Kapitel 47

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Olivia

Schon lange hatte ich nicht mehr so gut geschlafen wie in dieser Nacht, in Jacobs Armen. Seinen Kuss noch auf den Lippen spürend, war ich schnell in einen traumlosen Schlaf gesunken. Die Erinnerung an den Kuss, zärtlich und liebevoll, ließ mich mit einem Lächeln aufwachen. Doch als ich mich umdrehte, war die andere Seite des Bettes leer. Ich setzte mich auf, nur um festzustellen, dass Jacob auch nicht im anderen Bett lag. Die Tür zum Bad stand offen, weshalb ich bezweifelte, dass er sich dort aufhielt. Ich schlug die Decke zurück und stand auf. Auf dem Nachttisch lag ein Notizblock, dessen oberstes Blatt beschrieben war.

Bin gleich zurück.

Ich runzelte die Stirn. Wann war ‚gleich'? Ein Blick auf mein Handy zeigte mir, dass es viertel nach sechs war. Demnach schien ich das Klingeln des Weckers überhört zu haben. Damit wir gleich zügig weiterfahren konnte, nutze ich Jacobs Abwesenheit, um mich im Bad fertig zu machen. Als ich wieder herauskam und Jacob am Fußende seines Bettes sitzen sah, einen Kaffeebecher in der Hand, geriet mein Herz kurz aus dem Takt. Erinnerungen an die letzte Nacht überfluteten mich.

Alles. Jacob war alles für mich, das hatte ich ihm gestanden.

Alles, hatte er erwidert. Und dann hatte er mich geküsst. Einmal. Viel zu kurz. Und doch war es der beste Kuss meines Lebens gewesen.

Jetzt sah er mich nicht einmal an. Stattdessen griff er nach dem zweiten Kaffeebecher, der in einem Papphalter neben ihm stand und reicht ihn mir. „Bist du soweit?"

So hatte ich mir unseren Morgen nicht vorgestellt, ganz und gar nicht. Ohne meine Antwort abzuwarten, stand Jacob auf und trank einen letzten Schluck auf seinem Becher, bevor er ihn in den Papierkorb warf. Dann griff er nach meiner Tasche und hängte sie sich über die Schulter. Erst als er bereits in der geöffneten Tür stand, fand ich meine Stimme wieder.

„Was wird das?"

Er drehte sich halb zu mir um, sah mich jedoch weiterhin nicht an. „Wir müssen weiter", antwortete er mit tonloser Stimme.

„Das meine ich nicht und das weißt du auch."

Seufzend fuhr Jacob sich mit einer Hand durch die Haare und gab mir keine Antwort.

Gegen den Kloß in meinem Hals ankämpfend, sagte ich: „Wenn du jetzt behauptest, dass der Kuss ein Fehler war, dann..." Dann was? Dann würde mein Herz in tausend Teile zerspringen? Gut möglich.

Endlich hob er den Kopf und schaute mich an. Der Ausdruck in seinen Augen war unmöglich zu lesen. „Kein Fehler", beruhigte er mich, nur um mich mit dem nächsten Satz von sich zu stoßen: „Aber ein einmaliges Erlebnis."

„Warum? Küsse ich so furchtbar?"

Jacob lächelte, aber er wirkte dabei traurig. „Nein. Besser als in meinen wildesten Träumen, Watson. Aber dadurch ändert sich nichts. Keine Beziehung."

„Wir können auch Freunde sein, die sich gerne küssen", schlug ich vor.

Sein Kopfschütteln fühlte sich an wie ein Faustschlag in die Magengrube. Resigniert griff ich nach meinem Handy und Jacobs Hoodie. Nun war ich diejenige, die seinem Blick auswich. Wenn ich ihn weiter anflehte, würde ich mir bald nicht einmal mehr selbst in die Augen schauen können. Schweigend folgte ich ihm zum Auto. Draußen war es noch dunkel, weshalb es nicht lange dauerte, bis ich auf dem Beifahrersitz erneut einschlief.

Als ich wieder aufwachte, hatte sich die Landschaft, durch die wir fuhren, verändert. Mir fiel auf, dass Jacob das Navi ausgeschaltet hatte, woraus ich schloss, dass es sich in dieser Gegend auskannte und wir nicht mehr weit von seinem Zuhause entfernt waren. Wir fuhren durch eine mittelgroße Stadt, dann wurde es wieder ländlicher. Schließlich bog Jacob von der Hauptstraße auf eine lange Auffahrt ab. Als hinter eine Kurve ein großer Hof mit einem alten Landhaus zum Vorschein kam, klappte mir die Kinnlade herunter. Ich hatte mir wenig Gedanken darüber gemacht, wie Jacobs Familie wohnte, doch so etwas hatte ich aus irgendeinem Grund nicht erwartet. Schräg hinter dem Landhaus entdeckte ich einen Stall und irgendwo hörte ich einen Hahn krähen. Ein Hund bellte.

won't fall in loveWhere stories live. Discover now