Kapitel 3: Die Hütte am Dorfrand

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Ich war das dritte Kind einer ärmlichen Bauernfamilie in einem kleinen, vergessenen Dorf am Rande einer Bergkette. Auf einem fernen Hügel konnte man die hölzerne Burg des lokalen Barons sehen, der diese Ländereien kontrollierte.

Auf dem Stückchen Land, was uns verpachtet wurde, bauten wir vor allem Kartoffeln, Hirse, Gerste und etwas Gemüse an. Zu meiner Geburt gab es auch einige Hühner, doch diese landeten schnell im Kochtopf.

Ich selbst fand mich im Körper eines Mädchens wieder. Eine interessante Umstellung und wäre ich direkt in den Leib einer erwachsenen Frau gewechselt, hätte der Schock des neuen Hormonhaushalts und der ungewohnten Formen mich vermutlich in seinen Zustand des Schocks versetzt. Doch zum Glück begann ich als Säugling und konnte mich so an den neuen Umstand langsam herangewöhnen.

Man gab mir den Namen Nilim. Im Nachhinein wusste keiner meiner beiden Eltern, wieso sie mich so benannten. Es kam ihnen einfach in den Sinn.

Als ich noch unfähig war zu laufen, wurde ich häufig auf dem Rücken meiner Mutter in ein Tuch gebunden, während sie auf dem Acker mit dem Rest der Familie arbeitete. Meine Sinne waren noch nicht scharf und auch die Worte, die sie sprachen, waren mir fremd. So lernte ich nur langsam mehr über meine neue Umgebung.

Bei meinen ersten Schritten merkte ich dann, wie klein unsere Hütte war. Der Schlafbereich von mir und meiner älteren Schwester war nur durch ein Laken vom Rest des Hauses getrennt und hatte gerade genug Platz für unsere Schlafliegen aus Stroh.

Allmählich konnte ich auch die Sprache verstehen und am Ende meines ersten Jahres lauschte ich aktiv den Konversationen abends am Esstisch.

Es schien, als ob die Erträge mit jedem Jahr fielen, da die letzten Winter ungewöhnlich hart gewesen waren. Der Baron hatte schon zweimal seine privaten Speicher geöffnet, um die Bevölkerung zu versorgen und falls das Wetter nicht besser wurde, war eine weitere Verarmung unvermeidlich. Vielleicht würde es sogar eine Hungersnot geben.

Mein Vater versuchte diesen düsteren Ausblicken zu entgehen, indem er mehr und mehr zum Bier griff. Die Abende verbrachte er meist nur noch in der Kneipe und auch im Haus selbst fand man immer mehr leere Krüge, die nach Alkohol stanken.

Als ich drei Jahre alt war, wankte er dann eines Nachts durch die Tür, schlug ohne ein Wort zu sagen meine Mutter zu Boden, zog ihren Rock hoch und schändete sie vor unseren Augen. Anschließend übergab er sich und fiel schnarchend zur Seite. Zu Anfang schrie sie, doch bei späteren Malen nicht mehr.

Bei meinem vierten Winter eskalierte es dann am Esstisch. Mein älterer Bruder brüllte meinen Vater an, bevor er eine Jacke packte und in die eisige Nacht verschwand. Er kehrte nie wieder und keiner wusste, wohin er gegangen war.

Sein Gehen bedeutete zwar zwei fehlende Hand zum Arbeiten, aber gleichzeitig auch einen Mund weniger.

Wenige Monate später wurde meine jüngere Schwester geboren. Sie lebte nur zwei Wochen, bevor sie starb.

Mir fünf Jahren war ich frustriert über das limitierte Wissen in meinem Zuhause. Ich wusste die Namen des Dorfes, dem Baron und dem Königreich, in dem wir uns befanden. Doch darüber hinaus schien sich niemand über die Welt jenseits dieser jämmerlichen Ansammlung an Hütten und Feldern zu interessieren.

Also tapste ich eines Morgens runter zur kleinen Kirche, um den Priester zu sprechen.

»Ah, die kleine Nilim«, meinte er, als er die Tür nach meinem Klopfen öffnete. »Wie schön dich zu sehen. Was machst du ganz alleine hier?«

»Lesen lernen«, nuschelte ich hervor, genervt darüber, dass meine Stimmbänder sich noch nicht daran gewöhnt hatten wie eine Erwachsene zu sprechen.

»Lesen?«

»Niemand zuhause will ich es mir zeigen, aber ich will es lernen. Ich will Bücher lesen.«

»Interessante Frage für ein Mädchen deines Alters.« Er ließ mich in den kleinen Gebetsraum, wo vier Bänke und ein Altar standen. Es war kein großes Gebäude und nur das Fundament bestand aus Stein. Der Rest war Holz. »Bist du aber dürr! Kriegst du genug zu essen?«

»Wer hier hat denn noch genug zu essen?«, erwiderte ich.

»Wohl war«, seufzte der Priester und er gab mir einige trockene Brotkanten. Anschließend ging er zu einem Regal und zog ein in Leder gebundenes Buch heraus. »Was treibt dich denn dazu Lesen zu lernen und dafür zu mir zu kommen? Hast du den Wunsch, mehr über die Götter zu wissen?«

»Unteranderem.«

Er lachte, als er dies hörte. »Eine wissgierige Seele sollte man nicht aufhalten und in solch jungen Jahren sich nach dem Ewigen zu sehen? Vielleicht steck in dir eine Heilige.« Er klappte den Einband auf. »Fangen wir dann mal an.«

Das Wispern aus dem AbgrundМесто, где живут истории. Откройте их для себя