit stillsteht.«

Ich runzle die Stirn. »Dir ist aber klar, dass das keine sehr gesunde Einstellung ist?«

»Ja, ist mir bewusst.«

»Okay, wenigstens etwas. Aber feiern solltest du trotzdem.«

Er seufzt tief und antwortet nicht sofort. Schließlich knickt er doch ein. »Also, gut. Aber nur, wenn du mitfeierst.«

»Klar!«, kommt es mir prompt – eine Spur zu schrill – über die Lippen. Sten blickt paranoid über die Schulter, dann beugt er sich ein wenig zu mir und flüstert: »Damit mein Vater zufrieden ist.« Ich nicke hastig. Vielleicht eine Spur zu hastig, denn ich wäre mit meinem Dickschädel fast gegen seinen geknallt. 

»Natürlich, Wilhelm wird vor Freude zehn Pirouetten drehen.« Sten schnaubt belustigt. »Was für eine seltsame Vorstellung. Aber gut, ich melde mich dann nochmal bei dir, die Details betreffend.« Sein geschäftlicher Tonfall ist ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er ihn sogar mir gegenüber anschlägt.

Vielleicht hat er sich aber auch einfach nur wieder daran erinnert, dass wir tatsächlich eine Geschäftsbeziehung pflegen. Darüber möchte ich aber nicht weiter nachdenken. 

Wir verabschieden uns flüchtig und ich mache mit meiner Arbeit weiter. Während ich den Boden weiter mit meinem Mopp bearbeite, versinke ich in Gedanken. 

Gedanken darüber, dass diese Grenze zwischen privater und geschäftlicher Beziehung bei Sten und mir schon längst verwischt ist... und immer undeutlicher wird.

Not My FitWhere stories live. Discover now