Kapitel 35

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Olivia

Lass das bloß nicht Ben hören.

Ich war eine furchtbare Person. Wie konnte ich hier unten mit Jacob sitzen und ihm offenbaren, wie gut er mir tat, während Finn nur wenige Meter entfernt alleine im Bett lag? Es spielte keine Rolle, dass ich kein romantisches Interesse an Jacob hatte, es war einfach nicht richtig. Ich kannte die Gründe für Finns erhöhtes Misstrauen und mit meinem aktuellen Verhalten würde ich ihm garantiert nicht die Sicherheit geben, die er brauchte um mir zu vertrauen.

„Ich sollte wieder reingehen", murmelte ich und stand auf. „Bevor Finn aufwacht, nach mir sucht und mich hier findet."

Uns hier findest, meinst du", verbesserte mich Jacob.

Seufzend zuckte ich mit den Schultern. „Würde es dich nicht stören, wenn du in seiner Position wärst?"

„Weshalb sollte es? Wir sind befreundet, mehr nicht. Wir waren hier unten nicht heimlich verabredet, um Zärtlichkeiten auszutauschen, wir konnten beide nicht schlafen. Wo liegt das Problem?" Manchmal wünschte ich mir, das Leben so klar und gerade sehen zu können, wie Jacob. Stattdessen legte mein Gehirn mir immer wieder Stolpersteine in den Weg und schickte mich nur über Umleitungen zum Ziel. Diese Angelegenheit jedoch war nicht ganz so einfach, wie Jacob behauptete.

„Aus seiner Perspektive sitze ich mit dir unter einem ziemlich schönen Sternenhimmel, während er alleine im Bett liegt."

Jacob grinste. „Genau genommen stehst du." Er hingegen machte noch immer keine Anstalten aufzustehen und ich fragte mich, wie lange er wohl noch hier draußen sitzen würde. „Er muss einfach lernen, dass er dir vertrauen kann", fügte Jacob hinzu.

Einfach schien Finn das nicht zu fallen. Leider. „Ich geh trotzdem rein", murmelte ich. „Du nicht?" Jacob schüttelte den Kopf. „Noch nicht."

„Okay... gute Nacht, Jacob." Ich drehte mich um und ging in Richtung der Terrassentür. Als ich schon einen Fuß ins Wohnzimmer gesetzt hatte, sagte Jacob: „Ich bin auch froh, Watson." Ich warf einen fragenden Blick über die Schulter.

„Über die zweite Chance", erklärte er mit einem Lächeln, dass mir sehr viel besser gefiel, als sein übliches Grinsen, das mir immer ein bisschen das Gefühl gab, er würde sich über mich lustig machen. Ich erwiderte das Grinsen, bevor ich mich wieder von ihm abwandte und meinen Weg ins Haus fortsetzte.

Finn war während meiner Abwesenheit anscheinend nicht aufgewacht, doch mein schlechtes Gewissen hielt mich noch eine Weile länger vom Schlaf ab. An den nächsten beiden Tagen versuchte ich die Interaktion mit Jacob auf ein Minimum zu beschränken. Richtig fühlte sich das nicht an, aber ich beruhigte mich selbst damit, dass ich auf Dauer bestimmt einen Weg finden würde, mit der Situation vernünftig umzugehen, ohne jemanden zu verletzen. Ich bereute nicht, Finn mit zum Strandhaus genommen zu haben. Er Integrierte sich fantastisch in die Gruppe - wenn man die aufgesetzte Freundlichkeit zwischen Jacob und ihm ignorierte - und die gemeinsame Zeit schweißte uns beide enger zusammen. Körperlich kamen wir uns auch in der zweiten Nacht nicht näher, was aber auch daran lag, dass wir fast den ganzen Tag am Strand verbracht hatten und meine Augen buchstäblich zufielen, sobald mein Kopf das Kissen berührte.

Als Finn auf der Rückfahrt am Sonntag nach meiner Hand griff, glaubte ich zum ersten Mal bewusst daran, dass er mich wirklich mochte und die Sache zwischen uns eine Zukunft haben könnte.

Die nächste Woche war anstrengend. Die Schonphase war vorbei, unsere Professoren wurden fordernder und gingen zügiger durch den Stoff. Zwischen meinen Kursen, deren Nach- und Vorbereitung, Zeit mit Finn und Zeit mit meinen Freunden, kam ich sehr selten dazu, mir über die Jacob-Sache Gedanken zu machen. An seinen morgendlichen Kaffeelieferungen hielt Finn fest, doch wir schafften es erst am Donnerstag, uns auch abends zu treffen. Hailey und Ella waren beide nicht da, als Finn zu mir kam, beladen mit Gemüse, um gemeinsam in unserer kleinen Küchenzeile zu kochen. Es tat gut, ihn zum ersten Mal seit Sonntag wieder für länger als eine Viertelstunde in meiner Nähe zu haben und während wir aßen beschloss ich, ihn zumindest zu fragen, ob er die Nacht hier bleiben wollte. Wenn er - aus welchen Gründen auch immer - ablehnte, war das auch okay, aber so sendete ich ihm wenigstens eindeutige Signale. Doch als wir es uns nach dem Essen in meinem Zimmer gemütlich machten, war Finn derjenige, der die Unterhaltung begann und damit in einer ganz andere Richtung lenkte. Obwohl es am Anfang überhaupt nicht so wirkte.

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