Kapitel 3

8 1 2
                                    

NERO

Nachdem ich endlich meine Schicht an der Bar beendet hatte, lief ich zurück nach Hause. Ich war immer noch vollkommen neben der Spur, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte. Wie sollte ich Madeleine sagen, dass sie meine Freunde nicht entführen konnte, ohne, dass sie ihnen wehtat? Sie würde sie umbringen, aber das durfte ich nicht zulassen! Aber ich konnte meine Freunde unmöglich ausliefern, das ging nicht! Verdammte Scheiße, was sollte ich nur tun?! Das war doch bescheuert! Ich lief an der Koppel vorbei, um nach Hause zu kommen, als ich ein lautes Wiehern hörte. Oasis. Ich drehte mich zu dem Pferd um, das am Zaun stand und den Kopf zu mir reckte, um näher zu mir zu kommen. Sie trat gegen das Gatter und scharrte ungeduldig mit dem Huf, ich seufzte. Was wollte dieses verrückte Pferd denn?
"Ich hab keine Zeit, tut mir leid! Ich muss über einige Sachen nachdenken, ich hab jetzt keine Zeit für deine seltsamen Scherereien!", sagte ich genervt und wollte mich wieder umdrehen, aber dieses verrückte Pferd wieherte erneut und lief dann unruhig hinter dem Zaun auf und ab. Ich stöhnte genervt. "Na gut, ok, du bekommst eine Minute. Was willst du?" Ich lief zu Oasis, die mich sanft an der Schulter anstieß und leise schnaubte. Was sollte mir das denn jetzt sagen? Wieso hing dieses Tier so an mir? Es kannte mich doch nicht einmal!
"Hey, Oasis scheint dich zu mögen." Ich sah verwirrt auf und erkannte dann Jonas, der trotz seinen gebrochenen Gliedmaßen auf Quincy saß und zu mir geritten kam.
"Scheint so, ja", meinte ich und musterte ihn. "Solltest du nicht aber eigentlich zuhause auf der Couch und nicht auf Quincy sitzen?"
"Was Mom nicht weiß, macht sie nicht heiß", konterte er und zuckte die Schultern, während er Quincy neben mir stoppte und sich auf seinen Hals lehnte. "Eigentlich wollte ich ja Oasis reiten, aber als sie dich gesehen hat, ist sie sofort zum Zaun gerannt. Wie hast du der denn so schnell den Kopf verdreht? Ich weiß ja, dass du das mit den Mädchen schnell schaffst, aber auch mit Pferden? Das ist neu." Ich musste über Jonas' Witz schmunzeln. Er hatte recht, ich kam gut mit Mädels aus und hatte keine Probleme damit, sie um den Finger zu wickeln, aber dass selbst Pferde auf mich standen, war etwas Neues. Auch für mich.
"Ja, ist es. Ich hab keine Ahnung, was mit diesem verrückten Tier los ist, aber sie will ständig, dass ich zu ihr komme. Keine Ahnung, was sie hat, aber ich hab grad echt keine Zeit dafür", gab ich zu und schob Oasis leicht weg.
"Tja, Mom sagt immer, dass Pferde einen Seelenverwandten spüren, sobald sie ihn sehen. Vielleicht habt ihr zwei ja mehr gemeinsam, als du denkst und sie spürt das. Wer weiß? Aber wenn es so ist, dann solltest du Oasis eine Chance geben, Mom hat nämlich so ihre Probleme mit ihr. Vielleicht kannst du ihr dann ja helfen", erklärte Jonas und zuckte die Schultern. "Aber wer weiß, ob das überhaupt stimmt. Man kann ja schließlich nicht in den Kopf eines Pferdes reingucken!" Ich sah Oasis an, die neugierig die Ohren spitzte.
"Ja, kann man nicht", murmelte ich zustimmend. "Na gut, ich werde es versuchen. Aber ich hab im Moment was besseres zu tun, ich kümmere mich später darum."
"Was hast du denn so Wichtiges zu erledigen? Ich hab dich noch nie so fleißig erlebt", hakte er neugierig nach. Ich biss mir auf die Lippe. Vielleicht wäre es ganz klug, Fin und Jonas von meinen Problemen zu erzählen, damit wir einen Plan ausarbeiten konnten, auch die Polizei wäre vielleicht keine schlechte Idee, aber ich hatte zu große Angst, dass Madeleine es mitbekam und den beiden wehtat. Sie ließ mich schließlich auch nur am Leben, weil sie mich brauchte. Sie war Magnus' Frau, sie würde mit Sicherheit nicht zögern, mich umzubringen. Aber ich auch nicht. Um meine Familie und Freunde zu beschützen, würde ich alles tun. Also würde ich Jonas vorerst nichts sagen, ich würde das schon irgendwie alleine klären können. Hoffentlich zumindest. Erst, wenn ich gar nicht mehr alleine weiterkam, würde ich mit ihnen reden. Ich würde das alleine schaffen, ganz sicher. Niemand kannte Madeleine schließlich so gut wie ich.
"Ich...", begann ich meine Antwort, doch hatte dabei keine Ahnung, wie ich meinen Satz vollenden sollte. Zum Glück nahm Jonas mir diese Bürde ab.
"Sag bloß, es geht um ein Mädchen?", hakte er grinsend nach. In diesem Moment war ich einfach nur froh, dass er mir eine plausible Lüge vorgab, also nickte ich schnell.
"Ja, kann sein", antwortete ich ausweichend.
"Aha. Sag bloß, die hübsche Greta hat dir wieder geschmeichelt", neckte er mich und zwinkerte mir zu. Jeder wusste, dass Greta das hübscheste und beliebteste Mädchen der Klasse war und jeder Junge wollte etwas von ihr - mich eingeschlossen. Und ich hatte tatsächlich gute Chancen, schließlich hatten Greta und ich schon einige Dates gehabt und auch auf Partys verstanden wir uns sehr gut. Als Ausrede würde sie also herhalten.
"Tja, du weißt ja, dass die Weiber auf mich fliegen", konterte ich und setzte mein verschmitztestes Grinsen auf. "Auch vor der hübschen Greta macht mein Charme eben nicht Halt."
"Dann erspar es uns anderen wenigstens, dir auf Partys beim Sex zuhören zu müssen, ja? Morgen Abend bei Mikes Party will ich echt nur Spaß haben und keine doofen Geräusche hören!", meinte er grinsend.
"Jeder will Spaß auf einer Party, Jonas. Aber ich wüsste nicht, dass du mit deinem Bein dahingehen dürftest", meinte ich und strich Oasis über den Kopf, als sie mich anstieß.
"Na und? Ich schleiche mich raus! Das geht schon! Wartet nur auf draußen auf mich, ja?", erwiderte er und bevor ich etwas sagen konnte, ritt er bereits mit Quincy davon. "Aber kein Wort zu Mom und Dad!"
"Niemals!", rief ich ihm nach und seufzte dann, bevor ich Oasis ansah. "Was soll ich nur machen, Oasis? Jonas und Fin wissen nicht, dass sie in Gefahr sind! Und egal, was ich tun werde, ich werde sterben und Madeleine wird sie holen! Was kann ich nur tun, um sie zu beschützen? Wie soll ich Madeleine aufhalten, ohne, dass meine Freunde verletzt werden?"

Südtiroler Problem 7 - Eiskalte Rache Where stories live. Discover now