Kapitel 17: Ende einer Expedition

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Nilim kam aus dem Gebüsch und zerrte etwas direkt hinter sich her. Die Pflanzen knickten vollends um und etwas Gewaltiges erschien auf der Lichtung und in Sicht der Abenteurer.

So einige Bierkrüge senkten sich langsam in schierem Unglauben und kein Wort wurde mehr gesprochen.

Der Schlamm wurde aufgewühlt, als das tote Wesen eine Schneide durch den Boden zog. Nilim selbst hielt eines der Ziegenhörner mit einer Hand und mit ruckhaften Bewegungen zerrte sie die Leiche mit sich. Ein Schritt, ein Ruck. Ein Schritt, ein Ruck. So hatte sie sich wohl den ganzen Weg von der Höhle hierher fortbewegt. Ihr Blick war strikt nach vorne gerichtet.

Das erlegte Monster selbst war mindestens sieben Meter lang. Der Kopf war eine Ziege mit drei Augen. Die Arme endeten in schuppige Klauen. Aus der haarlosen, breiten Brust wuchsen vereinzelte Federn. Die Beine waren von einer Raubkatze und der Schwanz ein Wurm mit einem eigenen, kreisrunden Maul voller Zähne.

Die Chimäre war erlegt.

Nilim erreichte die Mitte der U-förmigen Baldachins. Von drei Seiten starrte man sie an. Sie ließ den Schädel fallen. Blut begann dabei aus dem Maul des Ungetüms zu strömen.

»Getan«, meinte das Mädchen und betrachtete die Kämpfer um sich herum ruhig. Sie blieb am Ende auf Holgert fokussiert. »Ich habe meine Prüfung bestanden.«

Niemand reagierte. Alle waren sichtbar erblasst. An Nilims Gesicht rannen dick die Regentropfen herab, doch sie schien all die Nässe kaum zu bemerken.

»Es war ein einfacher Kampf«, fuhr sie fort und ihre Augen wanderten wieder über die Anwesenden. »Das Monster hat mir keine großen Schwierigkeiten bereitet. Deswegen,« sie hielt kurz inne und las die Stimmung in der Luft, »ist es umso verwunderlicher, dass ihr solch... Erstaunen zeigt.«

Die letzten Bierkrüge wurden abgelegt. Jede Geste im Moment war langsam und bedacht.

»Könnte es also sein, dass ihr die Gefährlichkeit diese Chimäre mir gegenüber unterspielt habt?«, fragte Nilim und ihre Stimme war klar durch den unerbittlichen Himmelsschauer zu hören. »Ja, anhand des Schocks in manchen Augen hier, kann man davon ausgehen, dass es überhaupt kein Anfängermonster war. Könnte es nicht sogar sein, dass ihr alle zusammen es nicht hätte zu Strecke bringen können?«

Holgert schluckte. Seine Augen waren nun unstet und wanderten zwischen ihr und der toten Kreatur hin und her. Einige seiner Kameraden waren allerdings etwas geistesgegenwärtiger und ihre Hände wanderten wieder zu ihren Waffen.

»Wenn dies der Fall ist, dann bedeutet dies im Umkehrschluss wohl auch, dass ich nun das stärkste Mitglied der Gilde bin«, kam Nilim zum Schluss und nun war ihre ganze Aufmerksamkeit wieder auf Holgert gerichtet. »Aber dies ist eine Position, die ich nicht anstrebe und deswegen hätte ich es gerne, dass ihr nicht plaudert. Wobei,« sie machte einen Schritt nach vorne, »es vermutlich unnötig auszusprechen ist. Von der Sekunde an, wo wir gemeinsam in diesen Wald getreten sind, war klar, dass nur ich oder ihr zurückkehren würden.«

»Ach du Scheiße«, sagte jemand heiser und das gesamte Lager brach in Aktivität aus.

Einige griffen umgehend Nilim an und schwärmten auf sie zu. Andere stießen sich von ihren Tischen fort und begannen zu rennen. Mit aller Energie flohen sie von der Szene.

Einer dieser von Angst ergriffenen Abenteurer verlor einen Stiefel im Schlamm, doch er schleppte sich weiter so eilig er konnte. Hinter sich hörte er gesprochene Zauberformeln und für einige Sekunden spürte er eisige Winde und glühende Feuer gleichzeitig, die den Regen sowohl in Hagel als auch Dampf verwandelten. Doch diese Angriffe erstarben schnell und auch die Schreie wurden weniger.

Ein Kamerad neben ihm fiel und wurde von irgendwas nach hinten gezerrt. Jemand anderes vor ihm wurde von einer scheinbar unsichtbaren oder sehr schnellen Klinge enthauptet. Der Kopf rollte in die Baumlinie hinein. Es war das Haupt von Holgert.

Der Abenteurer wollte springen und sich ins Unterholz verstecken. Doch noch mitten in der Luft durchbohrte etwas seinen Nacken und kam aus seinem Mund wieder heraus. Nicht einmal Kreischen konnte er mehr, während seine Finger sich in Panik in den Schlamm gruben und er wieder zurück gezerrt wurde.

Der Außenposten der Abenteurergilde hörte auf zu existieren.


Das Wispern aus dem AbgrundWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu