Kapitel 19: Die Ländereien des Grafen

4 0 0
                                    

»Und das war der Letzte«, meinte Malin zufrieden und warf den kleinen, grünen Körper eines Goblin auf den Leichenhaufen. »Damit sollten die Dorfbewohner hier keine weiteren Probleme mehr haben.«

»Das ist gut zu hören«, entgegnete ich und steckte mein kleines Messer in die Scheide.

Wir waren einen guten Tagesmarsch nordöstlich von Aronsfeld in einem Hügelgebiet. Bisher hatte mich keine Mission so weit von der Stadt fortgeführt.

»Ich denke, wir bekommen später ein kostenloses Abendessen in der Kneipe. So können wir gestärkt morgen aufbrechen.«

»Ich freue mich darauf«, sagte ich und sah zwischen den Bäumen in die Landschaft.

»Sag mal ist dir nicht kalt in deinem Kleidchen?«

Ich sah an mir herab. Wie immer trug ich das Gewand, was ich im Tempel bekommen hatte. Es war praktisch, da Schmutz nie lange daran haften blieb und es auch niemals streng roch. Inzwischen hatte ich allerdings einen Ledergürtel, für meine kleine Waffe. »Nein.«

»Magie, oder? Man, manchmal bin ich wirklich eifersüchtig auf euch.«

Um meine wahren Kräfte zu verheimlichen, gab ich mich als eine Magierin aus, die einige Zaubersprüche bezüglich des Winds und der Luft generell beherrschte. Einige meiner schwächsten Fähigkeiten konnte ich somit als was anderes ausgeben.

Die letzten drei Wochen hatte ich eine Mission nach der anderen übernommen. Die Chimäre hatte ein gutes Sümmchen eingebracht und mein Geldbetrag war durch die unermüdliche Arbeit stark angewachsen. Damit war eine kleine materielle Basis für meinen übergeordneten Auftrag angehäuft.

Weiterhin hatte ich durch die Gilde Zugang zu eintreffenden Nachrichten aus der restlichen Welt über das Botensystem. Beinahe täglich kam jemand an, der berichtete was sich in der Hauptstadt und Nachbarländern abspielte.

Noch schien die Weltgeschichte normal weiterzulaufen und der Standard der letzten paar hundert Jahre blieb erhalten. Doch ich wusste, dass dies nicht ewig zu bleiben würde. Allmählich musste ich beginnen die nächsten Schritte einleiten.

»Ach, du bist immer so wortkarg, Nilim«, rief Malin plötzlich und warf sich gegen mich. Zum wiederholten Male war ich in einer Umarmung der Halbelfe. »Aber gerade deswegen bist du auch so süß!«

Sie begleitete mich manchmal bei einigen der Missionen. Dank ihr hatte ich ein besseres Bild von den Gepflogenheiten und Regeln in der Gilde.

Während sie ihre Wange gegen mein Haar rieb, überlegte ich.

Ich brauchte Gehilfen. In meinem alten Leben hatte ich eine ganze Organisation hochgezogen, um die Welt zu formen, damit das Überleben der Menschheit garantiert war. Ich würde nicht drumherum kommen dasselbe hier zu tun.

Doch wo könnte ich die richtigen Personen finden?

Ich sah auf zu meiner Begleiterin und ein offenes und freundliches Lächeln erwiderte meinen Blick.

Malin war nicht gut. Ihr Herz war zu gutmütig und ihre Motive zu unschuldig. Hätten wir uns in meiner alten Welt getroffen, wäre sie wohl eine Feindin von mir gewesen. Denn egal wie rational und auf die Zukunft gerichtet schreckliche Taten waren, es gab immer welche, die keinerlei Grausamkeit akzeptieren konnten.

»Was ist dort hinten?«, fragte ich und nickte zu einem Flachland jenseits der Hügel und des Dorfes mit dem Goblinproblem. Einige Plantagen von Bäumen wuchsen dort in endlosen Reihen.

»Ah, das ist das Territorium des Grafen Secalour«, antwortete die Abenteurerin und ihr Gesicht verfinsterter sich. »Der reichste und mächtigste Mann in der ganzen Grenzregion. Aber ich mag ihn nicht.«

»Wieso nicht?«

»Er ist einer der größten Sklavenhalter im Reich. Sein Vater hat alle Leibeigenen freigelassen und dafür Unmengen an Menschen gekauft. Denn im Gegensatz zu Leibeigenen, muss ein Adliger Sklaven weder schonen noch schützen. Soweit ich gehört habe, überlebt man nur sechs Monate auf den Plantagen, bevor man an Überarbeitung stirbt. Man wird dann durch jemand Neues ersetzt. Ein endloser Zyklus des Todes.«

Sechs Monate? Dann macht er es nicht richtig. Wenn man vorhat jemanden zu Tode arbeiten zu lassen, kann man durch genau abgemessene Minimalprovisionen acht Monate oder vielleicht sogar neun rausbekommen. Aber vermutlich will hier niemand die Mathematik dafür durchkauen.

Ich schauderte, als ich daran dachte, wie ineffektiv diese Plantagen wohl im Vergleich zu meinen Arbeitslagern im alten Leben waren. Doch dann kam mir eine Idee.

»Sklaven, ja?«, murmelte ich zu mich selbst.

»Hast du was gesagt Nilim?«

»Ich glaube ich brauche eine kleine Pause. Hast du was dagegen, wenn ich die nächsten drei oder vier Tage hier verbringe?«


Das Wispern aus dem AbgrundTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon