Kapitel 2

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JONAS

"Na? Wie läuft's?" Ich grinste, als meine Schwester und ihr Freund vor dem Haus der Physiotherapeutin auf mich warteten. Ich hatte nicht gewusst, dass sie mich abholen wollten, aber ich freute mich darüber, allein schon deswegen, weil ich Jan lange nicht mehr gesehen hatte und wissen wollte, wie es ihm ging.
"Sehr witzig, Schwesterherz", grinste ich und schlug Fin wegen ihres Wortwitzes gegen die Schulter.
"Was denn? Hat die hübsche Stella dir etwa immer noch nicht alles zurecht zaubern können?", neckte sie mich, weil sie genau wusste, wie hübsch ich meine Therapeutin fand. Ich schwärmte nicht für sie, auf keinen Fall, aber hübsch war sie eben schon. Und damit zog Fin mich leider immer wieder auf.
"Ich dachte, solche Scherze seien unter deiner Würde. Aber nein, es erfordert Zeit und Arbeit, diesen Traumkörper wird herzurichten. Da kann auch meine bezaubernde Stella nichts tun, um es schneller hinzukriegen", konterte ich und wandte mich dann Jan zu, mit dem ich einschlug. "Wie geht's dir, Kumpel? Wir haben uns lange nicht mehr gesehen."
"Gut, gut. Reha ist gut", antwortete Jan und dachte dann nach. "Waren gut. Nicht sein. Vorbei."
"Mit dem Reden klappt es zumindest immer besser", fügte Fin hinzu.
"Sehe ich. Schön, dass du wieder da bist, Kumpel. Hast du Lust auf eine Runde Mario Kart zuhause?", fragte ich nach.
"Eigentlich wollten wir noch einen Spaziergang machen, in die Stadt. Und dann vielleicht etwas im Café trinken", wandte Fin ein.
"Morgen zocken, ok?", erwiderte Jan und lächelte, ich nickte.
"Geht klar. Dann genießt mal euren Ausflug, ihr Turteltauben", meinte ich und zwinkerte den beiden zu. "Ich gehe nach Hause und sehe mal nach, was die anderen machen."
"Tu das, bis später! Und sag Bescheid, wenn du was brauchst und keiner da ist, um dir zu helfen!", meinte Fin und lief dann mit Jan zum Café, während ich den Weg nach Hause antrat. Es dauerte eine ganze Weile und durch die Steigung am Anfang der Stadt, die mit meinen Krücken nur schwer zu erklimmen war, hatte ich große Schwierigkeiten, das Kopfsteinpflaster machte das alles nicht unbedingt besser. Doch nach geschlagenen zwanzig Minuten hatte ich es endlich geschafft zuhause anzukommen, obwohl es normalerweise nicht länger als zehn Minuten dauern würde. Na ja, so war das eben mit einem gebrochenen Bein und gebrochenen Arm. Da dauerte eben alles etwas länger, besonders das Laufen auf einer Steigung. Als ich endlich auf dem Parkplatz vor dem Hotel ankam, sah ich, dass Licht im Stall brannte und die Tür offenstand. Ich hatte sowieso noch nach Quincy sehen wollen, also würde ich das jetzt machen. Auch, wenn Mom und Dad der Meinung waren, dass ich nicht so viel laufen und im Stall arbeiten sollte. Ich liebte es aber einfach, im Stall zu sein, ich konnte das nicht einfach ausfallen lassen! Außerdem wollte ich nicht das Training mit Quincy sausen lassen, auch, wenn ich nur heimlich ganz vorsichtig auf der Koppel ritt. Als ich nun den Stall betrat, sah ich Mom und Dad bei einer hübschen Fuchsstute sehen, die mir seltsam bekannt vorkam. Sekunde mal, war das nicht...
"Oasis de Francesca? Was macht denn ein Champion in unserem Stall?", fragte ich aufgeregt nach und ging näher, um das hübsche Pferd zu streicheln.
"Meine Cousine hat sie gekauft, damit sie ihre Rente genießen kann, aber ihr Vorbesitzer hat sie mit Wasser misshandelt und jetzt hat sie große Angst davor. Und deine Mutter soll ihr helfen", erklärte Dad mir, während Mom einen Eimer mit Hafer zur Box brachte.
"Wie war die Physio, mein Schatz?", fragte sie nach, während Oasis sofort von mir abließ, um sich dem Eimer mit Hafer zu widmen.
"Ganz gut, es wird immer besser", antwortete ich. "Ich wünschte nur, ich könnte reiten. Ich würde Oasis so gerne mal unter dem Sattel spüren!"
"Tut mir leid, mein Schatz, aber du bist krank, du musst dich schonen. Du wirst sie leider nicht reiten können, tut mir leid. Aber du kannst gerne zusehen, wenn ich sie reite, wenn du willst", wandte Mom ein. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und brummte genervt. Das war doch bescheuert! So schlimm waren meine Verletzungen schließlich nicht! Vielleicht würde ich Oasis reiten, wenn meine Eltern bei der Arbeit waren. Dann bekamen sie es nicht mit und ich konnte wenigstens mal für fünf Minuten ein Weltklassepferd reiten.
"Na gut", willigte ich ein. "Aber ich will alles wissen, ok, Mom? Jedes Detail!" Mom lachte und gab mir einen Kuss, den ich mir schnell abwischte.
"Natürlich, mein Schatz", stimmte sie schnell zu. "Gehst du dich jetzt noch ein bisschen ausruhen?"
"Später, ich will noch kurz nach Quincy sehen", antwortete ich und ging zu meinem Pferd, das schnaubte und mich an der Schulter anstieß, als ich es streichelte. "Hallo, mein Süßer."
"Aber dann ab zurück auf die Couch mit dir! Nero hat auch bald Schluss, dann spielt er bestimmt eine Runde Mario Kart mit dir! Und wir kommen auch, sobald wir die Pferde versorgt haben", sagte Dad ernst, ich nickte.
"Na klar, mach ich", beeilte ich mich zu sagen und ordnete Quincys Mähne. "Könntet ihr Quincy später auch noch ein bisschen reiten? Er braucht ein bisschen mehr Bewegung, ich darf ja nicht."
"Ja, wir gehen später mit ihm ausreiten, mach dir keine Sorgen", beruhigte Mom mich schnell.
"Danke. Dann viel Spaß mit Oasis", erwiderte ich und gab meinem Pferd noch einen letzten Kuss, bevor ich den Stall wieder verließ. Ich konnte jetzt ohnehin nicht reiten, wenn meine Eltern im Stall waren, also konnte ich auch nach Hause gehen und eine Runde zocken. Auch, wenn ich dabei alleine war. Mit jemand Zweitem wäre es zwar schöner und spannender, aber immerhin hatte ich etwas zu tun. Hausaufgaben hatte ich zwar auch noch zu erledigen, da ich eine Weile lang nicht mehr in die Schule gegangen war, aber das würde warten können. Ich würde ja schließlich erst nächste Woche wieder zur Schule gehen, solange war ich offiziell noch krank geschrieben. Auch, wenn ich definitiv schon früher hätte gehen können. Aber um ehrlich zu sein, genoss ich es, meine Ruhe zu haben und nicht lernen zu müssen, aber nun freute ich mich doch wieder darauf, zur Schule gehen zu können. Außerdem warteten einige Mädchen auf mich, die mir geschrieben hatten, dass sie sich freuten, mich bald wiederzusehen und mir Schokolade mitzubringen. Sich etwas zu brechen schien also nicht nur von Nachteil zu sein.

Südtiroler Problem 7 - Eiskalte Rache Where stories live. Discover now