Kapitel 23

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NERO

Ich hatte gegen Abend meine Aussage auf der Polizeistation von Bozen gemacht und meine Version der Geschichte den Polizisten dort vor Ort erzählt. Natürlich nur meine erlogene Geschichte, auf keinen Fall würde ich zugeben, dass ich Madeleine mit Absicht den Berg hinab gestoßen hatte. Mit Absicht hatte ich das Motorrad von Madeleine heruntergezogen und so getan, als wollte ich sie wiederbeleben, denn nur so hatte ich verschleiern können, was tatsächlich passiert war. Außerdem waren bereits Fingerabdrücke von mir an der Maschine gewesen, nachdem ich es hinunter geworfen hatte, also hatte ich es danach noch einmal angefasst, um meinen Fingerabdrücken einen Grund zu geben, warum sie dort waren. Die Polizisten hatten mir die Geschichte geglaubt, es gab keine Beweise dafür, dass Madeleines Tod kein Unfall gewesen war, aber Lars kaufte mir meine Geschichte nicht so leicht ab. Immer wieder fragte er mich, was tatsächlich passiert war und er mir nur helfen können würde, wenn ich ehrlich zu ihm war. Das konnte ich ihm allerdings nicht glauben, er würde mich verhaften und einsperren lassen, wenn er wüsste, dass ich Madeleine mit Absicht umgebracht hatte. Er fragte mich das nie vor meiner Familie, das traute er sich wohl nicht, aber immer wieder bat er mich in sein Büro, um mit mir sprechen zu können. So auch heute. Ich saß mal wieder in Lars' Büro, obwohl ich eigentlich besseres zu tun gehabt hätte. Es war bereits eine ganze Woche vergangen und eigentlich wollte ich bei Fin sein und sie unterstützen, denn Jan ging es immer noch schlecht und sie war erst vor wenigen Stunden aus Bozen zurückgekommen, genauso betrübt wie immer. Ich wäre jetzt lieber bei ihr und würde ihr beistehen, aber Lars ließ nicht locker, also war es mir nicht möglich, jetzt Fin zur Seite zu stehen. Ich wollte das hier so schnell wie möglich hinter mich bringen, denn ich würde Lars ohnehin nichts Neues zu erzählen haben.
"Also, Nero, da sind wir wieder", sagte Lars und verschränkte die Arme, als er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und mich auffordernd ansah.
"Ja, da sind wir wieder. Können wir es schnell machen? Fin geht es nicht sehr gut und ich habe ohnehin nichts, was ich dir noch erzählen könnte", erwiderte ich genervt, weil mir diese ständige Befragungen langsam wirklich auf die Nerven gingen.
"Nero, hör auf damit. Ich weiß genau, dass Madeleine keinen Unfall hatte. Ich kann es nicht beweisen, das gebe ich zu, aber ich weiß es. Ich kenne dich, ich sehe dir an, dass du etwas damit zu tun hast", fuhr er mich ebenso genervt an.
"Wieso? Weil sie mich erpresst hat und ich sie hasse? Oder weil ich schon Magnus umgebracht habe?", fragte ich sarkastisch nach. "Hör zu, es gibt keine Beweise und ich habe diese Geschichte schon hundert Mal erzählt. Sie ist gestürzt, ich habe versucht sie wiederzubeleben, aber es hat nicht funktioniert. Wieso hätte ich versuchen sollen, sie zu retten, wenn ich sie hätte töten wollen?"
"Um es zu vertuschen. Komm schon, ich arbeite nicht zum ersten Mal an einem Mordfall, ich habe diesen Beruf seit über fünfzig Jahren! So leicht machst du mir nichts vor, Nero. Du hast dieses ganze Spektakel am Tatort nur veranstaltet, um von deinen wahren Absichten abzulenken, das weiß ich genau. Gib es bitte einfach zu, ich werde es auch nicht weiterleiten, aber ich kann dir nur helfen, wenn du ehrlich zu mir bist", erklärte er ernst, ich seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust, bevor ich mich in dem ungemütlichen Stuhl zurücklehnte.
"Wie wolltest du mir denn helfen, selbst wenn ich es getan hätte?", hakte ich neugierig nach.
"Ich würde dir Hilfe holen, Nero. Dieser Blutrausch, den du hast, der ist nicht gesund", antwortete er mir, klang dabei nun allerdings eher besorgt als streng.
"Hast du etwa Angst, ich könnte meiner Familie etwas antun?! Das würde ich nie, Lars! Ich liebe sie!", schrie ich ihn wütend an und sprang auf. Er hatte recht, ich war eine Gefahr für andere, ich hatte diese Familie schon oft in Schwierigkeiten gebracht, aber ich hatte es nie gewollt und ich könnte ihnen auch nie wehtun! Ich liebte diese Familie, ich wollte sie nur beschützen! Aber Lars hatte auch recht, ich war eine Gefahr. Vielleicht nicht für meine Familie in körperlichem Sinne, aber im psychischen. Und das konnte ich unmöglich zulassen, wenn ich meiner Familie etwas Gutes tun wollte. Lars hob abwehrend die Hände und stand langsam hinter seinem Schreibtisch auf, um einen Schritt auf mich zuzukommen.
"Das habe ich so nicht gesagt, Nero, und so habe ich es auch nicht gemeint. Ich weiß, dass du sie liebst, Nero, aber du hast dich selber nicht immer im Griff. Keiner muss erfahren, dass das mit Madeleine kein Unfall war, aber ich will dir helfen. Du brauchst Hilfe von jemand Professionellem, der dir helfen kann, dich und deine Gefühle in den Griff zu bekommen. Ich kann dir helfen, jemanden zu finden, aber nur, wenn du mir alles erzählst", versuchte er es erneut, dieses Mal ruhiger.
"Ich gehe doch schon zum Hirnklempner, was willst du denn noch von mir?! Und der Kerl ist wirklich kein bisschen hilfreich, der nervt nur!", wehrte ich mich sauer. "Ich brauche keine Hilfe, ich weiß, was ich tu! Also lass mich in Ruhe! Ich habe dir nichts mehr zu sagen, ich gehe jetzt!"
"Nero, warte bitte! Ich will doch nur...", rief Lars mir nach, doch ich war bereits aus dem Büro gestürmt und rannte nach draußen. Ich wollte nicht länger mit Lars reden, das alles hatte keinen Sinn, er wollte mir nicht helfen. Er wollte nur, dass ich gestand, aber das konnte ich unmöglich tun. Sonst würde ich große Schwierigkeiten bekommen. Aber Lars hatte in einem Punkt recht: Ich war eine Gefahr für meine Familie und obwohl Madeleine jetzt wohl keine Gefahr mehr für uns sein würde, war ich eine Gefahr für die Menschen, die ich am meisten liebte. Ich konnte ihnen das nicht länger antun, sie mussten vor mir sicher sein, um ein glückliches Leben führen zu können, ohne ständig von mir belästigt zu werden. Und es gab nur eine Möglichkeit, wie ich das erreichen konnte. Ich fasste auf dem Heimweg einen Entschluss für mich und beschloss, diesen so schnell wie möglich umzusetzen - und zwar noch heute Nacht.

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Was könnte Nero vorhaben? Dieses Buch neigt sich hier langsam dem Ende zu, also wenn ihr noch Ideen oder Anregungen habt, dann gerne her damit!🥰

Cassy

Südtiroler Problem 7 - Eiskalte Rache Where stories live. Discover now