Kapitel 10

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FINJA

Als ich nach Hause kam, saß Jonas mürrisch auf der Couch und grübelte vor sich hin, während er aus dem Fenster sah. Ich warf meine Schuhe in die Ecke und ging auf meinen kleinen Bruder zu.
"Na, Bruderherz? Was ist los, warum guckst du so? Hast du etwa Probleme mit deinem Bein oder Arm?", fragte ich dennoch sarkastisch nach, worauf Jonas mich ansah. Er spähte kurz hinter mich.
"Ist Dad da?", fragte er, ohne auf meine Fragen einzugehen.
"Ähm... Ich denke nicht, zumindest habe ich ihn nicht gesehen", antwortete ich verwirrt. "Wieso fragst du? Hast du etwa Stress mit ihm?"
"Könnte man so sagen, ja. Mom und Dad haben mich erwischt, als ich auf Oasis geritten und gesprungen bin und jetzt habe ich Hausarrest", erklärte er mir. "Aber keine Sorge, ich habe schon einen Plan, wie ich trotzdem auf die Party kommen kann. Deswegen will ich nicht, dass Dad hier ist, er darf nicht mitkriegen, was ich vorhabe."
"Sekunde mal, du hast was bitte getan?", fragte ich schockiert nach. "Du bist geritten und GESPRUNGEN, obwohl du ein gebrochenes Bein und einen gebrochenen Arm hast?! Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?!"
"Sagt diejenige, die Drogen genommen hat", gab er scharf zurück und grinste. "Warte mit Nero einfach an der Straße auf mich, ok? Ich bin kurz nach euch da."
"Na gut, aber was mich angeht, weiß ich nichts von deinem Hausarrest! Sonst bin ich auch dran, weil ich dir geholfen habe, zur Party zu kommen! Also kein Wort zu mir, wie du das anstellst, ok?", willigte ich ein, mein Bruder grinste und nickte.
"Danke, du bist die Beste, Schwesterchen", erwiderte er. "Ich sage dir kein Wort, versprochen. Du bist vollkommen ahnungslos, wenn mich jemand nach deinem Wissensstand fragt."
"Das ist das erste Mal, dass ich froh bin, das zu hören", murmelte ich und drehte mich um. "Ich gehe mich dann fertigmachen, Nero ist noch bei Mom und Oasis! Die beiden trainieren!"
"Ja, das dachte ich mir. Oasis liebt Nero", erwiderte er murmelnd, aber ich ging nicht weiter darauf ein, sondern lief einfach nach oben. Ich musste mich schließlich für Jan fertig machen!

Es war bereits neunzehn Uhr, als Nero mich in meinem Zimmer abholte. Wie immer trug er nur eine schwarze Jeans und ein schwarzes T-Shirt, nichts Außergewöhnliches. Aber es reichte aus, um alle Mädchen in der Schule verrückt zu machen. Ja, ich musste zugeben, dass Nero wirklich nicht schlecht aussah, aber deswegen gleich so durchzudrehen... Die Mädchen in unserer Schule übertrieben maßlos! Ja, am Anfang war ich auch auf Nero reingefallen und hatte gedacht, ich würde ihn lieben, ich hatte ihn ja schließlich auch geküsst, aber das war eine absolute Fehleinschätzung gewesen. Ich liebte Jan und niemanden sonst, da konnte Nero tun, was er wollte!
"Willst du etwa wieder die halbe Schule aufreißen, du Playboy?", fragte ich sarkastisch nach.
"Was denn sonst?", grinste Nero, doch wurde dann ernst. "Aber ich muss mit Jonas und dir reden, es ist wichtig."
"Später, heute Abend will ich erstmal Spaß haben. Und apropos Jonas, der kommt nach, wir sollen an der Straße auf ihn warten", wehrte ich ab, weil ich keine Lust hatte, mir jetzt von Nero die Laune verderben zu lassen, bevor ich mich noch einmal im Spiegel ansah und mich probehalber drehte. Ich hatte meine enge Jeans und ein knappes Top an, in der Hoffnung, dass Jan mich dann heiß finden würde. Er hatte es verdient, dass ihm diese Party gefiel und besonders, dass ich ihm gefiel. "Kann ich so gehen? Sehe ich gut aus?"
"Fin, du siehst immer gut aus", wandte Nero ein. "Aber ich meine ernst, dieses Thema ist mir wichtig und ich kann nicht länger schweigen."
"Nero, nicht jetzt! Später, ja? Jetzt müssen wir erstmal Jan abholen", wehrte ich erneut ab. "Also los jetzt! Ich will Jan nicht noch länger warten lassen!"

Eine halbe Stunde später standen wir vor Mikes Haus. Wir hatten Jan noch zuhause abgeholt, seine Eltern hätten ihn sonst nicht zur Party gelassen. Jonas war auch zu uns gestoßen, er hatte es tatsächlich irgendwie geschafft, sich unbemerkt aus dem Haus zu schleichen. Jan blieb nun unsicher vor Mikes Haus stehen, aus dem bereits ein dröhnender Bass drang. Er sah mich an, worauf ich ihn anlächelte und ihm einen Kuss auf die Wange gab.
"Was ist? Bist du nervös?", fragte ich nach, er nickte.
"Ja, etwas. Nicht viel, aber neu. Party nicht sicher", antwortete er.
"Du kannst das, das weiß ich. Außerdem sind das doch deine Freunde, sie freuen sich, dich zu sehen! Na komm, das wird lustig, da bin ich mir sicher!", beruhigte ich ihn und zog ihn bereits auf die Tür zu. "Komm, lass uns ein bisschen Spaß haben! Das wird lustig!" Ich zog Jan auf die Tür zu und klingelte, nur Sekunden später wurden wir alle zu Mike ins Haus gelassen. Die Party war bereits im vollen Gange und während im Wohnzimmer getanzt wurde, gab es in der Küche eine Menge Snacks und Getränke. Mike versicherte uns, dass es auch etwas ohne Alkohol gab, vor allem wegen Jan, der wegen seiner Medikamente und seiner Krankheit keinen Alkohol trinken durfte. Ich würde auch nichts trinken, damit mein Freund sich damit nicht alleine vorkam, denn das wollte ich nicht. Jan fand es bescheuert, dass er in seinem Alter auf Alkohol verzichten musste, aber er durfte die Nebenwirkungen seiner Medikamente nicht unterschätzen und deswegen konnten wir es nicht riskieren. Das würde schließlich keiner wollen! Nachdem Jan und ich uns Fanta geholt hatten, gingen wir auf die Tanzfläche und obwohl es Jan noch etwas schwer fiel, sich wirklich zur Musik zu bewegen, machte er es ganz gut. Dank der Physiotherapie konnte er sich schließlich wieder sehr gut bewegen und auch, wenn es nie wieder so sein würde wie früher, machte er es sehr gut. Jonas war irgendwohin gegangen, um einige Mädchen mit Oasis zu beeindrucken und auch Nero war irgendwohin verschwunden. Wusste der Geier, was der vorhatte! Wahrscheinlich würde er wieder die halbe Schule flachlegen, Freiwillige gab es ja schließlich genug! Mir war das aber egal, ich wollte heute Abend einfach nur Spaß mit Jan haben! Und diesen Abend würde mir niemand ruinieren können, egal, was passierte!

Südtiroler Problem 7 - Eiskalte Rache Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon