Kapitel 26

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So schnell wie die Stimme in seinem Kopf ertönte, so schnell verklang sie auch wieder. Nur ein Begriff verhallte nicht mit dem Rest.

Die dunkelste Nacht.

Es war wie etwas was er schon einmal gehört hat, aber nicht mehr in seiner Erinnerung weilte. Etwas was er nicht mehr greifen kann, etwas das ihm vor langer Zeit entflohen war.

Rasch wich er aus der Suche nach den verlorenen Erinnerungen zurück, zu den über seinen freien Oberkörper weichenden Händen. Leichte Wärme setzte sich in seinen Wangen nieder. Er hatte vor Schock schon vergessen, wie er vor dem Schwarzhaarigen stand. Entblößt bis auf seine Körper Mitte. Sein rechter Arm verletzlich offengelegt. Reagans Mund verließ kein einziges Wort, aber seine Augen sprachen mehr als genug. Besorgtheit spiegelte sich deutlich in den sonst so frostigen Augen. Soran wollte fast schon lachen, nach all diesen Versuchen dem König endlich diese Gefasstheit zu entreißen, hatte eine nah tot Erfahrung, die durch Reagan selbst ausgelöst wurde, es geschafft. Doch das Lachen erlosch noch bevor es sich über sein Gesicht ausbreiten konnte. Erschrocken umfassten seine kühlen Hände das glühende Gesicht des Königs. Reagan hatte es noch nicht geschafft sich erneut zufassen. Er blickte nur mit einer Mischung aus Besorgtheit und Überraschung auf seinen Diener nieder. „Ihr blutet." Sorans Stimme war nicht mehr als ein Hauch. „Wie bitte?" Es war nur ein schwaches Flüstern, aber der Schmerz bildete sich deutlich in der brüchigen Stimme ab. „Blut."

Die rote Flüssigkeit quoll wie Tränen aus den Augen des Königs. Vorsichtig wischte Reagan die nasse Spur von seinem Gesicht und blickte erschrocken auf den schnell trocknenden Abdruck, der auf seinem Handrücken zurückgeblieben ist. Kurz erstarrte jeder Gesichtszug in dem hübschen Gesicht, bevor er es aus den Händen des Jungen riss und den Strom aus Blut aus seinem Mund floss. „Ich hole Amias..." Soran konnte seinen Satz nicht einmal beenden, bevor Reagans Hand sich erneut um sein Handgelenk legte. Nur dieses Mal brannte nicht diese kalte Flamme in seinen wütenden Augen, dieses Mal war einfach nur Angst in ihnen. Angst und Schmerz. „Nein, bitte nicht. Er wird nichts tun können." Verwirrt starrte Soran zu Reagan. „Wie meint ihr das: er wird nichts tun können? Ihr sterbt, ich kann Euch doch nicht einfach so dabei zusehen." Soran hatte schon fast vergessen das sein eignes Schicksal vor wenigen Sekunden noch komplett in den Händen des Königs gelegen hatte. Müsste er nicht eigentlich dem am Boden kauernden Mann drohen, sagen dass er keine Hilfe ohne Gegenleistung holen würde.

Warum drohe ich ihm nicht? Wäre das nicht meine Gelegenheit Macht über ihm auszuüben, meine Chance hier endlich rauszukommen? Stattdessen hocke ich neben ihm auf dem kalten Boden und vergesse die Krallen, die er fast in mich geschlagen hätte.

„Das ist schon einmal passiert. Mein Körper reagiert manchmal etwas empfindlich auf starke, plötzliche Belastung von Magie. Amias konnte damals nicht anderes tun als neben mir zu sitzen und zu versuchen mich zu beruhigen." Mit jedem langsamen Wort schien die rote Lache unter ihm größer zu werden. „Auf meinem Schreibtisch liegt ein Taschentuch und ein kleines Glasfläschchen, bei der Couch ist etwas Wasser, bring es mir, bitte." Das Bitte war kaum hörbar, es schien als würde mit dem Blut auch seine komplette Kraft aus dem Körper fließen. Schnell nickte Soran und öffnete die gespaltene Tür. Neben den Eingang erklang immer wieder ein leises Wimmern. Remy hatte sich in einen kleinen Ball zusammengerollt und ließ die kläglichen Laute immer wieder aus dem schwarzen Maul weichen. Er bewegte sich nicht, nicht einmal, nachdem Soran die Tür hinter sich weit offengelassen hatte. Selbst er schien Reagan nicht in diesem Zustand sehen zu wollen.

Er wand sein Blick von dem weinenden Wesen ab und griff nach dem Stofftuch, dem kleinen Glasfläschchen und ließ etwas Wasser aus der Karaffe in ein Weinglas fließen. Er war sich sicher das seit seiner Ankunft der Wasserstand der Kanne auf dem gleichen Level war, auch die Art des Glases wies deutlich auf das bevorzugte Getränk des Königs hin. Seufzend ging er erneut mit schwerem Herzen an Remy vorbei und reichte Reagan das Glas Wasser. Mit zitternden Händen schüttete er das Fläschchen in das Glas und ließ es seine Kehle runterlaufen, als würde die Heilung zu all seinen Problemen in der farblosen Flüssigkeit liegen. Soran warf einen letzten Blick auf den blassen Körper und ließ das frische Wasser aus dem Wasserhahn das Stofftuch durchtränken. Als er sich das nächste Mal wieder zu dem König drehte erklang nur das Zerspringen von Glass und wie Reagan trüb auf seine geschnittene Hand blickte. Er wollte gerade beginnen schwankend die Überreste vom Boden aufzulesen. „Nein, tut das nicht!" Soran schrie es laut genug, um das es in dem dunklen Raum widerhallte und trotzdem zog Reagan seine Hand nur langsam mit einem erschöpften Gesicht zurück.

Crimson Stars [Boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt