PROLOG

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Ein Monat nach dem Verschwinden

Princesa-Hallo?-
Princesa-Ich sehe, dass du meine Nachrichten liest, also antworte bitte-
Princesa-nach der Vorlesung komme ich vorbei-

So kam es, dass die beiden von Anfang an unvergleichbaren Leben und Welten wieder entzweit worden sind. So sehr es sich die beiden wieder wünschen würden, den anderen zu sehen, wird das nicht mehr der Fall sein.

Rio und Aleksander werden auf eine zerreißende Probe gestellt. Niemand erfährt ein Wort darüber, wie es dem anderen geht. Das einzige, was die beiden noch verbindet, sind die täglichen - manchmal sogar stündlichen - Nachriten von Aleksander. Er kann sich nicht stoppen, Rio von ihm zu erzählen. Er will nicht, dass die beiden sich nach dieser Zeit fremd werden.

Jeder versucht sich auf andere Weise abzulenken, was fast gar nicht zu klappen scheint. Aber da müssen sie durch.

Rio muss sich um seine Mama kümmern. Die Klinik hat ihm die notwendigsten Rationen an Medikamenten noch mitgegeben, damit er ein Startkapital hat und nicht direkt darum sehen muss, dass er an Geld kommt um seine Mutter zu verpflegen.

Eine Arbeit zu bekommen ist schwer genug in diesen Kreisen der fremden Stadt. Rio hat bereits bei vielen Supermärkten angefragt, ob er dort irgendwelche Arbeit verrichten kann, selbst wenn es nur der Mindestlohn ist. Das würde aber wiederum bedeuten, dass er sich nicht den Unterhalt leisten könnte. Geschweige denn die Wärme und Wasserrechnung. Geschweige denn die Medikamente und Essen.

So gut es geht versucht er mit der U-Bahn von der neuen Wohnung in die Innenstadt zu kommen um das nötige Geld einzusparen, womit er normalerweise seine Yamaha tanken würde. Nicht einmal das ist ihm noch geblieben. Oder er verbietet sich es einfach selbst, damit er noch flüssig ist und sich noch alles leisten kann. Zumindest die billige Ausgabe.

Es ist nicht so, dass er an der Existenzkrise kratzt, nein. Er kann sich gut über Wasser halten. Vor wenigen Tagen hat er endlich eine Stelle ganz in der Nähe seiner Wohnung gefunden, eine Tankstelle. Damit er am Tag bei seiner Mama sein kann, hat er sich bereitwillig die Nachtschichten auftischen lassen, für welche man sowieso etwas mehr Geld verdient.

Eine recht entspannte Arbeit außerhalb einer Großstadt. Ab und zu Kunden, sonst nur Trübsal blasen. Immerhin kann er sich beschäftigen. Sich von seinen Gedanken ablenken. Egal ob es eben ist, dass er den Boden zum dritten Mal auswischt, die Magazine erneut sortiert, oder die Tanksäulen überprüft. Er macht alles, damit er sich auf etwas anderes konzentrieren kann.

Bei seiner Mutter kann er sich auch nicht zu lange aufhalten, denn das macht ihn noch selbst depressiv. Fragen wie "Warum müssen wir von der Klinik weg?" Dein Zustand verschlechtert sich, ich muss dich Zuhause und billiger versorgen. "Rio, wie kannst du das alles zahlen?" Ich weiß es selbst nicht, Mama. wurden wie ein Mantra von seiner Mama wiederholt, sowie seine mentalen Antworten. Er hat ihr seine starke Seite gezeigt.

Manchmal ist sie so in ihren Gedanken, dass er gar nicht zu ihr durchdringen kann. In diesen Momenten ist Rio doch recht froh. Er stellt sich oft vor, dass sie eine Realitätsflucht unternimmt und nichts von ihrem Zustand mitbekommt. Wie er sich verschlechtert durch – ja warum verschlechtert es sich überhaupt? Die andere Umwelt? Die mickrige Ein-Zimmer-Wohnung?

Rio weiß es selbst nicht. Das einzige, was er sicher sagen kann ist, dass er sich durchbeißen muss. Er hat nur noch zwei Monate bis zu seinem Abschluss. Danach wird er arbeiten und mehr Geld heranschaffen können. Wenn Rio bis dahin nicht seinen Kopf in seinen Angelegenheiten verliert

Von den Gedanken ablenken muss sich auch Aleksander. Er hat keine Ahnung, wohin Rio verschwunden ist. Er macht sich sorgen.

Er bekommt keine Antwort auf seine Nachrichten, nur die lächerliche Anzeige Gelesen. Er weiß nicht, was er noch tun soll. Seit Tagen sitzt er auf heißen Kohlen, die ungesagten Worte brennen ihm ein Loch in sein Herz und sein Hals. Er wollte sie unbedingt loswerden. Er wollte Rio klarmachen, dass er so viel mehr für ihn ist. Aleksander konnte seine Gefühle nicht laut aussprechen. Hätte er nur früher den Mut dazu gehabt.

Er hat bereits bei jedem seiner Bekannten angefragt, ob sie Rio gesehen haben. Chastity, Oliver, Ray egal wer, hatten keine Ahnung. Wobei, seine beiden Mitbewohner wussten etwas, aber möchten es nicht sagen. Aleksander muss sie nur weichkochen, dann werden sie schon etwas sagen.

Rio kann ja nicht einfach verschwunden sein.

Sein Rio.

Mein Rio.

Wo bist du, Rio? Warum lässt du mich hier zurück? Ich wollte dir sagen, dass ich dich liebe, doch jetzt kann ich es nur noch in meinen Gedanken wiederhallen lassen, als lache ich Spott über mich selbst.

Warum konntest du mir deine Probleme nicht anvertrauen? Ich hätte dich unterstützt. Fuck, ich würde dich immer unterstützen. Komm zurück. Sonst finde ich dich.

Der Anfang wurde hiermit gemacht.
-A.

SCARRED AS A SOULWhere stories live. Discover now