Kapitel 26: Befreiung

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Nachdem wir das Paket auf den Weg geschickt hatten, stellte ich mich mit Cecilia vor der Schar an der von uns befreiten Sklaven. Es waren wohl um die Vierhundert. Sowohl ihre Barracken als auch das Herrenhaus brannten. Die Plantage wurde auch gerade von Flammen zerfressen.

Das helle, rote Flackern überall um uns herum verdrängte sogar das Sternenlicht.

Ich verschränkte die Arme hinter meinem Rücken und betrachtete die ausgezehrten und müden Gesichter. Die meisten waren dem Tod näher als dem Leben. Da war keine Furcht in ihnen. Sowas hatte ich damals schon in meinen Lagern gesehen. Irgendwann fürchtete man die Wache nichtmehr und nahm nur noch stumpf hin, dass das Unvermeidliche jederzeit passieren könnte.

»Ihr könnt gehen, wohin ihr wollt«, sprach ich laut und bestimmt. »Eure alte Heimat, neue Horizonte oder sogar hinein die Flammen hier. Ich werde euch nicht aufhalten. Wer nicht weiß, wohin er gehen soll, der kann mit mir ziehen. Ich habe einen sicheren Ort oben in den Bergen. Als Gegenleistung erwartete ich Respekt vor mir und den dortigen Götzen. Ich bin eine Priesterin und toleriere keinerlei Blasphemie.«

Plötzlich wankte Cecilia neben mir und knickte ein. Geschwind trat ich an ihre Seite und fing sie auf.

»Oh je«, meinte ich. »Es war wohl doch zu viel für sie heute, sowohl körperlich als auch emotional. Nun gut, soll sie sich erholen.«

Ich nahm eine Decke aus einer der Wachstuben, wickelte das Mädchen darin ein und verließ die Ländereien des Grafen. Erst beim Tempel blickte ich zurück, um zu sehen wer mir gefolgt war.


Die Sklavin war anscheinend wirklich entwischt.

Übelgelaunt ritt Izanos über den Kiespfand in Richtung Heim. Hinter ihm waren zehn seiner Männer, die gähnten und grunzten.

So gern er der Göre die Gedärme aus dem Leib zerren wollte, war er inzwischen so müde, dass er einfach nur baden, seinen Geschwistern auf die Stirn küssen und ins Bett gehen wollte.

Um sie herum war ein gut gepflegtes Lustwäldchen mit genau zugeschnittenen Bäumen und einem laubfreien Boden. Glühwürmchen schwirrten umher.

Es war ein Ort der Entspannung und richtige Gärten und dekorative Ruinen sollten auch bald folgen. Sein Vater plante eine richtige Burg zu bauen und dann halb wieder niederzureißen. Sollte eine schöne verwunschene Atmosphäre erzeugen.

Es wird sicherlich wunderbar, wenn alles fertig ist.

Sich nur noch mit Mühe auf seinem Pferd haltend ritt Izanos um einen künstlichen Hügel herum, bereit die beleuchteten Fenster des Herrenhauses zu sehen.

Stattdessen brannte der Horizont.

Ungläubig hielt er an und die Männer hinter ihm murmelten in Schrecken einige Gebete.

Die Ländereien. Die Plantagen. Die Gebäude. Alles war verschwunden. Nur eine Wand auf Feuer war dort.

Was? Was ist hier passiert? Räuber? Monster?

Der Schrecken blieb nur kurz in seinen Adern. Sofort wollte er seinem Ross die Sporen geben, um zu seiner Familie zu kommen. Doch dann bemerkte er vor sich eine Gestalt auf eine der gebogenen Brücken, die die sich über die Teiche und Bäche hier spannten.

Es war ein Mensch in gebeugter Haltung und einem blutigen Gewand.

»Wer da!«, rief der Adelssohn, stieg ab von seinem Pferd und griff zu seinem Schwert.

Mit stolpernden Schritten kam die Person näher, das Haar wild und wimmernd. Etwas lag in den Armen des Flüchtlings.

Vorsichtig trat Izanos näher und die Gestalt blickte auf.

Es war ein von Wahnsinn gezeichnetes Gesicht. Die Augen schienen nichts mehr richtig zu erfassen und dicke Tränen trieben Rinnsale in die Asche, die sich auf die Wangen gelegt hatte. Die untere Lippe zuckte und tausend Leben schienen sich in jeder Falte der Stirn verloren zu haben.

Ein gebrochener Mann stand vor Izanos. Ein Mann den er kannte.

»Vater!«, rief er aus und rannte umgehend zu ihm. Der Rest seines Gefolges kam zögernd hinterher.

Der Graf schien beinahe zu kollabieren und musste an den Schultern gehalten, damit er nicht stürzte.

»Ah«, meinte der Gutsherr und seine Augen hellten sich leicht auf. »Mein Erstgeborener. Was für eine Freude dich zu sehen!«

»Vater«, murmelte Izanos in Unglauben zu alldem, was gerade um ihn geschah. »Bei Sirith, was ist geschehen! Wo sind die anderen? Wo ist Auriar? Melina? Olga? Geht es ihnen gut?«

Verwirrung legte sich nun über den Grafen, bevor er auf schreckliche Art und Weise zu lächeln begann. »Izanos. Mein lieber Izanos, was redest du da? Deine Geschwisterchen sind doch hier bei uns.«

Trotz des Lächelns weinte der Graf nun dickere Tränen und zum ersten Mal sah der Adelssohn hinab zu dem, was er in den Armen trug.

Es waren die kleinen Köpfchen seiner Geschwister, die Münder weit geöffnet und die Augen nach hinten verdreht.

Er wollte schreien. Doch bevor auch nur ein Laut hervorkam, blitzen dunkle Flammen zwischen den Zähnen der enthaupteten Kindsschädel auf und eine finstere Explosion verschluckte sie alle.

Trümmer der Brücke fielen in das stille Wasser.

Das Paket war angekommen.



Das Wispern aus dem AbgrundWhere stories live. Discover now