Kapitel 38

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Olivia

„Kannst du mich bitte einfach nach Hause fahren? Ich bin müde und mein Handgelenk tut weh." Als Jacob nicht reagierte, fügte ich hinzu: „Es tut mir leid, dass ich vorhin so zickig war. Danke, dass du mich hierher gefahren hast." Aber weder meine Entschuldigung, noch mein Dank schienen das zu sein, was er hören wollte. Jacob sah unverwandt die Schiene an, die nun mein Handgelenk stabilisierte, seine Augenbrauen eng zusammen gezogen. Dann drehte er sich ohne ein Wort um und steuerte des Ausgang an. Etwas überrascht folgte ich ihm nach draußen. Beim Auto angekommen, hielt er mir die Beifahrertür auf und schlug sie zu, nachdem ich eingestiegen war. Alles, ohne mich ein einziges Mal anzusehen. Er stieg auf der Fahrerseite ein, schnallte sich an, machte allerdings keine Anstalten loszufahren.

„Warum bist du weggerannt?"

Ich schloss die Augen und lehnte meinen Kopf ans Fenster. „Können wir das nicht einfach vergessen?", bat ich, befürchtete jedoch, dass er mir den Gefallen nicht tun würde. Wie sollte ich ihm meine Kurzschlussreaktion erklären, wenn ich sie in ihren Tiefen selber noch immer nicht verstand?

„Nein", entgegnete er spöttisch. „Nein, ich kann nicht vergessen, dass ich irgendetwas gesagt oder getan habe, was dich dazu gebracht hat, vor mir wegzurennen und dir dabei auch noch die Hand zu brechen. Schon gar nicht, wenn ich in der nächster Zeit täglich daran erinnert werde."

„Meine Hand ist nicht gebrochen, das Gelenk ist nur verstaucht", widersprach ich. Der Arzt hatte mir versprochen, dass alles in wenigen Wochen verheilen würde, wenn ich das Gelenk in nächster Zeit ruhig hielt. „Und wenn es dir dadurch besser geht, kann ich dir gerne aus dem Weg gehen, damit du nicht ständig an meine Schmerzen erinnert wirst."

„Verdammt nochmal, ich möchte mich bei dir entschuldigen." Jacobs Stimme war nun deutlich lauter. Ihn wütend zu machen, war nicht meine Absicht gewesen, aber eine Alternative sah ich auch nicht. Ich konnte ihm unmöglich die Wahrheit sagen. Blamiert hatte ich mich schon mehr als genug. „Aber wie soll ich mich entschuldigen, wenn ich nicht weiß, wofür? Irgendetwas habe ich offensichtlich falsch gemacht."

Mit immer noch geschlossenen Augen schüttelte ich den Kopf. „Du musst dich nicht entschuldigen, du hast nichts falsch gemacht. Ich bin rausgelaufen, weil ich frische Luft brauchte", log ich. Ihn anzulügen ging mir gegen den Strich, aber es war die beste Lösung für uns beide. „Als du mich gerufen hast, habe ich mich einfach nur erschrocken und bin gestolpert. Das war nicht deine Schuld."

Er glaubte mir nicht. Um das zu wissen, musste ich ihn nicht ansehen und er musste es auch nicht aussprechen. Stur waren wir beide, die Frage war nur, wer von uns beiden zuerst aufgeben würde.

„Ich glaube dir kein Wort", bestätigte Jacob meine Gedanken. „Ich fahre dich jetzt nach Hause, aber das Thema ist noch nicht erledigt." Ich presste meine Lippen fest zusammen und schwieg. Jacob startete endlich den Motor. Nach ein paar Minuten öffnete ich meine Augen wieder, konnte draußen jedoch kaum etwas erkennen, weshalb ich sie schnell wieder schloss. Ich spürte wie wir langsamer wurden und der Motor leiser, vermutlich hielten wir an einem Stoppschild oder einer roten Ampel.

„Es geht mir nicht besser, wenn du mir aus dem Weg gehst", murmelte Jacob und das wohlig warme Gefühl, das mich daraufhin durchströmte, war ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ich ihm aus dem Weg gehen sollte.

Jacob

Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend und als ich den Wagen vor dem Wohnheim zum Stehen brachte und zu Olivia herübersah, erkannte ich, dass ein Gespräch gar nicht möglich gewesen wäre. Ihr Kopf lehnte am Fenster, ihre Augen waren geschlossen und ihr Mund leicht geöffnet. Die ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen ihres Oberkörpers ließen kaum einen Zweifel daran, dass sie schlief. Dennoch sagte ich leise ihren Namen, für den Fall, dass ich mich irrte und sie wach war. Sie reagierte nicht und auch der Rhythmus ihres Atems blieb konstant. 

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