Royal Escape (ONC 2024)

|2|

Der Ballsaal war das reinste Farbenmeer, als ich mit einem erzwungenen Lächeln an Albert Collingwoods Seite tanzte. Die Eleganz seines Anwesens stand in jeglichem Kontrast zu der Unbehaglichkeit, die mich bei jedem Schritt begleitete. Alberts Hand, die meine Taille umfasste, fühlte sich an wie eine eisige Kette, aus der ich mich nicht befreien konnte. Mein Herz wurde schwer und mein Atem ging nur stoßweise.

Die Worte, die er sprach, verloren sich in der Melodie des Walzers. Ich versuchte mich auf die Bewegungen zu konzentrieren, während meine Gedanken jedoch eine eigene Choreografie tanzten. Mein Blick wanderte durch den Saal, erfasste flüchtig die Gesichter meiner Familie, während ich akribisch nach einem Rettungsanker suchte.

Mein Vater stand mit einem Glas Brandy in der Hand, umgeben von anderen adligen Herren. Es folgte ein kurzer Blickkontakt und er nickte mir ermutigend zu. Als ob er sagen wollte: "Halte durch, Elizabeth, es ist für das Ansehen unserer Familie."

Auf der anderen Seite des Raums stand meine Mutter in einem edlen Kleid, inmitten einiger Damen. Ihr Blick ruhte auf mir, als ob sie jede Regung meines Herzens durchschauen könnte. William war in einer Gruppe von Gentlemen vertieft, während Victoria, meine zwei Jahre jüngere Schwester, sich schüchtern am Rande des Geschehens aufhielt. Ich hatte das Gefühl, dass jeder in meiner Familie tun konnte, was er wollte. Nur ich musste Zeit mit dem Mann verbringen, den ich nicht ausstehen konnte und mit dem ich - nach dem Wunsch meines Vaters - in Zukunft einen Haushalt teilen sollte.

Alberts unbeholfene Schritte zerrten an meinen Nerven. Er versuchte, irgendein belangloses Gespräch aufrechtzuerhalten, während wir uns im Takt der Musik bewegten. Ich fühlte mich gefangen und jeder Moment mit ihm erschien mir wie eine Ewigkeit.

"Ein bezaubernder Abend, nicht wahr?", versuchte er das Eis zu brechen.

"Ja, bezaubernd", bestätigte ich ihm mit einem höflichen Lächeln, doch in meinem Inneren tobte ein Sturm vor lauter Verzweiflung. Die Hitze im Saal wurde erdrückend, die Enge erstickend.

"Entschuldigen Sie mich bitte einen Moment. Ich fühle mich ein wenig benommen. Die Hitze im Saal", erklärte ich.

Er nickte verständnisvoll und ich wandte mich erleichtert ab. Die frische Luft draußen empfing mich mit einem leichten Regenschauer. Der Duft der nassen Erde und der Blumen, vermischt mit dem kühlen Wind, brachte mir einen kurzen Moment der Ruhe. Ich schlenderte mit einem Regenschirm durch den verwunschenen Garten, meine Gedanken ein wildes Durcheinander von Emotionen. Mein Herz klopfte nicht vor Aufregung, sondern vor der Last der Erwartungen, die von mir verlangt wurden. Ich war eine Marionette in einem Spiel, dessen Regeln ich nie akzeptiert hatte.

Ein pavillonartiger Rückzugsort tauchte vor mir auf, mit bunten Blumenranken geschmückt. Ein perfekter Ort für einen Augenblick der Flucht. Als ich den Pavillon erreichte, bemerkte ich einen jungen Mann, einen Bediensteten vielleicht, der auf einer Bank saß und ein Buch las. Er hob überrascht den Blick, als er mich sah.

"Entschuldigen Sie, Miss. Ich werde Euch Euren Freiraum lassen", sagte er höflich und schlug das Buch zu. Mein Blick verweilte über seiner Augenbraue, wo eine markante Narbe ihre eigene Geschichte auf seiner Haut hinterlassen hatte.

"Sie stören mich nicht im Geringsten", erwiderte ich und setzte mich auf die Bank ihm gegenüber. Die Hitze des Ballsaals schien nun weit entfernt zu sein und endlich hatte ich das Gefühl, wieder atmen zu können. "Ein ruhiger Ort, um dem Trubel zu entkommen."

"Ja, Miss. Manchmal ist es hier draußen wirklich friedlich."

Ich konnte nicht anders, als zu lächeln. "Der Lärm und die Zwänge mit dieser Verpflichtung sind nicht jedermanns Sache."

Er nickte zustimmend. "Manche bevorzugen die Stille und die Natur. Die Ruhe eines Ortes wie dieser kann heilend sein."

"Wie recht Sie haben", stimmte ich zu und betrachtete die Blumen, die sich im sanften Wind wiegten. "Die Natur vermag es, einem Frieden zu schenken, den die Menschen oft vergessen."