Kapitel 24

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FINJA

Abends lag ich wach im Bett und konnte nicht schlafen. Es war ein langer Tag für mich gewesen und obwohl ich extrem müde und erschöpft war, konnte ich nicht schlafen. Ich war den ganzen Tag bei Jan im Krankenhaus gewesen, aber es ging ihm immer noch nicht viel besser, sprechen konnte er kaum und die meiste Zeit schlief er. Die Ärzte konnten nicht genau sagen, was es war, aber selbst nach einer Woche war er immer noch extrem erschöpft von allem, erschöpfter als es eigentlich der Fall sein sollte. Sie checkten jeden Tag seine Blutwerte, aber die gaben nichts Wertvolles preis und so standen alle vor einem Rätsel und Jan verschlief den halben Tag. Ich wusste nicht einmal, ob er mich überhaupt wahrnahm, denn die meiste Zeit war er nicht wirklich anwesend und wenn doch, dann konnte er nicht sprechen und öffnete nur kurz die Augen. Er hatte zwar ab und an meine Hand gedrückt und mich angesehen, aber ich war mir nicht sicher, ob er mich auch wirklich wahrgenommen hatte. Ich hatte zwar durchgehend mit ihm gesprochen, aber wie viel davon tatsächlich bei ihm angekommen war, wusste ich nicht. Nachdem ich zurück nach Hause gekommen war, hatte ich Nero im Stall gesehen, wie er mit Oasis geredet hatte. Ich hatte ihn nicht stören wollen, deswegen war ich auch nicht in den Stall gegangen, aber durch das Fenster hatte ich gesehen, wie er das edle Pferd gestreichelt und durchgehend mit ihm gesprochen hatte. Anscheinend schien ihm etwas auf dem Herzen zu liegen, denn er war erst zwei Stunden später wieder nach Hause gekommen. Ich hatte mit ihm reden wollen, aber er hatte mich durchgehend abgewimmelt, also war ich schließlich einfach auf mein Zimmer gegangen. Nun lag ich wach im Bett und konnte einfach nicht schlafen. Jans Situation ließ mich einfach nicht los, vollkommen egal, wie sehr ich versuchte mich abzulenken. Ich sah auf meine Uhr, die auf dem Nachttisch stand. Zwei Uhr nachts. Ich seufzte. Es hatte keinen Sinn wach zu bleiben, ich konnte genauso gut aufstehen und fernsehen oder lesen. Also stand ich auf und ging nach unten ins Wohnzimmer, um zu sehen, was so im Fernsehen lief. Um zwei Uhr nachts hatte ich zwar keine große Hoffnung auf etwas Anständiges, aber ich würde es trotzdem versuchen und sollte gar nichts laufen, würde ich einfach über den Fernseher YouTube laufen lassen. Da würde sich schon etwas finden, da war ich mir sicher. Also ging ich nach unten und schaltete den Fernseher an, aber wie erwartet lief nichts außer Porno-Werbung und irgendwelchen langweilen Talkshows. Ich seufzte und wollte gerade auf YouTube umschalten, als ich Schritte im Flur auf der Treppe hörte. Ich drehte mich um und erkannte Nero, der sich leise und ohne Licht die Treppe hinab schlich.
"Nero? Was machst du da?", fragte ich verwirrt nach, worauf er sich erschrocken zu mir umdrehte. Erst jetzt erkannte ich, dass er eine Sporttasche bei sich trug. "Wo willst du denn hin? Und wieso hast du deine Sporttasche dabei?"
"Ich... ähm... will nur eine Runde draußen schießen gehen", antwortete er, klang aber nicht gerade ehrlich. Generell wirkte er so, als hätte ich ihn bei irgendetwas erwischt, bei dem er nicht gesehen werden wollte. Was war nur los mit ihm?
"Du gehst nie so spät schießen. Außerdem nimmst du dazu für gewöhnlich keine Tasche mit", wandte ich unsicher ein und stand auf, um zu ihm zu gehen. "Also sag schon, was hast du vor? Wo gehst du hin?"
"Ich will nur nicht, dass die Leute mich mit dem Gewehr sehen, du weißt doch, wie sauer Marius deswegen das letzte Mal war", wehrte er ab und zog sich bereits Schuhe und Jacke über. "Ich bin bald wieder da, warte nicht..."
"Nero, verarsche mich nicht! Ich weiß genau, dass du nicht schießen gehst! Also sag schon, wohin gehst du?", fragte ich forsch nach und verschränkte die Arme vor der Brust. Er seufzte und sah sich kurz um, bevor er mich ernst und beinahe schon traurig ansah.
"Ich gehe", antwortete er nur knapp.
"Ja, das sehe ich, aber wohin?", hakte ich weiter nach.
"Ich... Ich weiß es nicht. Ich gehe einfach, ich kann nicht länger hier bleiben. Ich danke euch für alles, was ihr für mich getan habt, aber ich kann nicht länger hier bleiben und euch das Leben zur Hölle machen. Ich bringe nur Ärger und das kann ich nicht länger verantworten", erklärte er knapp, worauf ich ihn überrascht ansah. Wieso? Wie konnte er das nur tun?
"Aber... Aber Nero, warum? Das kannst du nicht machen, du bist mein bester Freund, ich brauche dich! Und du machst keinen Ärger! Und Madeleine ist auch keine Gefahr mehr, also...", begann ich panisch, doch Nero schüttelte den Kopf.
"Ich kann es einfach nicht, Fin. Ich habe schon zu viel Mist gebaut, ich will euch nicht weiter belästigen. Es tut mir wirklich leid, aber ich muss das tun, wenn ich euch beschützen will", erwiderte er ernst.
"Nero, du kannst uns nicht alleine lassen! Nicht jetzt!", rief ich aufgebracht, während ich hörte, dass im Hintergrund das Telefon klingelte. "Bitte, bleib bei mir! Du kannst nicht gehen!" Mir stiegen Tränen in die Augen, aber Nero nahm meine Hände und sah mich ernst an.
"Ich will es auch nicht, Fin, aber ich muss. Mach es mir bitte nicht schwerer, als es ohnehin schon ist", wandte er bittend ein.
"Ich will nur nicht, dass du gehst, wir brauchen dich. ICH brauche dich. Besonders jetzt", flehte ich verzweifelt, aber Nero schüttelte den Kopf, während auch ihm Tränen in die Augen stiegen.
"Ich muss das tun, Fin, es tut mir wirklich leid. Verzeih mir, aber ich muss jetzt gehen. Ich liebe dich, verändere dich bitte nie", sagte er, bevor er mich kurz an sich zog und mich küsste. Doch noch bevor ich reagieren konnte, ließ er mich los und rannte aus dem Haus. Ich stolperte ihm hinterher.
"Nero! Nero, bleib hier! Bitte!", schrie ich verzweifelt. "NERO!"
"Fin!" Ich wollte gerade aus der Tür rennen, als ich festgehalten wurde. Mom und Dad standen hinter mir.
"Mom, Dad! Nero läuft weg, wir müssen ihn aufhalten!", rief ich panisch, worauf die beiden sich ansahen.
"Ich gehe ihm nach", beschloss Dad und sah Mom an. "Kiara, bring Fin rein und kümmere dich um sie! Und sag ihr, was passiert ist!" Damit rannte Dad los, ich sah Mom panisch an.
"Was ist passiert?", fragte ich panisch nach und begann zu zittern. Mom seufzte und zog mich schützend an sich.
"Es tut mir leid, meine Süße, aber das Krankenhaus hat gerade eben angerufen. Jan hatte noch einen Rückfall, er ist vor einer halben Stunde gestorben."

Südtiroler Problem 7 - Eiskalte Rache Where stories live. Discover now