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Der Abend brach gerade herein, als Henry mich zu einer Verabredung einlud. Sein verschmitztes Lächeln verriet, dass er etwas Besonderes geplant hatte. "Miss Lancaster, ich habe eine Überraschung für Euch", sagte er mit einem Funkeln in den grauen Augen.

Ich konnte meine Neugier kaum verbergen. "Oh, wirklich? Was haben Sie vor?"

"Ihr werdet schon sehen", antwortete er geheimnisvoll. Wir schlenderten durch die belebten Straßen Londons, die Luft erfüllt von den Gerüchen der Stadt waren. Nach einer Weile erreichten wir einen Ort, den ich in meinen kühnsten Träumen nicht einmal erahnt hätte.

Es war ein Boxkeller, abseits der Hauptstraßen und versteckt vor den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit mit dem intensiven Geruch von Schweiß und dem Aufheulen der Menge. Mein Blick huschte von den schäbigen Wänden zu dem Ring im Zentrum des Gemäuers.

"Willkommen in meiner Welt, Elizabeth", sagte Henry und ich spürte, wie die Aufregung in der Luft schwebte. Dass er mich ohne Erlaubnis beim Vornamen nannte und dieses Geheimnis mit mir teilte, bekräftige mich in der Annahme, einen Freund in Henry gefunden zu haben. Es war aufregend.

Ich folgte ihm zu einem Platz am Rand des Rings, als sich die beiden Kämpfer darauf vorbereiteten, ihre Kräfte zu messen. Henry wirkte konzentriert. Als einer der Kämpfer den anderen zu Boden schickte, brach Jubel in der Menge aus, begleitet von wilden Wettrufen.

Henry wandte sich mir zu. "Das hier ist ein Ort, an dem Männer ihre Kämpfe austragen, um Geld zu gewinnen. Ein riskanter Weg, aber es ist mein Weg, um etwas dazu zu verdienen."

Ich wusste nicht, ob er das Wetten oder das Kämpfen meinte und starrte auf den Ring, meine Gedanken von Faszination und gleichzeitig von Erschütterung durchzogen. "Aber warum? Warum nehmen Menschen solche Schmerzen auf sich?"

Er seufzte und sah mich ernst an. "Manche Menschen haben keine andere Wahl, Elizabeth. Das Leben zwingt sie zu solchen Entscheidungen. Hier im Ring haben sie die Kontrolle über ihren eigenen Kampf."

Ich ahnte, dass er nicht zum Wetten hier war. Alleine bei dem Gedanken daran, Henry könnte ebenso Schmerzen für ein paar weitere Pfund in Kauf nehmen, zog sich mein Magen schmerzlich zusammen. Ich vermutete, dass die tiefe Narbe in seinem Gesicht von einem der Boxkämpfe stammte. Während ich weiter beobachtete, konnte ich nicht umhin, die rohe Intensität des Moments zu spüren und litt bei jedem Schlag mit ihnen. Mit den Männern, die sich dem Leid stellten, nur um am Ende vielleicht mit einer Handvoll Münzen davonzukommen. Die Wetten und die aufgeheizte Atmosphäre, die den Raum durchzog, machten die Situation surreal.

Nach einer Weile stand Henry auf. "Ich bin an der Reihe. Wünscht mir Glück."

Fassungslos keuchte ich. Eine Gänsehaut überzog meinen Körper, obwohl es in diesem Keller brühend warm war. Mein Atem stockte und ich zog besorgt meine Augenbrauen eng zusammen. "Viel Glück, Henry!"

Er war derjenige, der heute am Kampf teilnehmen würde. Die Menge reagierte aufgeregt, als er sein Hemd auszog und den Ring betrat. Meine Hände zitterten vor lauter Angst. Ich spürte einen tief sitzenden Kloß in meinem Hals, der sich nicht herunterschlucken ließ.

Der Kampf begann und ich verfolgte die Schläge und Ausweichmanöver, während Henry sich seinem Gegner behauptete. Die Menge tobte, die Spannung in der Luft war greifbar. Ich erwischte mich sogar dabei, wie ich eifrig mitfieberte, obwohl ich gar nicht mitansehen wollte, wenn er Schläge abbekam. Manchmal hatte ich das Gefühl, mein Herz würde stehenbleiben. Doch als er schließlich als Sieger aus dem Ring hervorkam, brach Jubel aus und ich konnte wieder durchatmen. Ich war unendlich stolz auf ihn.

Henrys muskulöser Körper trug die Spuren des intensiven Kampfes mit sich und Schweiß glänzte auf seiner Haut. Ich betrachtete ihn aus der Ferne und spürte etwas, was ich noch nie zuvor gespürt hatte. Ein Ausdruck der Anerkennung und Genugtuung lag in meinen Augen, doch da war noch etwas anderes. Mit wurde schlagartig heiß und ich hatte das Gefühl, als seien meine Lippen ausgetrocknet. Ich befeuchtete sie langsam, während Henry auf mich zukam. Ich war wie gebannt, als er sich die Schweißperlen von der Stirn wegwischte und mich stolz anlächelte.

Royal Escape (ONC 2024)Where stories live. Discover now