Kapitel 20

6 1 2
                                    

FRANCESCA

"Pass auf dich auf", murmelte ich noch, nachdem Nero bereits die Treppe nach unten gerannt war. Ich gab es nicht gerne zu, aber vielleicht hatte ich mich in diesem Jungen doch getäuscht. Ich hatte ihn bereits am Eingang gesehen, wie er mit einem Pferd und dazu noch mit nassen Klamotten hier angekommen und dann direkt ins Gebäude gerannt war. Er nahm das alles auf sich, um Jan zu retten, so ein schlechter Junge war er also wahrscheinlich gar nicht. Lars hatte mich vor einer Weile angerufen und mich gebeten, ins Krankenhaus zu Jan zu fahren, um auf ihn aufzupassen. Die Polizei sollte zwar auf ihrem Weg sein, aber die Zusammenarbeit zwischen der Polizei in den Tälern und der in der Stadt war definitiv ausbaufähig und so würde es wahrscheinlich noch eine Weile dauern, bis die Polizisten Zeit finden würden, um hier aufzukreuzen und sich Madeleine zu schnappen. Italien musste wirklich etwas tun, diese Rivalerie zwischen Staatspolizei und Kommunenpolizei musste dringend aufhören! Nachdem Lars mich gebeten hatte, ein Auge auf Jan zu haben, hatte ich mein Meeting abgebrochen und war sofort hierher gekommen, was bei dem vielen Verkehr in Bozen keine einfache oder schnelle Sache gewesen war. Wie Nero es geschafft hatte, vor mir hier zu sein, war mir wirklich ein Rätsel. Der Junge war wirklich ein Mysterium für sich, ich wurde nicht ganz schlau aus ihm. Aber eine Sache hatten wir gemeinsam: Die Liebe zu Fin. Und dafür mussten wir nun zusammenarbeiten, auch, wenn es mir nicht gerade gefiel. Aber Jan ging jetzt nun einmal vor. Also ging ich zur Schwesternkanzel, um Hilfe zu holen. Ich wusste nicht, was diese Madeleine mit Jan gemacht hatte, aber was auch immer es war, ich brauchte Hilfe. Alleine würde ich das wahrscheinlich nicht regeln können.
"Verzeihen Sie, aber gerade eben hat jemand etwas im Zimmer von Jan verstellt", sagte ich, worauf die Schwester aufsah.
"Ja, das war Schwester Anja. Machen Sie sich keine Sorgen, sie arbeitet hier", winkte sie gelassen ab.
"Ich möchte bitte, dass Sie trotzdem nachsehen", verlangte ich stur, aber sie schüttelte den Kopf.
"Dazu gibt es keinen Grund, außerdem muss ich hier noch einiges erledigen", widersprach sie mir.
"Sie sehen jetzt sofort nach, sonst...", begann ich wütend und wollte gerade zu einer Drohung ansetzen, als ein Alarm erklang und das Licht über Jans Tür aufblinkte. Sofort sah die Schwester panisch auf und sprang von ihrem Stuhl hoch. "Glauben Sie mir jetzt?" Wortlos rannte sie an mir vorbei, während auch ein Arzt und weitere Schwestern zum Zimmer gerannt kamen, ich folgte ihnen hinein. Einer von Jans Monitoren piepte unaufhörlich und der Herzrhythmus, der darauf angezeigt wurde, sah nicht gerade gut aus. Ich war zwar kein Arzt, aber selbst ich erkannte, dass sein Puls viel zu niedrig war. Eine der Schwestern warf einen Blick auf die vielen Infusionen, an die Jan angeschlossen war, bevor sie zu einer davon eilte und sie komplett abstellte.
"Das Morphium wurde komplett aufgedreht", sagte sie, während der Arzt den anderen Schwestern irgendwelche Befehle zurief. Plötzlich piepte der Monitor durchgehend und als ich darauf sah, konnte ich nur noch eine flache Linie erkennen. Herzstillstand. Scheiße.
"Code Blau! Reanimation einleiten!", schrie der Arzt die Schwestern an. "Sie beginnen mit der Reanimation und Sie besorgen Adrenalin! Sofort!"
"Was kann ich tun?", fragte ich besorgt nach, worauf der Arzt mich ansah und erst jetzt zu bemerken schien, dass ich überhaupt da war.
"Sie verlassen sofort den Raum!", befahl er und als ich den Mund öffnen wollte, sah er mich ernst an. "Sofort! Wir können hier gerade niemanden gebrauchen, der uns behindert!" Ich nickte stumm und verließ das Zimmer, in das nun noch mehr Schwestern gerannt kamen.
"Oma!" Ich drehte mich um, als ich Fins panischen Ruf hörte. Sie kam mit Marius, Kiara und Jonas aus dem Fahrstuhl und blieb mit Tränen in den Augen stehen, als sie sah, dass alle sich in Jans Zimmer versammelt hatten. "Oma, was ist da los? Was ist mit Jan?" Ich nahm meine Enkelin in den Arm und drückte sie an mich.
"Sie kümmern sich um ihn, mach dir keine Sorgen", wich ich aus, weil ich meiner Enkelin unmöglich sagen konnte, dass ihr Freund technisch gesehen seit einigen Sekunden klinisch tot war. Wir konnten bloß hoffen, dass die Reanimation erfolgreich war.
"Aber was hat er? Was ist passiert? War das Madeleine?", fragte sie panisch weiter nach und sah mich verzweifelt an. Woher wusste sie von Madeleine? Ich sah meinen Sohn an.
"Dad war bei uns, Mom. Er hat uns erzählt, was Nero ihm gesagt hat. Wo ist er?", erklärte er.
"Ich weiß es nicht", antwortete ich ihm ehrlich. "Er war hier, genauso wie Madeleine, aber beide sind wieder weg."
"Was hat sie mit Jan gemacht? Und warum?", fragte Fin verzweifelt weiter. Ich seufzte. Sie musste es erfahren, es war ohnehin unausweichlich.
"Sie hat Jans Morphium voll aufgedreht, er hatte vor einigen Sekunden einen Herzstillstand. Die Ärzte versuchen gerade, ihn wiederzubeleben", erklärte ich ihr knapp.
"Ich bringe Madeleine um!", brüllte Fin sauer und riss sich los, doch ich zog sie zurück an mich und drückte sie an meine Brust, wo sie verzweifelt zu weinen begann. "Ich bringe sie um! Warum tut sie so etwas?!"
"Ich weiß es nicht, mein Schatz, ich weiß es nicht", antwortete ich ihr, während ich Marius, Kiara und Jonas ansah. Alle drei wirkten genauso bestürzt wie ich es auch war und schlossen sich schließlich unserer Umarmung an.
"Es wird alles gut, Fin. Jan ist in den besten Händen", sagte Jonas, um seine Schwester etwas zu trösten. "Ich meine, die haben mich wieder hinbekommen! Und das ist doch ein fast unmöglicher Job, oder? Dann schaffen sie Jan erst recht." Ich wusste, dass er sie mit diesem kleinen Witz nur aufheitern wollte, aber keinem von uns war gerade zum Lachen zumute, am wenigsten Fin. Diese reagierte nicht mal auf den Kommentar ihres Bruders, stattdessen schluchzte sie einfach zur verzweifelt.
"Mom, wo ist Nero hin?", fragte Marius nach. "Er wird Madeleine doch nicht verfolgen, oder?"
"Ich denke schon", antwortete ich ihm. "Vertrau ihm, Marius, er ist ein guter Junge. Ich habe ihm Unrecht getan und das tut mir leid. Falls wir ihn wiedersehen, werde ich mich entschuldigen."

_______________________________

Was meint ihr wird mit Nero und Jan geschehen? Kann Jan wiederbelebt werden? Und wird Nero Madeleine aufhalten können? Was wird wohl bei der Verfolgungsjagd passieren? Wird Nero wieder zurückkommen? Lasst gerne Vorschläge und Ideen in den Kommentaren dazu da!🥰

Cassy

Südtiroler Problem 7 - Eiskalte Rache Where stories live. Discover now