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Das Gefängnis wirkte wie eine Festung aus vergangenen Zeiten, als Victoria und ich uns dem düsteren Eingang näherten. Die massiven Steinmauern schienen uns zu erdrücken und das dumpfe Geräusch von klirrenden Ketten drang an unsere Ohren. Ein eisiger Hauch von Verzweiflung hing in der Luft, als wir beschlossen in das dunkle Innere des Gebäudes zu gehen.

Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit. Die Steinmauern schienen die letzten Reste des Tageslichts zu schlucken und das Knarren der schweren Tür verstärkte das unheimliche Gefühl, das mich ergriff. Ich zwang mich, ruhig zu bleiben, während wir tiefer in das Labyrinth aus Gängen und Zellen eindrangen.

Die Blicke der Wachen und der anderen Insassen ließen mir eine Gänsehaut über den Rücken laufen. Ich fühlte mich fehl am Platz in dieser düsteren Umgebung und meine Brust schnürte sich zu. Doch ich zwang mich, weiterzugehen, meine Entschlossenheit war stärker als meine Angst.

Schließlich erreichten wir den Wachposten des Gefängnisses. Mein Herz pochte wild in meiner Brust, als ich den mürrischen Blick des Wärters sah. Ich schluckte schwer und wagte kaum, mich umzusehen.

"Ich suche nach Henry Jefferson", sagte ich mit zittriger Stimme, meine Hände waren schweißnass. "Er ist unschuldig, er muss freigelassen werden."

Der Wärter sah mich mit einem Ausdruck voller Verachtung an. Ein bitteres Lachen drang aus seinem Mund und ich konnte die vergilbten Zähne und die Lücken sehen, die ihn entstellten. Mit seiner verwitterten Kleidung und den wenigen Haaren sah er aus, als wäre er selbst gerade aus einer Zelle entlassen worden.

Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich sein spöttisches Grinsen sah. "Zu spät, meine Damen. Henry Jefferson weilt nicht mehr hier."

Als die Worte des Wärters mein Ohr erreichten, fühlte es sich an, als würde die Welt um mich herum für einen Moment stehen bleiben. Ein Schock überkam mich, während ich versuchte, die Bedeutung seiner Worte zu erfassen. Henry war nicht mehr in diesem Gefängnis. Doch wo war er dann?

"Ist er ... tot?", fragte meine Schwester, während mir speiübel wurde.

Ein erneutes Lachen, dreckig wie die Straßen Londons in diesem Viertel, durchdrang seine Kehle. "Nein. Er wurde heute morgen freigelassen."

"Freigelassen?", wiederholte ich ungläubig, als ich den Wärter ansah. Mein Herz hämmerte wild gegen meine Rippen und ich spürte, wie meine Knie weich wurden. Es war schwer zu begreifen, dass Henry möglicherweise frei war, nach all dem Leid und der Ungerechtigkeit, die er ertragen musste.

Aber der Wärter nickte langsam, sein Gesicht verzerrt von einem Ausdruck, den ich nicht ganz deuten konnte. "Ja, meine Damen, er wurde freigelassen", antwortete er mit Verachtung in seiner Stimme. "Aber seid versichert, er wird nicht weit kommen."

"Was meinen Sie damit, er wird nicht weit kommen?", fragte ich panisch. Die Worte des Wärters hatten eine düstere Bedeutung, die meinen Atem zum Stocken brachte.

Er seufzte schwer und schüttelte den Kopf. "Henry Jefferson ist ein markierter Mann. Sein Schicksal ist besiegelt, ganz gleich, ob er hinter Gittern sitzt oder nicht."

Eine eisige Kälte breitete sich in meinem Inneren aus. Das Gefühl der Erleichterung verblasste und eine Welle der Angst überkam mich. Henry war nicht sicher, selbst wenn er aus dem Gefängnis entlassen worden war. Sein Leben war noch immer in Gefahr und ich konnte nichts tun, um ihn zu schützen.

"Danke für die Information", sagte ich mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war. "Wir werden gehen."

Der Wärter nickte knapp und kehrte zu seinen Pflichten zurück, als ob unsere Anwesenheit ihn nicht weiter interessierte. Victoria und ich verließen das Gefängnis und machten uns auf die Suche nach Henry. Unsere Schritte hallten in den überfüllten Straßen wider, während wir uns in der Menge umsahen.

Wir beschlossen, in ein nahegelegenes Wirtshaus zu gehen, um uns zu beruhigen und zu überlegen, was wir als nächstes tun sollten. Als wir die Tür öffneten, wurden wir von warmem Licht und dem Geräusch von fröhlichen Gesprächen empfangen. Der Geruch von frischem Brot und dampfendem Tee stieg uns in die Nase und ich spürte, wie sich meine Nerven langsam beruhigten. Henry war frei, das war das wichtigste.

Wir suchten uns einen Tisch in einer abgelegenen Ecke des Wirtshauses und bestellten Tee. Während wir warteten, sprachen wir über Henry und fragten uns, wo er sein mochte. Unsere Gedanken waren bei ihm, und wir hofften, dass er sicher und unversehrt war.

Doch plötzlich sprach uns eine Frau mittleren Alters mit dunklen lockigen Haaren an. Sie war eine Angestellte in diesem Lokal, die uns die Bestellung brachte. Ihr Blick war misstrauisch. Unbehagen breitete sich in mir aus. "Was wollt ihr von Henry Jefferson?", fragte sie mit einer scharfen Stimme, während sie uns durchdringend ansah. Ihre Augen funkelten vor Argwohn. "Er hatte genug Ärger. Haltet Euch von ihm fern."

Ich schluckte schwer und versuchte, meine innere Unruhe zu verbergen. "Wir sind Freunde von Henry", antwortete ich so ruhig wie möglich, obwohl meine Stimme zitterte. "Wir möchten nur sicherstellen, dass es ihm gut geht."

Mit einem skeptischen Blick scannte sie mich ab. "Ihr seid Elizabeth, nicht wahr?"

Ich nickte langsam, meine Augen auf sie gerichtet. "Ja, das bin ich. Und wer sind Sie?"

Die Frau lächelte leicht und ihre Augen glänzten plötzlich vor Interesse. "Ich bin Constance. Henrys Mutter", antwortete sie ruhig. "Er hat viel von Euch gesprochen. Aber ... er hat nicht gelogen, als er von Eurer Schönheit geschwärmt hat."

Die Schamesröte stieg mir bei ihren Worten ins Gesicht und mein Herz erweichte sich. Es war seltsam, plötzlich vor Henrys Mutter zu stehen, und ich wusste nicht genau, wie ich mich verhalten sollte. "Können Sie uns sagen, wo Henry ist?"

Constance sah mich einen Moment lang schweigend an und ich konnte die Spannung in der Luft förmlich spüren. Dann, nach einem Augenblick des Zögerns, setzte sie sich neben uns auf einen Stuhl. Victoria nippte an ihrem Tee, während ich mich darauf konzentrierte, jedes Detail aufzunehmen. "Er ist bei seinem Vater", sagte sie schließlich mit einem Seufzen.

Freude überkam mich, denn ich hatte einen weiteren Anhaltspunkt gefunden. Doch Henrys Mutter atmete tief durch, als ob sie sich auf das konzentrieren müsste, was sie als nächstes sagen würde. "Es ist eine lange Geschichte", begann sie schließlich langsam. Ihre Augen wirkten müde und ich bemerkte, wie sehr sie unter der Last der letzten Tage litt. "Aber ich werde versuchen, mich kurz zu fassen."

Ich lauschte gespannt, als sie zu erzählen begann. Vor fünfundzwanzig Jahren hatte sie als Angestellte beim Dutch of Cambridge gearbeitet, erklärte sie. Der Herzog und seine Ehefrau hatten sich Kinder gewünscht, doch es hatte nicht geklappt. Die Spannungen zwischen ihnen waren groß und sie stritten viel.

"Und dann begannen wir eine Affäre", fuhr sie fort. "Eine leidenschaftliche Affäre, die wir vor seiner Ehefrau versteckten. Doch als sie es herausfand, warf er mich raus."

Ein Gefühl der Empörung stieg in mir auf, als ich die Ungerechtigkeit ihrer Geschichte hörte. Henrys Mutter stand da, ohne Job und ohne Unterstützung, obwohl er ebenso schuld an dem Ehebruch war.

"Ich wusste nicht, dass ich schwanger war", offenbarte sie schließlich. Victoria verschluckte sich an ihrem Tee, während ich Henrys Mutter mit weit aufgerissenen Augen ansah.

Royal Escape (ONC 2024)Where stories live. Discover now