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Ich lief auf und ab, wie ein Tier, meine Nerven angespannt, während ich darauf wartete, dass mein Bruder und mein Verlobter zurückkehrten. Mein Vater hatte über den geschäftlichen Papieren gehangen, während meine Mutter und die Zofe Emily mit den Vorbereitungen für die Hochzeit beschäftigt waren. Daher hatten sie nicht bemerkt, dass sie überhaupt weg waren.

Meine Schwester versuchte mich zu beruhigen. "Es wird schon alles gut werden, Elizabeth. Mach dir keine Gedanken", sagte Victoria sanft, doch natürlich machte ich mir Sorgen. Ich wusste nur allzu gut, wozu Albert Collingwood im Stande war. Andererseits wussten die beiden sich auch zu verteidigen.

Es war kräftezehrend und es verging eine weitere Stunde, als sie endlich wieder auftauchten.

Sofort nahm ich die beiden in Beschlag.

"Was ist passiert? Geht es euch gut?", fragte ich besorgt.

Beide versicherten mir, dass alles in Ordnung sei.

"Er ist sehr aufgebracht", erklärte Henry.

"Weil einer seiner Bediensteten nun einen höheren Rang im Adelsstand hat als er", witzelte mein Bruder leicht, doch die Ernsthaftigkeit seiner Worte war nicht zu übersehen.

"Er möchte sich duellieren", erklärte Henry weiter.

Duellieren? Der Gedanke allein ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Zwei Männer, zwei Waffen. Und am Ende könnte nur einer von ihnen überleben.

"Henry! Ich werde nicht zulassen, dass..." Meine Worte wurden von dem Herzog unterbrochen. "Kein Duell um Leben und Tod, Elizabeth."

"Nicht?", hakte ich verwirrt nach.

"Nein", bestätigte William. "Er möchte einen Boxkampf. Mann gegen Mann. Um die Ehre zu verteidigen."

Victoria mischte sich ein. "Aber er weiß doch, dass der Herzog ein begnadeter Boxer ist."

"Ja, aber das heißt nichts. Er ist aufgebracht und wer sauer ist, hat seine Wut nicht unter Kontrolle", erklärte Henry.

Mir schnürte sich die Kehle zu. Ein Boxkampf mochte weniger tödlich sein als ein Duell mit Schusswaffen, aber dennoch konnte viel Schaden angerichtet werden.

"Bitte, Henry, sei vorsichtig", flüsterte ich und er drückte meine Hand beruhigend.

"Ich verspreche es", sagte er mit einem ernsten Blick, der mir zeigte, dass er sich der Gefahr bewusst war und alles tun würde, um sie zu minimieren.

♕♕♕

In der kommenden Nacht sollte bereits der Boxkampf stattfinden. Henry blieb nicht viel Zeit, um sich vorzubereiten. Er hatte monatelang nicht trainiert, weil er andere Aufgaben hatte, um die er sich kümmern musste. Er war nicht in seiner Topform, doch hatte Albert Collingwood deswegen höhere Chancen?

Mich zitterte es am ganzen Leib, während ich mich anzog. Ich hatte Angst. Angst, dass dem Herzog etwas passieren würde. Dass Albert Collingwood stärker war als gedacht. Dass er Henry Schaden zufügen würde.

Es war nicht der erste Kampf, den ich sah, aber vor diesem graute es mir am meisten.

William klopfte und trat in mein Gemach.

"Du willst mit?", fragte er irritiert.

"Natürlich", antwortete ich mit einer Selbstverständlichkeit in der Stimme. "Ich muss, William, und du wirst mich nicht davon abhalten können. Niemand."

Es wurden einige Gäste geladen, darum hatte sich Albert Collingwood natürlich gekümmert. Es ging darum, seine Ehre zu verteidigen, immerhin war ich die Frau, die ihm von seinem ehemaligen Bediensteten weggenommen wurde. Hatte er auch bedacht, wie es ankommen würde, wenn er verliert?

Diese Frage machte mich stutzig und gleichzeitig ängstlich. War er so gut vorbereitet? Wer wäre so unklug und würde eine Niederlage vor allen in Kauf nehmen, wenn er nicht gut genug vorbereitet war. Vielleicht war er deshalb so lange weg?

"Ich habe Angst, William."

"Weiß ich. Der Duke ist ein sehr guter Kämpfer. Vertrau ihm", beruhigte er mich.

Wir gingen nach draußen, wo bereits Henry vor der Kutsche wartete. Er trug ein einfaches, aber dennoch elegantes Outfit. Eine schwarze Hose, ein weißes Hemd und eine dunkle Weste. So wie früher, nur wirkte alles plötzlich ein wenig edler. Sein Gesicht war angespannt, aber auch entschlossen.

"Elizabeth", hauchte er in die Dunkelheit.

"Versuch mich nicht davon abzubringen", stellte ich gleich klar, doch er schüttelte den Kopf. "Ich freue mich, dass du mich begleitest."

Als wir gerade dabei waren, in die Kutsche zu steigen, kam Victoria angelaufen. "Hey, wartet auf mich!", rief sie. Sobald sie ankam, stieg sie ein und äußerte die gleichen Worte wie ich. "Wehe euch, wenn ihr versucht, mich davon abzuhalten. Ich komme mit."

Ich lächelte, während sie sich neben William setzte und tief Luft holte. Die Kutsche fuhr los und nach einigen Minuten der Stille kamen wir an dem Ort des Geschehens an. Der Keller, den ich bereits kannte. Nur war ich bisher nicht in der Nacht dort gewesen.

Es herrschte eine unheilvolle Stille, als wir eintrafen. Das Gemäuer war düster und von schwachem Licht erhellt, das von einigen Fackeln an den Wänden stammte. Ich konnte das dumpfe Geräusch von leisen Unterhaltungen hören, aber ansonsten war es still.

Albert war noch nicht da, aber ich spürte die Spannung in der Luft. Die Anwesenden schienen nervös zu sein, ihre Blicke wanderten zwischen Henry und dem Eingang hin und her.

Ich kannte die Leute dort nicht persönlich, aber ich erkannte einige von ihnen aus der Stadt wieder. Sie waren Männer von zweifelhaftem Ruf und ihre Anwesenheit verstärkte mein Unbehagen. In mir tobte ein Sturm aus Angst, Sorge und einer ungewissen Hoffnung. Die Angst um Henry und sein Wohlergehen durchdrang jeden meiner Gedanken, während die Sorge um den Ausgang des Kampfes an meinen Nerven zerrte. Doch irgendwo tief in mir glimmte ein Funken Hoffnung, dass alles gut ausgehen würde.

Als die Zeit verging, wurde die Spannung immer spürbarer. Jede Minute fühlte sich an wie eine Ewigkeit und mein Herz schlug so laut, dass ich dachte, es würde aus meiner Brust springen.

Plötzlich, als wir alle in erwartungsvoller Stille verharrten, trat Albert Collingwood durch die Tür. Sein Gesicht war finster und sein Blick war kalt und berechnend. Die Luft schien noch dicker zu werden, als er sich in die Mitte des Raumes begab und Henry mit einem herausfordernden Blick ansah. Die Atmosphäre war elektrisch geladen, als die beiden Männer sich gegenüberstanden, bereit, ihre Ehre im Ring zu verteidigen.

Henry trat einen Schritt näher, seine Augen suchten meine. Er nahm meine Hand und hielt sie fest. "Pass auf dich auf, Elizabeth", flüsterte er leise, seine Stimme von Emotionen durchdrungen, während er mich fest ansah.

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich versuchte, meine Tränen zurückzuhalten. "Du auch, Henry. Sei vorsichtig", erwiderte ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

Er drückte meine Hand fester und legte sanft seine andere Hand auf meine Wange. Ein warmes Gefühl durchströmte mich und ich zwang mich, ihm ein schwaches Lächeln zu schenken. "Er hat keine Chance gegen den Herzog!", machte ich ihm Mut.

Mit einem letzten Blick, der mehr sagte als tausend Worte, löste er sich von mir und wandte sich dem Ring zu. Sein Gang war bestimmt, seine Haltung entschlossen, als er sich darauf vorbereitete, in den Kampf einzutreten.

Ich beobachtete ihn mit einem Gefühl der Hoffnung und Angst und mein Puls raste vor lauter Aufregung. Die Menge um mich herum wurde unruhig, als die beiden Kontrahenten sich gegenüberstanden.

Ein stilles Gebet entglitt meinen Lippen, während ich Henry zusah, wie er in den Ring stieg. Ich konnte nur hoffen, dass er stark genug war, um den Kampf zu überstehen und zu gewinnen.

Royal Escape (ONC 2024)Where stories live. Discover now