Prolog

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EINIGE MONATE ZUVOR...

"Hey, ganz ruhig, meine Hübsche!" Cassady seufzte und zog sanft am Strick der schönen Fuchsstute, mit der sie gerade arbeitete. Oasis de Francesca war ein weltklasse Pferd, ein ehemaliger Champion, der eigentlich auf der Ranch von Cassady und Connor, die mittlerweile geheiratet hatten, ihren Lebensabend genießen sollte. Sie war zwar keinesfalls alt, aber zu alt geworden, um Querfeldeinrennen zu laufen, die sie früher alle ohne Probleme gewonnen hatte. Aber die Luft war raus und Oasis war mit ihren zehn Jahren bereits zu alt, um bei den Rennen eine Chance zu haben. Stattdessen war sie nun ein gewöhnliches Reitpferd, das auf Ausritte gehen und auf der Koppel stehen sollte. Doch seitdem Cassady und Connor die Stute gerettet hatten, um sie bei sich leben zu lassen, hatten sie Probleme mit ihr. Sie hatten sie von einem Mann gekauft, der das Tier maßlos vernachlässigt und missbraucht hatte und nun versuchte Cassady das traumatische Erlebnis mit der Stute zu verarbeiten. Connor sah ihr dabei vom Gatter der Koppel aus zu. Er vertraute seiner Frau, sie kannte sich mit Pferden aus, und auf ihrem Reiter- und Gnadenhof hatten sie bereits einige schwierige Tiere gehabt, aber Oasis war anders. Sie machte mehr Probleme, als die jungen, pubertierenden Hengste und das beunruhigte ihn. Er hatte sein Leben lang mit Pferden gearbeitet, von Kindesbeinen an, aber selbst er war nun ratlos. Unsicher und nervös beobachtete er, wie Cass die unruhige Stute erneut zu sich holte und langsam über ihren Hals strich, um sie zu beruhigen. Oasis hatte ein Problem, das Cass und Connor so noch nie gesehen hatten - eine panische Phobie vor Wasser. Ihr Vorbesitzer im Ruhestand hatte sie oft geschlagen und wenn sie beim Putzen nicht still gestanden war, hatte er sie mit einem harten Wasserstrahl bestraft, der ihr mehr als ein Mal wehgetan hatte. Auch hatte er sie häufig nass im Stall stehen lassen und das Tier hatte durch die Nässe und Kälte auch oft starke Erkrankungen durchmachen müssen. Diese waren zwar nun Geschichte, aber der Schock saß noch zu tief, als dass Oasis Wasser vertrauen konnte. Sie trank zwar, aber sobald es ans Waschen ging oder sie Flüsse oder das Meer sah oder hörte, geriet sie sofort in Panik. Cass hatte gerade versucht, das Tier mit einem nassen Tuch abzureiben, aber selbst das hatte die Stute steigen und nervös wiehern lassen.
"Es ist alles gut, meine Hübsche", versuchte Cass es wieder und hob ihr das nasse Tuch vorsichtig erneut entgegen. Sofort weiteten sich die Augen des Pferdes, es wieherte panisch und stieg, wobei es mit den Hufen nach Cass trat. Diese stolperte einen Schritt zurück und fiel prompt hin. Sofort sprang Connor über den Zaun und zog seine Liebste zur Seite. Oasis senkte sich wieder herab und schnaubte nervös, bevor sie davontrabte, um am anderen Ende der Koppel zu grasen.
"Das wird nichts, Cass. Geht es dir gut?", fragte er besorgt nach, Cass nickte und rappelte sich wieder auf.
"Ja, mir ist nichts passiert. Aber was sollen wir nur mit Oasis machen? Sie bräuchte dringend eine Dusche, vom Bürsten alleine geht der ganze Dreck nie aus ihrem schönen Fell! Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll!", antwortete sie ihm verzweifelt, während Connor zu Oasis ging. Diese hob den Kopf, trabte auf ihre beiden Besitzer zu und rieb ihren Kopf an ihnen, bevor sie schnaubte. Sie war das liebste Pferd der Welt, solange kein Wasser in der Nähe war und das schätzten die beiden an ihr sehr.
"Ich weiß es auch nicht, tut mir leid. Aber sie weiter zu stressen, wird nichts bringen. Ich will nicht, dass sie uns noch verletzt - auch, wenn ich weiß, dass es keine Absicht ihrerseits ist", erwiderte Connor und seufzte. "Cass, das geht so nicht weiter. Wir haben einen Betrieb zu leiten, wir müssen Unterricht geben und uns um andere Pferde kümmern. Wir haben neben den hundert anderen Pferden keine Zeit, um uns jeden Tag stundenlang um Oasis zu kümmern." Cass sah ihn erschrocken an.
"Du willst sie doch nicht wieder verkaufen, oder? Ich will nicht, dass sie wieder so einen Besitzer bekommt, wie vor uns! Wer weiß, was der dann mit ihr macht! Bitte, wir dürfen sie nicht verkaufen!", flehte Cass, Connor schüttelte schnell den Kopf.
"Das will ich ja auch gar nicht!", beeilte er sich zu sagen. "Aber wir brauchen Hilfe, verstehst du? Wenn du nicht weiterkommst, und ich nicht weiterkomme und auch mein Vater keinen Rat mehr weiß, dann haben wir ein echtes Problem! Wir müssen jemanden finden, der uns helfen kann, alleine kommen wir nicht mehr weiter. Ich werde versuchen einen guten Pferdetrainer in der Nähe zu finden."
"Kosten die nicht einen Haufen Geld?", fragte Cass nach. "Und wo willst du jemanden finden, der das kann? Ich habe noch von niemandem in der Nähe gehört!"
"Ich finde schon jemanden, wenn ich etwas herumfrage! Das kann ja nicht so schwer sein, oder?", erwiderte Connor und nahm Oasis am Halfter, um sie zur Weide zu bringen. "Komm, meine Süße, wir gehen zu deinen Freunden. Das hast du dir verdient."
"Warte! Ich glaube, ich habe eine Idee, wer uns helfen könnte", meinte Cass da und lief Connor nach, als dieser Oasis auf die Weide brachte.
"Ach ja? Und wer?", fragte er verwirrt nach.
"Kiara", antwortete Cass. "Ich könnte meinen Cousin anrufen und ihn bitten, Oasis bei sich aufzunehmen. Kiara arbeitet bestimmt gerne mit ihr. Sie hat ja auch Whiskey hinbekommen! Und der hatte ja auch so seine Probleme!"
"Sicher, dass sie das macht? Es ist schließlich eine große Verantwortung und der Transport wird auch nicht gerade billig!", erwiderte Connor, Cass nickte.
"Mit Sicherheit! Das wird schon, bestimmt! Für seine Lieblingscousine tut Marius doch bestimmt alles!", sagte sie grinsend und zwinkerte Connor zu, der ebenfalls lachte.
"Ach ja? Und woher willst du jetzt seine Lieblingscousine kriegen?", neckte er seine Frau, die lachte und ihm gegen den Arm schlug.
"Sehr witzig! Aber mit Sicherheit wird Marius zustimmen! Einen Versuch ist es schließlich wert, oder nicht? Und wenn Kiara es nicht schafft, wer dann?"

Südtiroler Problem 7 - Eiskalte Rache Where stories live. Discover now